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Anschober setzt bei Corona-Mutationen auf Zeit

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Das Zeitfenster bis zu einer größeren Ausbreitung der neuen SARS-CoV-2-Variante B.1.1.7 soll laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) mit mehr Sequenzierungen sowie rigoroseren Einschränkungen bei der Einreise aus Großbritannien und Südafrika vergrößert werden. Um die Ausbreitung des neuen Stammes möglichst hinauszuzögern sind die bekannten Maßnahmen von Mund-nasen-Schutz bis Abstandhalten die weiteren Mittel, hieß es in einer Pressekonferenz am Freitag.

Wegen der Mutationen des Coronavirus hatte Österreich Landeverbote für Flugzeuge aus Südafrika und Großbritannien verhängt. Diese derzeit bis 10. Jänner gültige Maßnahme soll verlängert werden, kündigte Anschober an. Die bisherigen Funde der Mutationen in Österreich - bei Sequenzierungen wurden die Variante aus Großbritannien bei vier Personen, jene aus Südafrika bereits Anfang Dezember bei einer Frau gefunden - haben alle einen Reisehintergrund, sagte Anschober. Bezüglich weiterer Landeverbote sei man derzeit in einem Screeningprozess.

Die Mutationen dürften in Österreich zumindest noch nicht weit verbreitet sein. "Wir haben keine weiteren englischen und südafrikanischen Varianten seit Montag identifiziert", sagte der Genetiker Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). In den einzelnen Bundesländern gibt es stark unterschiedliche Sieben-Tages-Inzidenzen, in Salzburg beispielsweise lag sie zuletzt bei mehr als 330. Analyse von Daten aus Kläranlagen in Salzburg zeigen bisher dort keine Werte der Mutation, sagte Bergthaler. Allerdings fehlen noch Daten.

In Großbritannien entfielen bis zu 50 Prozent aller neuen Fälle auf die Virus-Variante, es gab eine exponentielle Steigerung. In Dänemark seien es ungefähr zwei Prozent, die mit der Mutation infiziert sind. Wo sich Österreich befindet, sei noch nicht klar. "Wir befinden uns in einem ähnlichen Bereich wie Dänemark oder darunter", sagte Bergthaler.

Zur Mutation des Coronavirus sagte die Virologin Monika Redlberger-Fritz, dass die SARS-CoV-2-Variante B.1.1.7 dahingehend nicht überraschend sei, da es schon einmal eine Variante gab, die sich durchsetzte. "Jedoch hat diese (neuere Variante, Anm.) 23 Mutationen, von denen acht im Oberflächenprotein sind", führte die Expertin aus. Und das betreffe Schlüsselpositionen wie die Rezeptorbindungsstelle, wodurch mehr Virus produziert werde - und das führe zu einer 56 Prozent höheren Infektiosität. Ebenso wurden Teile des Virus herausgelöst, jedoch führte das glücklicherweise nicht dazu, dass die Impfungen betroffen sind. Nachdem sich das Virus ständig ändert, könne das in Zukunft aber passieren, warnte Redlberger-Fritz. Dass bei der Mutation mehr Kinder betroffen sind, habe sich nicht bestätigt.

Die Pathogenität der Mutation sei zudem gleichbleibend, trotzdem werde die Infektiosität auch zu mehr Super-Spreadern führen. Maske, Abstand und soziale Kontakte minimieren seien auch im Angesicht der neuen Variante die wichtigsten Mittel. Neben der britischen Variante gibt es jedoch noch die Variante aus Südafrika, und auch hier wurde eine leichtere Übertragbarkeit festgestellt.

Das "Spezielle" bei der englischen und südafrikanischen Variante sei das Vorhandensein von vielen, gleichzeitigen Mutationen, sagte Bergthaler. "Das werden wahrscheinlich nicht die einzigen Varianten sein, die weltweit unterwegs sind", in Ländern, wo wenig sequenziert wird, würden Mutationen nämlich nicht so leicht festgestellt wie in Großbritannien. Österreich sei im Bereich der Sequenzierung noch im Mittelfeld, jedoch werde diese Position nun ausgebaut.

Was die Corona-Zahlen in Österreich betrifft, so rechnet Anschober ab nächster Woche mit einer schrittweisen Reduktion bei den Infektionszahlen, es blieben zwei Wochen Lockdown, die man "für den Schlusssprint" nutzen sollte. Dass dieser auch mit dem angekündigten Termin am 24. Jänner endet, ist das "erklärte Ziel" der Bundesregierung, sagte der Gesundheitsminister bei einer Pressekonferenz in Wien. Schließlich könne ein Lockdown nicht ewig fortgesetzt werden, es dürfe zu keinem Gewöhnungseffekt kommen.

Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH, prognostizierte für Mitte kommender Woche den Schnitt von rund 2.000 Neuinfektionen pro Tag, die Tendenz sei "leicht rückläufig", sagte er. Relativ konstant bleibe auch die Zahl der Patienten in Spitalsbehandlung. Am 19. Jänner wird es laut Prognose immer noch 310 Menschen in intensivmedizinischer Behandlung geben. Am heutigen Freitag waren es 371. Ursächlich daran sei unter anderem die lange Verweildauer, die im Schnitt 19 Tage ausmacht, und das konstant hohe Niveau der Infektionszahlen sage Ostermann.

Finalisiert werde derzeit auch ein Gesetzesentwurf für Eingangstests ab 18. Jänner, sagte der Gesundheitsminister. Diese seien aber jedenfalls kein Ersatz für Schutzmaßnahmen. Die Zahl der Test solle massiv gesteigert werden. "Ich höre, dass es da auf parlamentarischer Ebene in der kommenden Woche einen Arbeitsprozess geben wird", sagte der Gesundheitsminister. Anschober wolle zuerst eine Lösung erarbeiten und dann diese kommunizieren.

Bei den Impfungen habe man zusätzlich zu den 30.000 Impfungen bis Ende der Woche ab Montag und Dienstag über 42.000 weitere Einmeldungen für Dosen verzeichnet - und das werde sich noch vervielfachen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte am Donnerstag bekanntgegeben, dass noch im Jänner bereits die ersten Impfungen außerhalb der Heime durchgeführt werden. Dass sich der Regierungschef einbringt, "ist von mir immer begrüßt worden", sagte Anschober. Für die Bekämpfung der Pandemie sei das gleichgültig, denn "dem Virus ist völlig wurscht, von wo eine Maßnahme kommt, Hauptsache ist, dass sie kommt", konstatierte Anschober. In der Regierung gebe es eine "gute Teamarbeit, alle Schritte werden gemeinsam erarbeitet", sagte Anschober.

ribbon Zusammenfassung
  • Ebenso wurden Teile des Virus herausgelöst, jedoch führte das glücklicherweise nicht dazu, dass die Impfungen betroffen sind.