Türkei
Erdoğan gegen Opposition: 120 Personen in Izmir festgenommen
Unter den Festgenommenen befinden sich laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu auch der ehemalige Oberbürgermeister Tunç Soyer sowie der CHP-Provinzvorsitzende Şenol Aslanoğlu.
Insgesamt wurden demnach 157 Haftbefehle im Rahmen von Korruptionsermittlungen der Staatsanwaltschaft Izmir angeordnet.
Izmir, die drittgrößte Stadt der Türkei nach Istanbul und Ankara, gilt als eine der wichtigsten Hochburgen der sozialdemokratischen CHP. Die Stadt hat sowohl wirtschaftlich als auch politisch starkes Gewicht.
Die CHP, derzeit größte Oppositionspartei der Türkei, steht seit Monaten unter zunehmendem politischem und juristischem Druck.
Viele Beobachter werten das Vorgehen als gezielte Kampagne der Regierung gegen die Partei, die bei den vergangenen landesweiten Kommunalwahlen als stärkste Kraft hervorging.
Erdoğan ortet "illegale Machenschaften"
Bereits im März war der populäre CHP-Politiker Ekrem İmamoğlu, Bürgermeister von Istanbul und potenzieller Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, festgenommen, später verhaftet und abgesetzt worden.
Zahlreiche weitere Personen aus seinem Umfeld wurden in mehreren Festnahmewellen in Gewahrsam genommen.
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Erdoğan kündigte daraufhin an, dass es weitere Schritte gegen die CHP geben werde. Er begründet dies mit angeblichen illegalen Machenschaften der Partei.
Der CHP-Vizevorsitzende Murat Bakan schrieb auf der Plattform X, in Izmir passiere nun etwas Ähnliches wie in Istanbul. Er fügte hinzu, es scheine "ein Justizsystem zu sein, das auf Anweisung handelt."
Die Regierung betont dagegen die Unabhängigkeit der türkischen Justiz.
Festnahmen nach mutmaßlicher Mohammed-Karikatur
Vier Menschen wurden in Istanbul unterdessen in Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Karikatur des Propheten Mohammed in einem Satiremagazin festgenommen.
Der türkische Innenminister Ali Yerlikaya teilte am Montagabend auf der Plattform "X" Videos der Festnahmen des Grafikers, Zeichners, Chefredakteurs und des Geschäftsführers des Magazins "Leman". Darauf ist zu sehen, wie Polizisten sie teils grob abführen.
Gegen das Magazin werde wegen der öffentlichen Verunglimpfung religiöser Werte ermittelt, teilte Justizminister Yılmaz Tunç mit.
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In einer Stellungnahme auf X widersprach "Leman" der Darstellung. Es handle sich bei der Karikatur nicht um den Propheten Mohammed.
Demonstrationsverbot in Istanbuler Stadtteil
In der Nähe des Bürogebäudes des Magazins im Stadtteil Beyoğlu war es am Sonntagabend zu wüsten Szenen gekommen, nachdem sich eine Gruppe von Männern zum Protest gegen die mutmaßliche Karikatur versammelt hatte.
Berichten zufolge riefen sie Parolen wie: "Es lebe die Scharia." Laut der Nachrichtenplattform "Birgün" wurden etwa Fensterscheiben und Türen an dem Gebäude beschädigt.
Das zuständige Gouverneursamt in Beyoğlu verhängte am Dienstag ein eintägiges Demonstrations- und Versammlungsverbot für den Stadtteil.
Die Anwaltsvereinigung CHD schrieb in einer Stellungnahme auf X, bei der Festnahme sei übertriebene Gewalt gegen die Mitarbeiter des Magazins angewendet worden und sprach von "Folter".
Das Vorgehen sei als Angriff auf Oppositionelle im Land zu verstehen. Die Regierung wolle sie mit derartigem Vorgehen zum Schweigen bringen.
Zusammenfassung
- Bei einem groß angelegten Einsatz gegen die CHP-geführte Stadtverwaltung von Izmir wurden 120 Personen festgenommen und insgesamt 157 Haftbefehle wegen Korruption erlassen.
- Die türkische Regierung steht wegen des Vorgehens gegen die größte Oppositionspartei CHP, die bei den letzten Kommunalwahlen stärkste Kraft wurde, unter internationaler Kritik; Beobachter sprechen von einer gezielten Kampagne.
- In Istanbul wurden vier Mitarbeiter des Satiremagazins "Leman" wegen einer mutmaßlichen Mohammed-Karikatur festgenommen und im Stadtteil Beyoğlu ein eintägiges Demonstrationsverbot verhängt.