"Wicked" zum Saisonauftakt: Ein echtes Hexenwerk in Baden
Dem ausgewiesenen Musicalregisseur Gergen ist damit zum Einstand ein echter Coup gelungen, feierte das weltweit erfolgreiche Musical von Stephen Schwartz, das auf dem Roman von Gregory Maguire basiert, doch bereits 2003 Uraufführung am Broadway. 2007 folgte die deutsche Erstaufführung, doch bis der seit der Weltpremiere durchgängig am Broadway gespielte Hit seine Österreichpremiere erlebte, dauerte es bis zum 3. Oktober 2025.
Das Regieteam inklusive dem Staatsopern-erfahrenen Bühnenbildner Momme Hinrichs bespielt dabei die letztlich kleine Bühne des Stadttheaters wie schon bei "Chess" in der Vorsaison mit relativ einfachen Mitteln effektiv. Mit oft wenigen Utensilien entstehen in Windeseile Klassenräume, Schlafzimmer oder ein Waggon auf der Bühne, Videohintergründe werden sparsam, aber sinnig eingesetzt.
Ein janusköpfiges Stück
Bei aller Dynamik zeigt sich auch in Baden die Janusköpfigkeit von "Wicked". Musikalisch ist das Stück ein fast schon klischeehaftes Genrewerk der Nach-Webber-Zeit, ein Paradebeispiel für die Musicals der 2000er mit stetem Crescendo und Oktavsprüngen. Inhaltlich hebt sich das Werk aber durchaus vom Gros der gängigen Kommerzproduktionen ab.
Die grünhäutige Protagonistin Elphaba wird von der Zauberschülerin zur Rebellin gegen das protofaschistische Regime des Zauberers im Lande Oz. Nicht von ungefähr erinnern die Kostüme von dessen Hofstaat an "Die Tribute von Panem". "Wicked" behandelt die Fragen der Hautfarbe, die Ausgrenzung von Schwächeren, die schrittweise Etablierung autoritärer Herrschaft und letztlich schlichtweg Rassismus - und das alles im quietschbunten Gewand eines Musicals.
Eine italienische Expertin als Hauptdarstellerin
Eine echte Wucht stellt dabei Hauptdarstellerin Laura Panzeri dar - eine wahre "Wicked"-Expertin, die in der italienischen Sprachfassung der aktuellen Kinofilme Elphaba ihre Stimme leiht. Das Duo der beiden Hexen komplettiert Vanessa Heinz als oberflächliche Glinda, die sich im Laufe des Stücks mit der Außenseiterin Elphaba anfreundet und sich der wahren Werte besinnt.
Die zweite Gruppe im Ensemble des Abends stellen die Altstars dar, die Gergen verpflichten konnte, allen voran Mark Seibert als machtbewusster Zauberer und Musical-Grand-Dame Maya Hakvoort als Madame Akaber. Und dann wäre da noch die Mörbisch-Gang um Timotheus Hollweg als Prinz Fiyero oder Anna Rosa Döller als Nessarose, die sich zur tadellosen Gruppenleistung gesellen. Das von der Auflösung bedrohte Orchester der Bühne Baden, für das am heutigen Samstag eine Solidaritätsdemonstration angesetzt ist, legt sich allerdings mit solcher Verve ins Zeug, dass die Darstellerinnen und Darsteller bisweilen überdeckt werden.
Eine gute Musicalinszenierung kein Hexenwerk
Alles in allem stellt man mit "Wicked" in Baden aber unter Beweis, dass gute Musicalinszenierungen mit Kreativität und Pep auch an kleineren Häusern kein Hexenwerk sind. Wobei - in diesem Falle wohl schon.
(Von Martin Fichter-Wöß/APA)
(S E R V I C E - "Wicked" von Stephen Schwartz im Stadttheater Baden, Theaterplatz 7, 2500 Baden. Musikalische Leitung: Sebastian de Domenico, Inszenierung: Andreas Gergen, Bühne: Momme Hinrichs, Kostüme: Claudio Pohle, Choreografie: Francesc Abós. Mit Elphaba - Laura Panzeri, Glinda - Vanessa Heinz, Fiyero - Timotheus Hollweg, Zauberer - Mark Seibert/Andreas Lichtenberger, Madame Akaber - Maya Hakvoort, Dr. Dillamond - Beppo Binder, Nessarose - Anna Rosa Döller, Moq - Jens Emmert, Elphabas Vater - Branimir Agovi, Elphabas Mutter/Schön-Schön - Liviana Degen, Hebamme/Pfanny - Mariella Hofbauer, Junger Zauberer/Averick - Jan-Eike Majert. Weitere Aufführungen am 4., 7., 10., 11., 17., 18., 24. und 25. Oktober, am 1., 12. und 13. November sowie am 10., 15., 18., 21., 22., 28., 29. und 30. April 2026. www.buehnebaden.at/de/produktionen/wicked/5364)
Zusammenfassung
- Das Musical 'Wicked' feierte am 3. Oktober 2025 seine österreichische Erstaufführung im Stadttheater Baden und markierte damit den Auftakt der Intendanz von Andreas Gergen.
- In der Hauptrolle der Elphaba überzeugte Laura Panzeri, die auch in der italienischen Kinofassung ihre Stimme leiht, während das von Auflösung bedrohte Orchester der Bühne Baden mit großem Einsatz spielte.
- Mit einfachen, aber kreativen Mitteln und einer thematischen Auseinandersetzung mit Ausgrenzung und autoritären Strukturen beweist die Inszenierung, dass große Musicals auch an kleinen Häusern gelingen können.