APA/Wolfgang Huber-Lang

"Warten auf die Barbaren": Bangemachen als Bunker-Theater

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Die Barbaren werden kommen. Früher oder später. Deswegen ist es gut, sich schon jetzt zu fürchten und sich darauf vorzubereiten. Ideologisch und praktisch. Das ist der Inhalt des Gedichtes "Warten auf die Barbaren" des Griechen Konstantinos Kavafis. Das ist die Grundlage der Politik mancher rechter Partei. Und das steht im Zentrum der immersiven Theaterproduktion "Warten auf die Barbaren" der Gruppe toxic dreams, die am Montag in einem Wiener Luftschutzbunker Premiere hatte.

Das Volkskundemuseum Wien im Palais Schönborn in der Josefstadt steht vor einer großen Generalsanierung. Die Räume sind bereits weitgehend geräumt und warten - nicht auf die Barbaren, sondern auf die Baumaschinen. Bis dahin feiert man "Abschied und Aufbruch aus einer bröckelnden Gegenwart" mit einem "Wendezeit-Programm" unter dem Titel "before it gets better ...". So überlässt man etwa ab 17. Mai die Räumlichkeiten den Wiener Festwochen, die hier ein "Haus der Republik" errichten, zum "Mitdenken, Mitmachen, Mitregieren". Davor, bis 12. Mai, wird die zuvor als Depot genutzte Bunkeranlage unter dem Schönbornpark für eine Koproduktion mit toxic dreams verwendet. Nach dem Umbau hofft man, die Räume in die künftigen Museumsaktivitäten einbeziehen zu können.

Theater, das das Publikum miteinbezieht, kennt man etwa von dem dänisch-österreichischem Performance-Kollektiv SIGNA rund um Signa und Arthur Köstler, oder vom Wiener Theaterensemble. Eine "Performance-Installation" nennt toxic dreams den geführten Rundgang, der im Museum mit einer kurzen Einführung in die hohe Schule des Schürens von Angst und einer Triggerwarnung durch Regisseur Yosi Wanunu beginnt, ehe die Gruppe zum Bunkereingang geführt wird. Direkt neben dem Spielplatz befindet sich der Eingang zur "Festung Österreich", dem "Österreichischen Archiv der Angst".

Überraschung: Die mit einer dicken Betondecke geschützte Anlage liegt gar nicht so tief unter der Erde - und sie befindet sich in einem Top-Zustand. Angst entsteht hier nicht durch einen beängstigenden, unheimlichen Schauplatz, sondern muss künstlich erzeugt werden. Und das versucht nun die vielköpfige, in braune Hosen und Hemden und rote Krawatten gekleidete Truppe nach Kräften - nicht durch Erschrecken, sondern durch Überzeugen.

Nach Aufteilung der Zuschauer in Kleingruppen wird man jeweils in Schulungsräume gebeten, wo mit großer Überzeugung auf einen eingeredet wird. Im "Ideologie-Departement" dieses politischen Bangemachens geht es um Fragen wie die allgemeine Gültigkeit der Menschenrechte, die Sinnhaftigkeit von Grenzen, den Schutz vor Eigentum, das Gemeinschaftsgefühl, das Fremde und den richtige Umgang mit Kontrahenten, sollte man auf Demos als Nazi beschimpft werden. Da bekommt man ganz schön etwas vorgesetzt und darf überlegen, wie realitätsnahe solche Trainingscamp-Situationen wohl sind. Die Befürchtung ist: ziemlich. Und schon merkt man: das Angstmachen funktioniert. Die meisten Besucher schwanken zwischen dem Versuch, sich auf Widerspruch und Diskussion mit dem sehr bestimmt auftretenden "Schulungspersonal" einzulassen, und ungläubigem Schmunzeln.

Die einzelnen Sitzungen dauern nur kurz, mit Sirenen statt Schulglocken werden sie beendet, und man wird in den nächsten Raum gebeten. Leider drängt die Zeit, und welche der vorbereiteten Stationen man durchläuft, bleibt dem Zufall bzw. dem Personal überlassen. Im engen Verbindungsgang wird danach gemeinsam die "Hymne der Angst" gesungen und die zweite Sektion eröffnet. Nach der Theorie folgt die Praxis.

Zwischen den nächsten Räumen darf man sich nun frei bewegen. Hier folgen Anleitungen für den Ernstfall. Und hier kommt deutlich mehr Ironie ins Spiel. In verschiedenen Stationen darf man sich im Singen und Tanzen üben, lernt Geheimsprachen und Selbstverteidigung, darf sich mit einer rot-weiß-roten Fahne tarnen, Fakten schreddern, Erdäpfel schälen, ein Lager mit Dosen von Heimatluft oder eine Toilette mit roten und weißen Klorollen besichtigen. Das hat absurden Witz und lässt aufatmen: Alles nur Theater!

Hier würde man gerne noch auf eigener Faust weiter auf die Barbaren warten und Räume entdecken, die man noch nicht gesehen hat, doch die Truppe hat sich bereits zur Verabschiedung aufgestellt und man wird wieder nach oben gebeten, in warme Abendluft. Im idyllischen Innenhof des Museums klingt die Performance mit dem dritten Teil aus. Das "Konversations-Departement" entpuppt sich als "Heuriger der letzten Tage", in dem man unter bunten Lampenketten an Heurigenbänken Platz nimmt und von ein paar Musikern sowie einem Moderator erwartet wird. Hier soll man sich über den Abend austauschen und wird verblüfft mit Suggestivfragen zur ideologischen Einordnung des zuvor Erlebten und mit einer Marx-Kurz-Lesung konfrontiert.

Dieser Teil des Abends gibt am meisten zu denken. Wird man hier als Teil der Performance mit Kulturtechniken der ideologischen Beeinflussung von links konfrontiert, mit dem Versuch des Schulterschlusses in freundschaftlich-entspannter kulinarisch-festlicher Atmosphäre? Oder hat sich hier der Versuch von Kulturvermittlung an den Rand der Selbstpersiflage begeben und löst einen der Sprüche ein, mit denen man zuvor im Schulungscamp konfrontiert war: "Gut = Schlecht". Und so bekommt man doch noch etwas zum eigenen Nachdenken mit auf den Nachhauseweg.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - "Warten auf die Barbaren", eine Performance-Installation im Luftschutzbunker. toxic dreams und Volkskundemuseum. Text und Regie: Yosi Wanunu. Wien 8, Laudongasse 15-19, Weitere Termine bis 12. Mai. https://toxicdreams.at : www.volkskundemuseum.at)

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  • Die Barbaren werden kommen. Früher oder später. Deswegen ist es gut, sich schon jetzt zu fürchten und sich darauf vorzubereiten. Ideologisch und praktisch. Das ist der Inhalt des Gedichtes "Warten auf die Barbaren" des Griechen Konstantinos Kavafis. Das ist die Grundlage der Politik mancher rechter Partei. Und das steht im Zentrum der immersiven Theaterproduktion "Warten auf die Barbaren" der Gruppe toxic dreams, die am Montag in einem Wiener Luftschutzbunker Premiere hatte.

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