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Vor 25 Jahren fiel die Männerbastion Wiener Philharmoniker

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Es wirkt wie ein Konflikt aus einer vergangenen Zeit - und ist es auch. Allerdings liegt diese Zeit noch nicht so lange zurück: Am 27. Februar 1997, also vor 25 Jahren, beugten sich die Wiener Philharmonikern dem massiven öffentlichen Druck und fällten den Beschluss, erstmals in ihrer über 150-jährigen Geschichte eine Frau aufzunehmen. Und das wörtlich: Die Harfenistin Anna Lelkes, heute in Pension, war die erste und blieb die einzige Philharmonikerin. Bis zum Jahr 2006.

Vorangegangen war der Entscheidung eine lange, heftig geführte Diskussion. Wiens damaliger Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) sprach von "Anachronismus", die Klubobfrau der Grünen, Madeleine Petrovic, analysierte eine tief sitzende Angst vor Frauen als Konkurrentinnen im "Männerbund" und Bundeskanzler Viktor Klima (SPÖ) appellierte an die Weisheit und das Verantwortungsbewusstsein des Orchesters, "dass es ein kreatives Potenzial auch in der anderen Hälfte der Menschheit gibt". Radikaler war man da auf der anderen Seite des Atlantiks, wo die New Yorker Carnegie Hall mit Hausverbot ab 1998 drohte und die International Alliance for Women in Music (IAWM) in Washington für US-Konzerte der Philharmoniker Demonstrationen angekündigt hatte.

Dieser Druck setzte den Spitzenmusikern durchaus zu. So hatte inmitten des Debattensturms der damalige Philharmoniker-Vorstand Werner Resel von "typischem Austromasochismus" gesprochen und sogar mit der Auflösung des Klangkörpers gedroht: "Wir sind ein Privatverein und lassen uns nicht dreinreden. Wenn man uns diesbezüglich ständig unter Druck setzt, lösen wir uns auf. [...] Was gut funktioniert, wird in diesem Land von Extremisten schlecht gemacht und vernichtet." Dabei hing man in Wien der weltweiten Kollegenschaft der Spitzenorchester zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich hinterher, hatten mit als Letzte die Berliner Philharmoniker doch immerhin 1982 das Ende ihres reinen Männerhaushalts verkündet.

Die Nerven lagen also blank, als sich die Philharmoniker am 27. Februar 1997 zu einer Vollversammlung im Orgelsaal der Wiener Staatsoper kasernierten. Vier Stunden dauerte das Tauziehen, bevor schließlich weißer Rauch aufstieg. Erstmals seit ihrer Gründung 1842 nahmen die Wiener Philharmoniker eine Frau in ihren Reihen auf - und das war die heute 82-jährige Anna Lelkes, gebürtige Budapesterin, die seit 1974 die österreichische Staatsbürgerschaft besaß und als Meisterin an der Harfe galt.

Und dabei blieb es dann auch für die kommenden Jahre. Erst 2006 wurden die nächsten Damen in den philharmonischen Kreis aufgenommen, der allerdings auch heute noch keine Frauenbastion ist. Von 147 derzeit besetzten Orchesterstellen werden 23 von Frauen eingenommen, was einem Frauenanteil von 15,6 Prozent entspricht.

Die Berliner Philharmoniker liegen da derzeit mit 17,4 Prozent auch nicht wirklich besser, während Teodor Currentzis' MusicAeterna auf 25 Prozent kommt oder das Amsterdamer Concertgebouw-Orchester auf immerhin 41,4 Prozent. Damit liegen die Niederländer in etwa auf deutschem Schnitt, betrachtet man eine Studie des deutschen Musikinformationszentrum (MIZ) aus dem Vorjahr, das den Frauenanteil der 129 durch öffentliche Gelder geförderten Orchester in Deutschland betrachtete. Dieser hatte bei gut 40 Prozent gelegen.

Insofern gibt es mithin durchaus noch Aufholbedarf bei den Wiener Philharmonikern, wobei hier die Mühlen nicht zuletzt aufgrund der Vereinskonstruktion langsam mahlen. So werden keine Musiker oder Musikerinnen über 35 Jahre in den Verein aufgenommen, wobei der klassische Philharmoniker - oder die Philharmonikerin - mit 65 Jahren in Pension geht.

Immerhin ist mittlerweile nicht nur im Orchester, sondern auch an dessen Spitze die Alleinherrschaft der Männer vorbei - wobei es hier noch länger gedauert hatte. Im Jänner 2005 war Simone Young die erste Frau am Pult der Wiener Philharmoniker. Und der wohl prestigeträchtigste Posten, den Österreichs musikalisches Aushängeschild zu vergeben hat, ging bis dato noch nie an einen Menschen ohne Y-Chromosom: Das Neujahrskonzert hat bis heute noch keine Frau dirigiert.

(S E R V I C E - www.wienerphilharmoniker.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Wenn man uns diesbezüglich ständig unter Druck setzt, lösen wir uns auf.
  • Die Nerven lagen also blank, als sich die Philharmoniker am 27. Februar 1997 zu einer Vollversammlung im Orgelsaal der Wiener Staatsoper kasernierten.
  • Dieser hatte bei gut 40 Prozent gelegen.
  • So werden keine Musiker oder Musikerinnen über 35 Jahre in den Verein aufgenommen, wobei der klassische Philharmoniker - oder die Philharmonikerin - mit 65 Jahren in Pension geht.

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