APA/APA/THEATER IN DER JOSEFSTADT/BERND UHLIG

Viel Applaus für "Ein deutsches Leben" in der Josefstadt

Heute, 04:31 · Lesedauer 3 min

Wem der Name Brunhilde Pomsel bisher nichts sagte, der hat nicht viel versäumt und wird sich auch nicht anstrengen müssen, sich ihn zu merken. Das war am Donnerstag das ernüchternde Fazit eines Abends am Theater in der Josefstadt, bei dem man sich wunderte, dass deutlich prominentere Namen, nämlich jene von Autor Christopher Hampton und Regisseurin Andrea Breth, daran nichts zu ändern vermochten. Sie zeigen "Ein deutsches Leben" in seiner ganzen Durchschnittlichkeit.

In einem von Stehlampe und Beistelltisch flankierten Lehnsessel sitzt eine alte Dame und hält Richtung Publikum einen Monolog. Die 82-jährige Schauspielerin Lore Stefanek hat Mühe mit den Textmengen, die der Oscar-Preisträger Hampton aus einem 235-seitigen Transkript von Gesprächen destilliert hat, die 2013 für einen Dokumentarfilm mit der damals 102-jährigen Brunhilde Pomsel geführt wurden. Sie bemüht sich, ihrer Figur und deren Lebensgeschichte keinerlei Anschein des Außergewöhnlichen zu geben - eine freundliche, verbindliche Person, die mit sich selbst so weit im Reinen ist. Zu sehen ist nicht die Banalität des Bösen, sondern das Böse der Banalität.

Die Frau auf der Bühne hat sich nichts vorzuwerfen, höchstens "Gleichgültigkeit und Kurzsichtigkeit". So weit, so gewöhnlich. Ungewöhnlich ist der Umstand, dass sie einige Jahre, nachdem sie als Sekretärin eines jüdischen Unternehmers gearbeitet hat, ins Propagandaministerium wechselte und im Vorzimmer von Joseph Goebbels saß. Auf ihn kommt sie erst nach über einer Stunde zu sprechen und wird auch in der darauf folgenden Stunde nicht viel über ihn sagen können. Gut gekleidet war er und stets korrekt. Mit ihr hat er, selbst wenn sie bei Abendessen oder im Theater neben ihm saß, nie ein persönliches Wort gewechselt. An den Inhalt der Telefonate, die sie vermittelte, und der Schreiben, die sie diktiert bekam, hat sie keine Erinnerung. So weit, so banal.

Andrea Breth unternimmt bei ihrem Regiedebüt an der Josefstadt viele Anstrengungen, den Monolog, den bei der Londoner Uraufführung 2019 Maggie Smith spielte, szenisch etwas aufzulockern. Doch die teilweise live von Adam Benzwi am Klavier begleiteten Lieder, die Statisten, die offenbar nette Bürokollegen oder fröhliche Goebbels-Kinder darstellen sollen, die weit unterforderte Andrea Clausen als Magda Goebbels, die Pomsel nie persönlich kennengelernt haben will - das alles ist unnötiger Dekor.

Ein wandernder Lehnsessel

Dass auch die von Raimund Orfeo Voigt gestaltete Bühne selbst gelegentlich mit Bewegung aufwartet, der Lehnsessel sich wie von Geisterhand knarrend mal ein wenig in die eine, mal in die andere Richtung bewegt und die Türöffnungen sich bunkerartig verschließen, wenn der Fall Berlins bevorsteht, macht nur deutlich, was dem Abend tatsächlich abgeht: ein Zentrum, das hineinzieht in eine von Emotionen getragene Geschichte, ob sie nun tragisch oder exemplarisch sein soll.

"Wir wussten es nicht", versichert Pomsel und meint damit jene NS-Verbrechen, über die sie angeblich erst nach dem Krieg erfahren hat. Dass viele es auch bewusst nicht wissen wollten, weiß man schon seit langem. Keine neuen Erkenntnisse also - aber langer und herzlicher Applaus für "Ein deutsches Leben" am Ende der Premiere. Wofür genau? Man weiß es nicht.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Christopher Hampton: "Ein deutsches Leben", Deutsche Fassung von Sabine Pribil, Regie: Andrea Breth, Bühnenbild: Raimund Orfeo Voigt, Kostüme: Jens Kilian, Musik: Adam Benzwi. Mit: Lore Stefanek, Andrea Clausen, Fin Holzwart. Theater in der Josefstadt. Nächste Vorstellungen: 19., 30.12., 3., 4., 12., 14.1.2026, www.josefstadt.org)

Zusammenfassung
  • Die Premiere von 'Ein deutsches Leben' am Theater in der Josefstadt brachte langen und herzlichen Applaus, obwohl die Inszenierung als durchschnittlich und wenig emotional beschrieben wurde.
  • Lore Stefanek (82) verkörpert Brunhilde Pomsel, deren Lebensgeschichte auf einem 235-seitigen Transkript aus Gesprächen von 2013 basiert, in denen Pomsel ihre Arbeit im Vorzimmer von Joseph Goebbels schildert.
  • Trotz szenischer Auflockerungen durch Regisseurin Andrea Breth und einem beweglichen Bühnenbild bleiben neue Erkenntnisse aus, Pomsel betont lediglich ihre 'Gleichgültigkeit und Kurzsichtigkeit' gegenüber den NS-Verbrechen.