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"Verpuppt": Roman von Bachmann-Preisträgerin Ana Marwan

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Die Autorin Ana Marwan hat im Vorjahr den Durchbruch geschafft. 2022 wurde ihr Buch "Zabubljena" mit dem Kritiško sito als bestes Buch des Vorjahres in Slowenien ausgezeichnet, sie selbst gewann im Sommer mit ihrem Text "Wechselkröte" den Ingeborg Bachmann-Preis und wurde im Herbst als Nachfolgerin von Karl-Markus Gauß als Herausgeberin und Chefredaktion der Literaturzeitschrift "Literatur und Kritik" bekanntgegeben. Ihr neues Buch ist keine leichte Kost.

"Verpuppt" ist die von Klaus Detlef Olof besorgte Übersetzung von "Zabubljena", das man offenbar auch als "verloren" übersetzen könnte. Und verloren fühlt man sich als Leser dieses Romans schon bald. Denn die in Österreich lebende slowenische Autorin liefert in der großen Form das, was in ihrem Siegertext bereits im Kleinen enthalten war: Andeutungen und Anspielungen, viele Schichten, die einander überlagern und wenig Gewissheit bieten, sprachliche Elaboriertheit und inhaltliche Vagheit. Eine Gratwanderung, bei der es wenig zum Anhalten gibt.

Zunächst scheint es um einen trockenen "Bürokraten" namens Ivo Jež zu gehen, der bei einem Geburtstagsessen neben ein schüchternes Mädchen gesetzt wird, das Zutrauen zu dem Erwachsenen fasst und in der Folge immer zudringlicher wird. Und schon ist man auf eine falsche Fährte gesetzt, denn es wird eben keine Verführungs- und Lolita-Story daraus. Jež, von seiner Frau verlassen und vom ostentativen Interesse der Studentin durchaus geschmeichelt, ist schon mit der Rolle des väterlichen Freundes überfordert und hält sich bei seinen Bestrebungen, eine neue Gefährtin zu finden, lieber an eine farblose Arbeitskollegin.

Und damit ist man im Ministerium für Verkehr und Kommunikation, Abteilung Raumfahrt, einer attraktiven Chefin und eigenartigen Intrigen und Machtspielchen zwischen Kollegen, Vorgesetzten und Untergebenen. Vielleicht ist man aber auch in einer Nervenheilanstalt oder überhaupt nur in der Fantasie von Erzählerinnen wie Rita und Anja, denn in den fortlaufenden Text sind immer wieder kurze und lange kursiv gesetzte Passagen einer zweiten Textspur eingearbeitet, die alles wieder infrage stellt bzw. andere Interpretationen möglich macht. Und man bekommt es mit dem "wahren Jež" zu tun, der "im Unterschied zum ausgedachten Jež" kein sonderlicher Intelligenzbolzen zu sein scheint.

Das alles erfordert bei der Lektüre höchste Konzentration. Dabei bekommt man gelegentlich die lange Nase gezeigt: "Natürlich wollen sie wissen, wie es ausgehen wird. Das ist, noch einmal, jener der menschlichen Wünsche, der in mir gleich den größten Zorn hervorruft", liest man dann. Ein Leben oder ein Musikstück werde doch auch nicht bloß anhand der letzten Stunden, der letzten Takte beurteilt ... Gegen Ende bekommt man es dann überhaupt mit mehreren Seiten unverständlichem Text zu tun. Doch nicht der slowenische Originaltext ist irrtümlich stehen geblieben, sondern die Ministeriumsmitarbeiterin hat einige Wochen "nur so getan, als würde ich schreiben" und langsam in die Tasten geklopft. "Der Zufall wollte nicht, dass die Zeichen etwas bedeuten." Ganz schön vertrackt, dieses "Verpuppt".

(S E R V I C E - Ana Marwan: "Verpuppt", Aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof, Otto Müller Verlag, 220 Seiten, 24 Euro)

ribbon Zusammenfassung
  • Die Autorin Ana Marwan hat im Vorjahr den Durchbruch geschafft.
  • Und schon ist man auf eine falsche Fährte gesetzt, denn es wird eben keine Verführungs- und Lolita-Story daraus.
  • Und man bekommt es mit dem "wahren Jež" zu tun, der "im Unterschied zum ausgedachten Jež" kein sonderlicher Intelligenzbolzen zu sein scheint.
  • (S E R V I C E - Ana Marwan: "Verpuppt", Aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof, Otto Müller Verlag, 220 Seiten, 24 Euro)

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