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Verena Altenberger: "An der Buhlschaft reizt mich vieles"

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Caroline Peters war die "Jahrhundert-Buhlschaft". Und blieb nur ein Jahr. Verena Altenberger (33) wird 2021 an der Seite des Moretti-Nachfolgers Lars Eidinger bei den Salzburger Festspielen die Buhlschaft im "Jedermann" spielen - als erste Salzburgerin in dieser prestigeträchtigen Rolle. Ein Gespräch vor dem Jahreswechsel, mit einem Rückblick auf ein turbulentes Jahr, das trotz Pandemie "großen Grund, dankbar zu sein", gibt, und einem Ausblick auf das Kommende.

APA: Frau Altenberger, lassen Sie uns ein wenig auf das Jahr zurückblicken. Das begann ja für die Kulturszene relativ normal. Auch für Sie?

Verena Altenberger: Auch für mich. Das Jahr hat für mich in Köln angefangen, wo die neue Magenta TV Streaming-Serie "Wild Republic" seit Jänner geprobt und ab Anfang Februar gedreht wurde. Parallel dazu habe ich - zufällig auch in Köln - den Kinofilm "Generation Beziehungsunfähig" gedreht. Eines Tages im März habe ich die Schauspielkolleginnen im Hotel reden gehört: "Findet es bei euch heute statt?" - "Nein!" Und wenig später kam ein Anruf: "Die Produktionen stehen. Wir buchen Ihnen einen Zug nach Hause."

APA: War da schon absehbar, dass so etwas kommen könnte?

Altenberger: Das war die Phase, in der sich gefühlt jeden Tag alles geändert hat. Zuerst war Corona nur in China und man hat das Virus hier nicht sehr ernst genommen. Bis klar wurde: Das ist eine Pandemie und die wird unser Leben, unseren Alltag komplett verändern. In dieser Phase war der Drehstopp. Ich bin am selben Tag mit dem Zug nach Wien gefahren und in den Lockdown gegangen - wie alle anderen. Dank spezieller, inhaltlicher Umstände hatte ich beruflich großes Glück: "Wild Republic" spielt in einer Höhle, mit dem immer selben Ensemble vor der Kamera - und diese Höhle wurde in einem großen TV-Studio nachgebaut. Das heißt: quasi ein Einsiedlerfilm in großläufigem Studioambiente. Außer vor der Kamera habe ich niemanden getroffen - also ein super-easy umsetzbares Hygiene-Konzept. Anfang Mai haben wir wieder angefangen zu drehen, Ende Oktober waren die Dreharbeiten für mich abgeschlossen. "Wild Republic" hat uns währenddessen noch nach Italien geführt, wo die Außenaufnahmen in den Dolomiten stattfanden. Am Berg waren wir abgeschieden, von der Welt abgeschlossen, wie es auch im Script steht. Es gab keinen einzigen Coronafall, und das bei einem Team zwischen 70 und 100 Personen.

Danach habe ich in München meinen dritten "Polizeiruf 110" gedreht - unter gänzlich anderen Produktionsbedingungen, aber auch ohne eine einzige Unterbrechung.

APA: Das klingt nach einem stressigen Jahr.

Altenberger: Ein Jahr mit schönen Projekten und das denkbar uneingeschränkt und unbeschadet. Und ich hatte das allergrößte Glück, dass meine Lieben und ich gesund geblieben sind. Das ist auf jeden Fall für mich auch heuer wieder ein großer Grund dankbar zu sein.

APA: Wenn Sie weiter zurückblicken - was waren die Turning-Points Ihrer Karriere, die Sie so beflügelt haben, dass Sie jetzt dort sind, wo Sie sind?

Altenberger: Das waren für mich wohl das Kinodrama "Die beste aller Welten" und die Comedy-Sitcom "Magda macht das schon" - und die Kombination aus beidem. Dass ich beides spielen durfte, war harte Arbeit und Vorbereitung, aber dass beides dann gleichzeitig lief, war ein sehr gelungener Zufall: Ein österreichischer Arthouse-Film, der weltweit Preise bekommt, und gleichzeitig eine quotenstarke RTL-Sitcom - das war eine gute Visitenkarte.

APA: Die "Jedermann"-Buhlschaft" auf dem Domplatz ist eine Rückkehr auf die Theaterbühne.

Altenberger: Ich gliedere meinen Beruf nicht so sehr in Film und Bühne, für mich ist Schauspiel gleich Schauspiel, nur das Medium ändert sich. Auch beim Kino muss man manche Dinge anders machen als bei einer Sitcom oder bei einem Fernsehfilm. Das Medium bringt immer gewisse Anforderungen mit sich, aber die Vorbereitung und die Arbeit ist im Grunde genommen dieselben. Zwar ist die Öffentlichkeit erst durch meine Filme auf mich aufmerksam geworden, aber studiert und den Beruf erlernt habe ich am Theater.

APA: Wie wesentlich war da die "Junge Burg" dabei?

Altenberger: Ganz wesentlich. Ich wollte schon immer Schauspielerin werden und habe alles dafür getan, dass dieser Traum in Erfüllung geht. Dabei war in einem Haushalt wie dem unseren - meine Mutter war Leiterin einer landwirtschaftlichen Fachschule und Bäuerin und mein Papa Banker - alles wichtig, nur nicht Kunst und Kultur. Bei uns galten Themen wie eine gute allgemeine Schulbildung, Sprachen, Sport, Natur, auch Politik... Meine Mama hat gesagt, das erste Mal habe ich artikuliert, dass ich Schauspielerin werden möchte, als ich drei, vier Jahre alt war. Genauso hätte ich damals sagen können: Ich will Astronautin werden. Außer, dass die zum Mond fliegen, weiß man als Kind in Wirklichkeit wenig über diese Berufe. Als ich mit 18 nach Wien gekommen bin und vorgesprochen habe, musste ich feststellen, dass das "NASA-Aufnahmeprogramm" von mir ganz andere Dinge verlangt, als ich bisher geahnt hatte.

APA: Das NASA-Aufnahmeprogramm war in diesem Fall das Reinhardt-Seminar?

Altenberger: Genau. Ich habe dann Publizistik und Kommunikationswissenschaften studiert und diese Zeit genutzt, um Bildungslücken zu füllen, viel ins Theater zu gehen. Nach Abschluss des Studiums und einem Jahr Arbeiten bin ich an einen Punkt gekommen, an dem ich mir gesagt habe: Eigentlich wolltest du doch was anderes. Also habe ich mich an der Jungen Burg beworben - und wurde engagiert. In diesem ersten Jahr habe ich festgestellt, dass Schauspielerei ein Beruf ist, der Handwerk erfordert. In der Jungen Burg lag aber der Fokus nicht darauf, zu lernen, sondern darauf, von Anfang an zu spielen. Also bin ich wieder vorsprechen gegangen. Dann hat es an der Musik- und Kunstuniversität der Stadt Wien, an der MUK, geklappt. Damals war ich 23. Ich bin in kleinen Gastauftritten dem Burgtheater erhalten geblieben und später ans Volkstheater engagiert worden.

APA: Und was haben Ihre Eltern dazu gesagt?

Altenberger: Meine Eltern haben meinen Berufswunsch erst richtig akzeptiert, als ich an der Jungen Burg aufgenommen wurde. Da wurde ins Studentenwohnheim, in dem ich damals wohnte, ein großer Blumenstrauß geliefert mit einer Karte: "Für unsere Schauspielerin." Zu Hause lautete schon immer das Credo: "Mach, was du willst, aber mach es richtig!" Ich habe mir also den Respekt erarbeitet.

APA: Dieses "Mach es richtig" hat Sie aber dennoch nie in ein festes Ensemble geführt.

Altenberger: Das hat mich auch noch nie gereizt. Ich genieße die Abwechslung. Es reizt mich nicht mehrere Jahre in derselben Stadt zu leben und es würde mich auch nicht reizen, etwas 150 Mal zu spielen. Ich mag das: zwei Monate hier, drei Wochen da, immer wieder was Neues.

APA: Was reizt eine Schauspielerin an der Buhlschaft?

Altenberger: Vieles reizt mich daran! Erstens liegt der "Jedermann" in der Salzburg-DNA. Ich bin die erste Salzburgerin, die diese Rolle spielt. Es ist ein Stück, das ich seit 33 Jahren als Bewohnerin dieser Stadt erlebt und drei, vier Mal als Besucherin am Domplatz gesehen habe. Man kann sich dem Festspielsommer nicht entziehen. Die ganze Stadt verwandelt sich. Salzburg kann schon piefig sein unterm Jahr und im Sommer ist es plötzlich diese Weltstadt, in der das Leben stattfindet, in der Kunst und Kultur sich treffen. Den "Jedermann"-Ruf hört man in der ganzen Stadt. Und jetzt darf ich das im Epizentrum selber erleben, das ist sehr reizvoll. Außerdem: Was für eine beeindruckende Liste an Darstellerinnen und Darstellern, in die man sich einreihen darf! Dann mag ich am "Jedermann", dass es wie eine Langzeitstudie ist. Seit 100 Jahren ist dieses Stück eine Erfolgsgeschichte. Jedes Ensemble hat immer wieder die Chance zu entscheiden: Was wollen wir in diesem Jahr mit diesem Stück erzählen? Was machen wir damit in unserer Zeit?

APA: Im Pandemie-Jahr hat es immer wieder geheißen, unser Blick auf das Stück hat sich verändert, weil der Tod so präsent geworden ist in unserem Leben. Was kann der große Fokus im kommenden Jahr sein?

Altenberger: Das ist eine Forschungsaufgabe, mit der sich das Team beschäftigt. Wir werden es herausfinden.

APA: Eine Frage, die sich jeder Jedermann-Darsteller und jede Buhlschaft-Darstellerin gefallen lassen muss: Wie halten Sie es mit der Religion?

Altenberger: Mein Interpretationsansatz zielt mehr auf einen Tod und eine Liebe ab, die universell geprägt sind.

APA: Sie haben gesagt, es wäre ehrenvoll, sich in diese Liste einzureihen. Ich stimme Ihnen zu, weise aber darauf hin, dass die Buhlschaft-Darstellerinnen-Liste länger ist als jene der Jedermann-Darsteller. Die intelligenten, heutigen, ungewöhnlichen Schauspielerinnen haben in den vergangenen Jahren sehr kurz diese Rolle dargestellt. Sollte Ihnen das nicht zu denken geben?

Altenberger: Man könnte das ja auch so auslegen, dass viele Frauen - so wie ich das auch gerade über mich geschildert habe - viel mutiger sind und neugieriger auf etwas Neues.

APA: Wie geht man an eine eigentlich unrealistische, eher allegorische Bühnenfigur heran? Versucht man trotzdem, nachvollziehbare Gründe für ihr Handeln zu finden?

Altenberger: Wenn ich eine Rolle annehme, dann weil ich das Gefühl habe, ich habe sie zum allergrößten Teil verstanden, und kann mit entsprechender Arbeit an einen Punkt vollsten Verständnisses kommen. Ergo entdecke ich etwas in mir, das diesen Menschen verstehen kann. Ich sehe mich als Anwältin meiner Figur. Ich muss nicht erlebt haben, was diese Frau erlebt, aber irgendwas in meinem Leben muss mich verstehen lassen, was und warum meine Rolle dieses oder jenes gemacht hat. Nur auf Basis dieses Verständnisses, kann ich eine miterlebbare Version meiner Rolle spielen.

APA: Dann wäre die Buhlschaft eine größere schauspielerische Herausforderung, wenn sie am Ende bei ihm bliebe?

Altenberger: Die Buhlschaft ist so oder so eine Herausforderung für jede Schauspielerin.

APA: Sie haben mit dem "Jedermann" Lars Eidinger "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" gedreht. Wie sind Ihre Erinnerungen an die Dreharbeiten?

Altenberger: Sehr gut. Als ich gehört habe, dass Lars den Jedermann spielen wird, war ich noch überzeugter von meiner Zusage. Lars ist für mich einfach ein sehr guter Spieler, gut im Sinne von offen und interessiert am Gegenüber. Einerseits energiegebend, und gleichzeitig merke ich, er kann annehmen. Wir sind immer gut vorbereitet zum Set gekommen, konnten uns aber trotzdem hinstellen und sagen: Was passiert jetzt? Was machst du jetzt? Wie werde ich darauf reagieren? Wirst du merken, wie ich reagiere? Diese Offenheit, mit der man das Gegenüber und sich selber überraschen kann, macht für mich Schauspielen so lustvoll und spannend. Das ist für mich so etwas wie eine ideale Schauspielsituation - und die hat Lars für mich geschaffen.

APA: Wo in diesem Jahr war der Moment, als der Anruf mit dem Angebot kam?

Altenberger: Es war Anfang Oktober. Mein Agent schrieb mir, dass mich Schauspielchefin Bettina Hering anrufen würde. Ich war am Set, mitten in den Dolomiten, und wir hatten schlechten Empfang. Ich habe Buhlschaft, Jedermann und Eidinger verstanden, aber dazwischen gab es immer noch Raum für Spekulationen. Ich habe inständig gehofft, dass ich alles richtig gehört hatte. (lacht)

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

ZUR PERSON: Geboren wurde Verena Altenberger am 11. November 1987 in Schwarzach im Pongau. In Wien studierte sie Schauspiel und Kommunikationswissenschaft, danach an der Musik- und Kunstuniversität der Stadt Wien. Erste Bühnenerfahrungen sammelte sie unter anderem an Burg- und Volkstheater, bevor der Wechsel vor die Kamera folgte, der ihr Leben in den vergangenen Jahren maßgeblich prägte. Der Durchbruch gelang ihr 2017 in der RTL-Sitcom "Magda macht das schon" und in Adrian Goigingers Kinofilm "Die beste aller Welten". Für ihre Rolle erhielt sie den Österreichischen Filmpreis. Im ORF war sie zuletzt in Wolfgang Murnbergers Komödie "Schönes Schlamassel" zu sehen.

ribbon Zusammenfassung
  • Caroline Peters war die "Jahrhundert-Buhlschaft".
  • Verena Altenberger (33) wird 2021 an der Seite des Moretti-Nachfolgers Lars Eidinger bei den Salzburger Festspielen die Buhlschaft im "Jedermann" spielen - als erste Salzburgerin in dieser prestigeträchtigen Rolle.
  • Ein Gespräch vor dem Jahreswechsel, mit einem Rückblick auf ein turbulentes Jahr, das trotz Pandemie "großen Grund, dankbar zu sein", gibt, und einem Ausblick auf das Kommende.

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