"Tristan und Isolde" überzeugt zum Saisonstart in Klagenfurt
Das Schiff, das die irische Prinzessin Isolde als Braut zu König Marke nach Cornwall bringen soll, wirkt wie ein Raumschiff, als sich gegen Ende des ersten Aufzugs die Decke hebt und es den Blick ins All freigibt. Die Anlehnung der Inszenierung an Weltraumepen von "Star Wars" bis Lars von Triers Endzeitfilm "Melancholia" zieht sich bis zum dritten Aufzug durch, in dem Tristan in dystopischer, grauer Leere seinem Tod entgegendeliriert. Dazwischen liegt der zweite Aufzug mit einer dunkel leuchtenden Liebesnacht, die mit violetten und roten Lichtstimmungen auf die sich ständig drehenden Kulissenwände gemalt wird. Beim aufwühlenden Finale, Isoldes Liebestod, schreitet die tragische Heldin schließlich alleine Richtung Jenseits ins Weltall.
So handlungsarm diese 1865 uraufgeführte Oper Richard Wagners ist, so emotional widmet sie sich den seelischen Befindlichkeiten der Akteure, was in fast fünf Aufführungsstunden sowohl physische als auch psychische Kondition der Sängerinnen und Sänger erfordert. Die meistern die Herausforderung in der geschickt choreografierten Klagenfurter Produktion souverän: Die auch schauspielerisch entzückende britische Sopranistin Katherine Broderick überstrahlt alle als Isolde mit ihrem mächtigen Forte und fein differenzierten leisen Tönen. Mezzosopranistin Melissa Zgouridi als ihre innige Vertraute Brangäne ist ihr in Stimmvolumen und Ausdruck ebenbürtig, so wie auch Birger Radde als Tristans (Jedi-Ritter ähnlicher) Diener Kurwenal mit seinem Herren leicht mithalten kann. Erin Caves ist der liebeskranke Held Tristan, der mit seinem kraftvollen Tenor auch nach Stunden stimmlich nicht ins Wanken gerät. Bass Friedemann Röhlig als König Marke und Thomas Paul als Tristans untreuer Freund Melot ergänzen die starke Darstellerriege, die im dritten Aufzug von Logen und Balkon aus das tragische Ende des Liebespaares aus der Perspektive des Publikums einleitet.
Dem taiwanesischen Chefdirigent Chin-Chao Lin gelingt es mit dem Kärntner Sinfonieorchester in originaler Besetzung überzeugend in Wagners "ewiger Melodie" bis zuletzt die Spannung zu halten. Differenziert und ohne die Sänger "zuzudecken" bringt das Orchester die Partitur zum Leuchten. Die stark beanspruchte Bläsergruppe meisterte bei der Premiere die Anforderungen souverän. Als eine der durchwegs ausgezeichneten Solisten bat Regisseur Stiehl beim Schlussapplaus schließlich auch die Englischhornistin Angelika Neuwirth Johan auf die Bühne.
(Von Karin Waldner-Petutschnig/APA)
(S E R V I C E - "Tristan und Isolde". Handlung in drei Aufzügen von Richard Wagner. Libretto vom Komponisten nach dem Versroman Tristan (um 1210) von Gottfried von Straßburg. Text und Musik von Richard Wagner, in deutscher Sprache mit Übertiteln. Mit: Chin-Chao Lin (musikalische Leitung), Aron Stiehl (Regie), Thomas Stingl und Bettina Breitenecker (Bühne und Kostüme), Walter König (Licht), Günter Wallner (Choreinstudierung), Markus Hänsel (Dramaturgie). Erin Caves (Tristan), Katherine Broderick (Isolde), Melissa Zgouridi (Brangäne), Birger Radde (Kurwenal), Friedemann Röhlig (König Marke), Thomas Paul (Melot), u.a., Kärntner Sinfonieorchester, Herrenchor und Herrenextrachor des Stadttheaters Klagenfurt; weitere Vorstellungen: 21., 24., 27., 30. September, 3., 10., 16., 22., 25. Oktober, Beginn: 17.30 Uhr)
Zusammenfassung
- Mit der fast fünfstündigen Premiere von Richard Wagners "Tristan und Isolde" unter der Regie von Aron Stiehl startete das Stadttheater Klagenfurt in die neue Saison.
- Das Bühnenbild, das an Science-Fiction-Filme wie "Star Wars" erinnert, und die Lichtgestaltung wurden vom Publikum ebenso gefeiert wie das Sängerensemble und das Kärntner Sinfonieorchester unter Chefdirigent Chin-Chao Lin.
- Weitere Vorstellungen finden am 21., 24., 27., 30. September sowie am 3., 10., 16., 22. und 25. Oktober jeweils um 17.30 Uhr statt.