"Triage" am Landestheater Salzburg mit Entscheidung am Limit
Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen. In Maya Arad Yasurs Stück "Triage" wird aus dieser Realität ein hochkonzentriertes Kammerspiel. Der Begriff Triage dürfte den meisten aus der Corona-Pandemie noch ein Begriff sein, doch in Yasurs Stück sorgt eine Brandkatastrophe für den Ausnahmezustand und vor allem den Mangel an Beatmungsgeräten. Damit gelingt der Autorin eine zeitlose Aktualität, die ohne Bezug auf konkrete Ereignisse auskommt.
Die Handlung folgt einer klaren dramaturgischen Linie. Zunächst hoffen die Verantwortlichen, dass der angekündigte "Feuerball" von Verletzten ausbleibt. Doch die Lage kippt, der Andrang beginnt, und innerhalb weniger Minuten müssen Prioritäten gesetzt werden, die keiner wirklich vertreten will. Yasurs Text beschleunigt diesen moralischen Druck stetig: rasche Positionswechsel, fachliche Argumente, emotionale Ausbrüche. Die Regisseurin Ebru Tartici Borchers wählte eine auffallend zurückgenommene Form. Weiße Wände, weiße Kittel und eine sterile Drehbühne von Sam Beklik. Die Inszenierung verzichtete auf visuelle Ablenkung und richtete den Fokus konsequent auf Sprache, Haltung und Handlung. Das erzeugte eine kühle, klaustrophobische Atmosphäre, in der Professionalität und persönliches Ringen unerbittlich aufeinandertrafen und Spannung aus nüchterner Mechanik entstand.
Im Zentrum stand Britta Bayer als leitende Ärztin, die zwischen fachlicher Souveränität und innerer Erschütterung balancierte. Sie zeichnete eine Figur, die gewohnt ist, schwierige Entscheidungen zu treffen, aber sichtbar an ihre Grenzen kommt, als der medizinische Ernstfall mit persönlicher Betroffenheit kollidiert. Maximilian Paier brachte als junger Arzt eine Mischung aus Ehrgeiz, Unsicherheit und Überforderung ein, Nikola Jaritz-Rudle als junge Medizinerin und Mutter zeigt die Ambivalenz zwischen pragmatischem Durchhalten und emotionaler Belastbarkeit. Christoph Wieschke setzte als Angehöriger einer Patientin einen Kontrastpunkt zwischen kühl-rationaler Hoffnung und verzweifeltem Festhalten.
Am Ende setzte das Stück keine Meinung auf. Weder moralische Lösung noch dramaturgische Entlastung wurden angeboten. "Triage" konfrontiert das Publikum mit einer Situation, in der jede Entscheidung einen Preis hat. Und genau darin entfaltete die Inszenierung ihre Wirkung. Am Ende der zwei Stunden gab das Publikum erleichterten und zugleich nachdenklichen Applaus. Dem Salzburger Landestheater gelang damit ein Theatermoment, der Fragen stellt, ohne sie zu beantworten.
(Von Larissa Schütz/APA)
( S E R V I C E - Maya Arad Yasur: Triage. Inszenierung: Ebru Tartıcı Borchers, Bühne und Kostüme: Sam Beklik, Musik: Daniel Catalan Davila, Dramaturgie: Clara Bender. Auf der Bühne: Professor Blankenburg: Britta Bayer, Dr. Bozic: Maximilian Paier, Dr. Majewski: Nikola Jaritz-Rudle, Bruno: Luca-Noel Bock, Edgar Jordan: Christoph Wieschke, Petra Löwe: Tina Eberhardt. Weiter Aufführungen: 26. und 28.11., 18.12., 2. und 21.1., www.salzburger-landestheater.at )
Zusammenfassung
- Im Salzburger Landestheater feierte Maya Arad Yasurs Stück 'Triage' am Samstagabend Premiere und thematisiert Entscheidungen bei medizinischer Ressourcenknappheit nach einer Brandkatastrophe.
- Die Inszenierung von Ebru Tartıcı Borchers setzt auf eine kühle, sterile Atmosphäre ohne visuelle Ablenkungen und rückt das moralische Dilemma der handelnden Ärztinnen und Ärzte in den Mittelpunkt.
- Das Stück verzichtet bewusst auf eine moralische Lösung und konfrontiert das Publikum über zwei Stunden hinweg mit offenen Fragen, was am Ende für nachdenklichen Applaus sorgt.
