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Theater der Jugend: Birkmeir macht nach 24. Saison Schluss

Heute, 12:18 · Lesedauer 6 min

"Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit!" Das war am Donnerstag im Wiener Renaissancetheater neben dem Podium der letzten Spielplanpressekonferenz von Thomas Birkmeir als künstlerischer Leiter des Theaters der Jugend zu lesen. 2025/26 ist die 24. Saison von ihm und seinem Chefdramaturgen Gerald Maria Bauer. Es ist auch nie zu spät für ein glückliches Ende. Birkmeir zeigte sich happy - auch über die anwesende Nachfolgerin Aslı Kışlal, die er mehrfach adressierte.

Zum allseitigen Glück trugen auch jene Zahlen der Vorsaison bei, die der kaufmännische Geschäftsführer Ronald Hora referierte: 193.650 Besucher, 29.038 verkaufte Abos und eine Gesamtauslastung von 95,59 Prozent (Birkmeir: "Irre!") bedeuten jeweils eine Steigerung gegenüber 2023/24. Der Besuch läge aber noch immer rund 20 Prozent unter den Vor-Corona-Zeiten, räumte Birkmeir ein, betonte aber: "Wir sind das größte AbonnentInnen-Haus in ganz Europa, und das nicht nur im Kinder- und Jugendtheater!" Laut Hora hat man das Geschäftsjahr 2024 mit einem Überschuss von 160.000 Euro abgeschlossen und nun 2,8 Mio. Euro auf der Hohen Kante - "was im Übrigen sensationell ist", wie Birkmeir betonte.

Man übergebe das Haus also mit "besten wirtschaftlichen Zahlen" und einem Eigendeckungsgrad von an die 50 Prozent. Der verdamme jedoch zum Erfolg und einer vorsichtigen Programmierung: "Wir sind verflucht zu einer Art Mainstream." Diese hohe Vorgabe, die zu erfüllen von der Kulturpolitik erwartet werde, habe er trotz aller Bemühungen nicht geschafft zu senken, gab sich Birkmeir selbstkritisch. "Das ist ein großer Wermutstropfen. Was ich auch nicht geschafft habe, war, hier einen großen Umbau zu machen." Zuletzt sei man wieder kurz davor gewesen, eine Zusage zu bekommen, habe aber letztlich wieder gehört: Doch kein Geld da! Dabei habe er noch ganz andere Ideen: "Ich halte Gratis-Museumsbesuche für Kinder und Jugendliche für eine sehr gute Erfindung. Vielleicht könnte man das auf die Theater ausweiten."

Vor 23 Jahren hätten er und Bauer bei der Vorstellung ihrer ersten Saison eine Entmarginalisierung des Kinder- und Jugendtheaters angekündigt - und Wort gehalten, meinte Birkmeir. "Schon nach wenigen Spielzeiten waren wir plötzlich in aller Munde." Man habe stets politisches Theater gemacht, sei vehement für die Werte der Aufklärung eingetreten und habe "tolle Kritiken über Jahrzehnte hinweg" erhalten. Dies und zahlreiche Preise und Nominierungen nahm er als Beleg für die Aussage: "Wir sind an der Spitze der Modernität!" Am Ende werden in 24 Spielzeiten insgesamt 194 Produktionen realisiert worden sein ("ein eindrucksvoller Beweis für unsere kreative Kraft und Innovationsfreude"), darunter 58 Uraufführungen ("Wahnsinn!"). Viele Eigenentwicklungen seien anderswo nachgespielt worden. Die schlechte Frauenquote bei den Autorinnen und Autoren sei jedoch "ein Armutszeugnis", gab er zu. "Das wird auch eine der Herausforderungen für die nächsten Jahre werden."

"Bekenntnis zur Zivilcourage"

Auch unter den acht Neuproduktionen der neuen Saison, die im Renaissancetheater am 7. Oktober mit "Das Geheimnis der verzauberten Stimme" von Alan Ayckborn in der Regie von Nicole Claudia Weber (für alle ab 6 Jahren) und im Theater im Zentrum am 14. Oktober mit der Premiere von "Der Junge mit dem längsten Schatten" von Finegan Kruckemeyer in der Regie von Gerald Maria Bauer für ein Publikum ab 11 Jahren startet, findet sich keine Autorin - dafür ein Musical. Die 194. und letzte Premiere der Ära Birkmeir gilt am 20. Mai 2026 dem Musical "Die Wiese" von Peter Lund (Text und Regie) und Thomas Zaufke (Musik). Der Zuzug eines Termitenehepaars mit vielen Eiern im Rucksack bedroht dabei eine Natur-Idylle. In einer Spielzeit, die das "Bekenntnis zur Zivilcourage" und "eine ganz starke antifaschistische Haltung" betonen möchte, sieht Birkmeir in der Natur-Parabel eine "satirisch-humoristische Aufzeigemöglichkeit vor dem, vor dem wir uns alle in Acht nehmen sollten": "Humor ist die Waffe der Wehrlosen."

Am Ende werden in Birkmeirs 24 Jahren rund 6,1 Mio Besucherinnen und Besucher in den Vorstellungen des Theaters der Jugend gezählt worden sein. "Damit hätte man 122 Mal das Kolosseum füllen können, als es noch ganz war, oder 281 Mal die Wiener Stadthalle", hat sich der scheidende Leiter ausgerechnet. Wenn alles wunderbar ist - warum hat er dann aufgehört? "Sie wollen einen Grund? Ein einfacher Blick in mein Gesicht genügt", beantwortete Birkmeir, Jahrgang 1964, die APA-Frage. "Meine durchschnittliche Lebenserwartung beträgt noch 17 Jahre - die möchte ich genießen. Die nächsten Jahre will ich keinen 24/7 Job mehr haben. 194 Produktionen sind mir genug als Kunstverwalter. Ich möchte mir in den nächsten drei Jahren die Welt anschauen und dann weitersehen. Ich gebe zu: Ein eigensüchtiger Grund."

"Zutiefst enttäuscht von Teilen der österreichischen Presse"

In der Branche hatte man freilich einen Zusammenhang seiner Ende Jänner veröffentlichten Ankündigung, auf eine weitere Verlängerung zu verzichten, und den kurz darauf im "Standard" publizierten Vorwürfen ehemaliger Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hergestellt - was Birkmeir stets in Abrede gestellt hat. Nachdem im Sommer 2024 der Vorstand neuerlich keine Nicht-Verlängerung seines Vertrags ausgesprochen habe und er damit bis 2031 weiterarbeiten hätte müssen, habe er sich mit seinem Chefdramaturgen beraten und sei im September auf den Vorstand zugegangen und habe begonnen, über einen Ausstieg zu verhandeln. Erst nach der Bekanntgabe seien "93 inquisitorische Fragen aus der 'Standard'-Redaktion" bei ihm eingetroffen - mit "Vorwürfen von Leuten, die Probleme mit mir hatten, für die es aber keine Beweise gibt". "Hier hat etwas stattgefunden, das ich als Verleumdung sehe", zeigte er sich "zutiefst enttäuscht von Teilen der österreichischen Presse": "Diese Vorgangsweise ist medienethisch nicht in Ordnung!"

Der "Falter" hat kürzlich eine "redaktionelle Richtigstellung" veröffentlicht, in der die "unrichtige Darstellung", dass Birkmeir "herumgebrüllt" habe und seine Vertragsbeendigung "mit später erhobenen Vorwürfen" in Zusammenhang gestanden sei, mit Bedauern zurückgezogen wurde. Gegen den "Standard" habe man "aus medienethischen Gründen" den Presserat angerufen, so Birkmeir zur APA. Eine Entscheidung stehe jedoch noch aus.

Die Premieren der Saison 2025/26 im Überblick:

RENAISSANCETHEATER

Titel

Regie

Premiere

"Das Geheimnis der verzauberten Stimme" von Alan Ayckborn

Nicole Claudia Weber

7. Oktober 2025

"Der überaus starke Willibald" von Willi Fährmann

Sebastian von Lagiewski

16. Dezember 2025

"König Gilgamesch - Das größte Abenteuer der Welt" von Michael Schachermaier (UA)

Michael Schachermaier

20. Februar 2026

"Er ist wieder da" von Timur Vermes

Thomas Birkmeir

11. April 2026

"Die Wiese", Musical von Thomas Zaufke (Musik) und Peter Lund (Text) (UA)

Peter Lund

20. Mai 2026

THEATER IM ZENTRUM

"Der Junge mit dem längsten Schatten" von Finegan Kruckemeyer (ÖEA)

Gerald Maria Bauer

14. Oktober 2025

"Die Verwirrungen des Zöglings Törleß" nach Robert Musil

Thomas Birkmeir

13. Jänner 2026

"Wolf" von Saša Stanišić

Claudia Waldherr

21. April 2026

(S E R V I C E - https://www.tdj.at )

Zusammenfassung
  • Thomas Birkmeir beendet nach 24 Saisonen seine Leitung des Theaters der Jugend und übergibt an Aslı Kışlal.
  • Die Saison 2024 brachte mit 193.650 Besucher:innen, 29.038 Abos und einer Auslastung von 95,59 Prozent neue Rekordwerte.
  • Das Theater schließt das Geschäftsjahr mit einem Überschuss von 160.000 Euro und Rücklagen von 2,8 Millionen Euro ab.
  • Während Birkmeir auf 194 Produktionen und 6,1 Millionen Besucher:innen zurückblickt, kritisiert er den Zwang zum Mainstream und die geringe Frauenquote bei Autor:innen.
  • Birkmeir weist einen Zusammenhang seines Rücktritts mit erhobenen Vorwürfen zurück und kritisiert die Berichterstattung des "Standard" als "Verleumdung".