APA/APA/ImPulsTanz/Reto Schmid

"The Köln Concert" überwindet beim ImPulsTanz Distanzen

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Immer auf Distanz, suchen und finden in schwarz gehüllte Tänzerinnen und Tänzer in Trajal Harrells "The Köln Concert" Nähe. Die österreichische Erstaufführung des am Schauspielhaus Zürich inmitten der Coronapandemie entstandenen, auf dem legendären Keith-Jarrett-Konzert beruhenden Stücks fand am Freitag im Rahmen von ImPulsTanz im Wiener Volkstheater statt. Und sie wurde wie zu erwarten ein Highlight des ausklingenden Tanzfestivals.

Sein Publikum will der amerikanische Choreograf wohl schon vor Einsetzen der Musik in einen Zustand der Konzentration versetzen. In einem recht gewöhnungsbedürftigen Outfit - ein auf seiner Kleidung befestigtes Kleid, das bereits Vorbote für den ersten Teil des Stücks ist - wacht er auf der Bühne über die Zuschauer, unter denen tatsächlich Ruhe einkehrt.

Joni Mitchell könne für Keith Jarrett eröffnen, hatte Maria Ferreira Silva, selbst Teil von Harrells Tänzern, bei der Bilanzpressekonferenz des ImPulsTanz-Festivals erklärt. Zu deren melancholischen Hits "River" und "Both Sides Now" finden die Tänzer deshalb nach und nach zueinander, nehmen jeder auf einer Klavierbank Platz, wippen hin und her, lassen zunächst nur einen Arm, dann alle Gliedmaßen schweifen, bevor sie zu einer Art Modenschau übergehen. Die sieben Tänzer, zu denen auch Harrell selbst zählt, tragen wechselnde Outfits - ein Pelzmantel hier, eine Art Sack aus schwarzem Netzstoff da - und schreiten elegant und immer auf Zehenspitzen über die Bühne.

Als die Aufnahme des legendären "Köln Concerts" startet, das Jazzpianist Keith Jarrett 1975 in der Kölner Oper frei improvisierte, findet die Modevielfalt ein Ende: Frauen wie Männer sind nun in schwarze negligé-artige Stoffe gehüllt. Die Tänzer finden sich wieder auf ihren Klavierbänken ein, die nicht nur im übertragenen Sinne Distanz schaffen. Denn das Stück entstand während der Hochzeit der Coronapandemie, als man sich auch auf der Bühne nicht zu nahe kommen durfte. Diese Distanz gilt es nun, tanzend zu überwinden, was trotz der Kürze des Abends - etwa 50 Minuten verbrachte man im Volkstheater mit dem Schauspielhaus Zürich Dance Ensemble - langsam vonstatten ging.

Denn während die anderen auf ihren Bänken erstarrten, tanzte stets nur eine Person. Die zuvor zur Schau gestellte Eleganz fehlt anfangs, die Tänzer bewegen sich mal zitternd und unsicher fort, mal wirken sie zu Jarretts schnellen Anschlägen wie von unsichtbaren Kräften durch den Raum geworfen, scheinen dann aber Selbstbewusstsein und Stärke wiederzufinden. Die mal langen, mal kurzen, mal mehr, mal weniger freizügigen Kleider und der androgyn wirkende Tanz lösen die Unterschiede unter den Performenden immer mehr auf.

Wunderbar verweben sich Tanz und Musik, und die Gruppe wird mit den repetitiven Klaviermelodien im Hintergrund schließlich zur intimen Gemeinschaft, die im Kreis tanzt und sich mit ausgebreiteten Armen dem Publikum präsentiert. Auch unter mandatorischer Distanz lässt sich Nähe finden. Das Publikum spendete verdienten frenetischen Applaus, als sich die Tänzer - nun mit bunten Morgenmänteln bekleidet - verbeugten.

(S E R V I C E - ImPulsTanz: "The Köln Concert" von Trajal Harrell/ Schauspielhaus Zürich Dance Ensemble zur Musik von Keith Jarrett und Joni Mitchell, Volkstheater Wien. Weitere Vorstellung am 7. August, www.impulstanz.com)

ribbon Zusammenfassung
  • Immer auf Distanz, suchen und finden in schwarz gehüllte Tänzerinnen und Tänzer in Trajal Harrells "The Köln Concert" Nähe.
  • Denn das Stück entstand während der Hochzeit der Coronapandemie, als man sich auch auf der Bühne nicht zu nahe kommen durfte.
  • (S E R V I C E - ImPulsTanz: "The Köln Concert" von Trajal Harrell/ Schauspielhaus Zürich Dance Ensemble zur Musik von Keith Jarrett und Joni Mitchell, Volkstheater Wien.

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