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"Tagespresse"-Chef: FPÖ will "ganze Branche einschüchtern"

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Die Klage der FPÖ Niederösterreich gegen "Die Tagespresse" erregt den Unmut von prominenter Seite. 180 Personen aus Literatur, Musik, Film und Kabarett fordern die Partei mit einer Unterschriftenliste auf, die Klage zurückzuziehen. Im APA-Gespräch sagt "Tagespresse"-Gründer Fritz Jergitsch, dass die FPÖ damit die "ganze Branche einschüchtern" wolle, während Kabarettist Florian Scheuba anmerkt, dass die FPÖ möglicherweise versuche, in Konkurrenz zum Satireportal zu treten.

In der von Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren und Rabenhof-Direktor Thomas Gratzer ins Leben gerufenen Unterstützungsinitiative wird darauf hingewiesen, dass "alle Merkmale einer SLAPP-Klage" - also Einschüchterungsklage - vorlägen. "Egal, wie das Gericht entscheidet: Die Tatsache, dass diese Klage überhaupt eingebracht wurde, obwohl niemand materiellen oder körperlichen Schaden erlitt und die 'Tagespresse' die Täuschung umgehend aufklärte, lässt Rückschlüsse auf das Motiv der FPÖ zu. Durch das Abfeuern sämtlicher juristischer Geschütze aus allen Rohren sollen kritische Medien, Satire, Kunst und Kultur eingeschüchtert werden", heißt es in dem Statement.

Das Schreiben wird von der IG Kabarett, dem Presseclub Concordia und dem Österreichischen PEN Club mitgetragen. Ihre Solidarität mit der "Tagespresse" haben etwa Josef Hader, Ursula Strauss, Michael Niavarani, Jan Böhmermann, Marlene Streeruwitz, Thomas Stipsits, Stefanie Sargnagel, Herbert Föttinger, Marie Kreutzer, Maschek, Christoph Grissemann, Dirk Stermann, Ruth Brauer, Nicholas Ofczarek, Michael Ostrowski, Caro Athanasiadis und Florian Scheuba erklärt.

Auf 47.500 Euro Streitwert beläuft sich die Klage auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung in den Wochenendausgaben zweier niederösterreichischer Zeitungen beim Handelsgericht Wien. Die FPÖ Niederösterreich geht damit gegen jene FPÖ-Fake-Briefe vor, die von der "Tagespresse" im April an rund 500 Gastronomen im Zusammenhang mit der von Schwarz-Blau angekündigten Wirtshausprämie verschickt wurden. Darin ist die Rede von einer neu geschaffenen "Abteilung zur Förderung der patriotischen Esskultur". Als Kriterium zur Beurteilung, ob der Betrieb für die Wirtshausprämie geeignet sei, wurde neben einer "Panierquote" u.a. eine "rot-weiß-rote Kinderkarte" angeregt, die etwa ein "Andreas-Hofer-Schnitzel" oder ein "Gabalier-Fleischlaberl" aufweisen könne.

"Tagespresse"-Gründer Jergitsch betrachtet die Klage zwar gleichsam auch als Auszeichnung, da es Aufgabe von Satire sei, die Mächtigen zu ärgern und ihnen den Spiegel vorzuhalten, doch sei sie keineswegs angenehm. "Wenn die FPÖ damit vor Gericht durchkäme, wäre es ziemlich schmerzhaft", sagt er. Im schlimmsten Fall rechnet der Satiriker mit Kosten in Höhe von ca. 70.000 Euro. Dabei bestreite man den Eingriff ins Namensrecht nicht. Die FPÖ Niederösterreich argumentiere aber auch mit Kreditschädigung und unlauterem Wettbewerb, um potenzielle Nachahmer einzuschüchtern. "Deswegen ist es so wichtig, dass die Branche ein Zeichen der Geschlossenheit abgibt und zeigt, dass diese Art und Weise gegen Kritik vorzugehen, nicht unbeantwortet bleibt", freut sich Jergitsch über die solidarische Aktion.

Scheuba sieht in der Argumentation der FPÖ Niederösterreich, wonach unlauterer Wettbewerb vorliege, einen Hinweis darauf, dass "die FPÖ möglicherweise wirklich versucht, in Konkurrenz zur 'Tagespresse' zu treten". Der Gedanke, dass die FPÖ ihre Klage ernst meine, erscheint dem Kabarettisten zumindest fraglich. Denn: "Sollte ein Gericht feststellen, dass dieser Text der 'Tagespresse' so nah dran an der Realität ist, dass er genauso gut von der FPÖ stammen könne, dann wäre das eine verheerende Erkenntnis für die FPÖ und die Öffentlichkeit."

Scheuba erachtet es als wichtig, sich von solchen Klagen nicht einschüchtern zu lassen. "Der Sinn einer SLAPP-Klage ist ja, dass etwas aus der Öffentlichkeit verschwinden soll. Man muss das Gegenteil machen und die Öffentlichkeit suchen", so der Kabarettist. "Auf uns haben solche Klagen keinen Effekt. Wir werden weiterhin die Sachen bringen, zu denen wir stehen", sagt Jergitsch. Auch an der Wirtshausprämienaktion halte man fest. "Der FPÖ geht es mit der Prämie darum, in die Speisekartengestaltung und damit in etwas, das durch kulturellen Austausch geprägt ist, einzugreifen. Wenn versucht wird, mit patriotischen, nationalistischen Kriterien eine Wirtshausprämie zu lancieren, gehört das kritisiert", so der "Tagespresse"-Gründer.

Juristisch sieht Jergitsch die Kunstfreiheit im Land mit vielen Gerichtsurteilen gut abgesichert. Auf einer ökonomischen Ebene sei das aber anders. Speziell Medien seien wegen der Förderungs- und Inseratenkultur sehr angreifbar für SLAPP-Klagen und Druck aus der Politik. "Journalismus, der sich selbst als vierte Säule der Demokratie sieht, sich dann aber von anderen Säulen der Demokratie stützen lässt, ist keine Säule. Ich würde mir wünschen, dass sich Medien und der Kunstbereich verstärkt Modellen widmen, die es ermöglichen, sich selbst zu finanzieren und nicht vom guten Willen der Politik abhängig zu sein", sagt Jergitsch, der aber gesteht, dass dies einfacher gesagt als getan ist.

Scheuba ortet noch einen weiteren problematischen Punkt: "Es war lange Zeit breiter Konsens, Satire nicht zu klagen, weil es wahnsinnig dumm ist. Offensichtlich ist dieser Grundkonsens der Minimalintelligenz nicht mehr durchsetzbar. Wir haben ein Bildungsproblem und es wäre erstaunlich, wenn sich das in der Politik nicht widerspiegeln würde."

Die "Tagespresse" hat noch ca. eine Woche Zeit, die Klage zu beantworten. Anschließend wird ein Prozesstermin festgesetzt, sofern die Klage von der FPÖ nicht doch noch zurückgezogen wird. Die Unterstützungsinitiative soll fortgesetzt werden, bis die FPÖ von der Klage Abstand nimmt.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Klage der FPÖ Niederösterreich gegen "Die Tagespresse" erregt den Unmut von prominenter Seite.
  • Im APA-Gespräch sagt "Tagespresse"-Gründer Fritz Jergitsch, dass die FPÖ damit die "ganze Branche einschüchtern" wolle, während Kabarettist Florian Scheuba anmerkt, dass die FPÖ möglicherweise versuche, in Konkurrenz zum Satireportal zu treten.
  • Die "Tagespresse" hat noch ca. eine Woche Zeit, die Klage zu beantworten.

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