Stoizismus und Synchronität beim Wiener ImPulsTanz
"13" exerziert das Wechselspiel von Masse und Individuum. Die Gruppe der Tanzenden bewegt sich im stetig gleichen Rhythmus synchron über die Bühne, wie sehr ihre Zahl temporär auch dezimiert sein mag. Denn stets brechen Einzelne aus der Masse heraus. Und doch steht hier nichts still. Es ist der stete Fluss des Lebens, der vom Schicksal des Einzelnen unbehelligt fließt, was durchaus als Verweis auf die asiatische Lebensphilosophie verstanden werden kann. Erst am Ende löst sich die Gruppe kurzzeitig gänzlich auf, ein möglicher kleiner Blick in eine freiere Ebene.
Bis dahin versucht der Einzelne immer wieder, aus diesem unaufhaltsamen Sog auszubrechen. Gemeinsames und Trennendes, Zusammenprall und Abstoßung, ein Fallen und ein Gefangenwerden, Stürzen und Gestoßenwerden entspinnt sich hier auf dem großen Weg. Scheinbar schwerelos werden dabei chinesische Akrobatik und Athletik mit Ästhetik verbunden.
Die Geschlechterdichotomie wird aufgelöst, dem Mann nicht mehr die Actio, der Frau die Reactio zugeordnet, wie sooft in Choreografien. In den von Tao Yes Partnerin Duan Ni gestalteten, androgynen Kostümen und angesichts der bisweilen undefinierbaren Haarschnitte spielen diese Kategorien keine Rolle mehr.
Das Gruppenprinzip auf die Spitze getrieben
Wurde das einer 17-teiligen Serie entsprungene "13" von am Minimalismus geschulten Pianoklängen von Xiao He begleitet, entfallen diese bei "14". Hier treibt man das Prinzip der Gruppe auf die Spitze. Im vergleichsweisen Farbrausch der Kostüme und unbarmherzig vorangetrieben vom Ticken eines Metronoms, dominiert die absolute, frappante Synchronität.
Immer wieder verfallen die Tanzenden in eine Fermate, aus der heraus das Geschehen wieder voranschreitet. Wie in einem Puzzlespiel hat jeder seinen unabwendbaren Platz im Ganzen. Zusammen bildet man einen lebenden Organismus im Gleichklang.
Mit stoischer Miene vollzieht das Ensemble mönchsgleich sein Ritual in einer Disziplin, die selbst beim frenetischen Schlussapplaus nicht beiseitegelassen wird. Am Samstag und Sonntag ist die Magie des TAO Dance Theaters dann auch bei den beiden Folgestücken "16" und "17" zu erleben. Darauf kann man zählen.
(Von Martin Fichter-Wöß/APA)
(S E R V I C E - "13 & 14" von Tao Ye/TAO Dance Theater im Volkstheater, Arthur-Schnitzler-Platz 1, 1070 Wien. Choreografie: Tao Ye, Licht: Ma Yue und Tao Ye, Kostüme: Duan Ni. Mit Duan Ni, Huang Qiqi, Xu Fujin, Tong Yusheng, Liu Yiren, Sun Leirui, Cheng Leting, Li Jiayu, Wu Zhenkai, Lu Wenchao, Liu Liyuan, Jia Lixue, Tang Dashan, Zhang Xi und Lee Yuyun. Weitere Aufführung am 7. August. www.impulstanz.com/performances/id3377/)
Zusammenfassung
- Das TAO Dance Theater präsentierte am Mittwoch im Wiener Volkstheater die beiden minimalistischen Stücke '13' und '14' mit insgesamt 15 Tänzer:innen.
- '13' thematisiert das Wechselspiel von Masse und Individuum und wird von Pianoklängen begleitet, während '14' auf Musik verzichtet und durch absolute Synchronität sowie das Ticken eines Metronoms geprägt ist.
- Weitere Aufführungen mit den Stücken '16' und '17' folgen am Samstag, Sonntag und am 7. August im Rahmen des ImPulsTanz-Festivals.