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"Standard"-Gründer Bronner: "Da ist nichts zu bedauern"

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Er hat sich mit den Gründungen der Qualitätstitel "Der Standard", "profil" und "trend" in die Medienlandschaft Österreichs eingeschrieben und sieht sich dennoch als Künstler mit Brotberuf Journalismus: Oscar Bronner. Am Samstag (14. Jänner) wird der Medienmacher 80 Jahre alt. Im APA-Interview spricht er über seine Tätigkeit als Maler und Bildhauer, die in Verruf geratenen Medien, Gemeinsamkeiten von "New York Times" und "Standard" sowie die "Schwierigkeiten" von "profil".

APA: Vor bald 15 Jahren haben Sie gesagt, dass Sie sich "konsequent überflüssig" beim "Standard" machen möchten und aus der operativen Tätigkeit zurückziehen. Ist Ihnen das soweit gelungen?

Oscar Bronner: Ja. Ich habe den "Standard" nicht gegründet, um ihn zu leiten, sondern um ihn lesen zu können. Er hat eine ausgezeichnete Führung, ich muss daher seit vielen Jahren nicht mehr ins Büro gehen. Ich habe auch keine Funktion mehr, außer dass ich Herausgeber geblieben bin. Die Tätigkeit dafür ist höchst überblickbar. Ich lese die Zeitung, achte darauf, dass die Blattlinie eingehalten wird und stehe für Fragen zur Verfügung, was erfreulich wenig in Anspruch genommen wird.

APA: Sie haben sich seit Jahren wieder ganz der Kunst gewidmet und in letzter Zeit primär Skulpturen angefertigt. Was gibt den Ausschlag dafür, ob Sie malen oder sich doch der Bildhauerei zuwenden?

Bronner: Ich betrachte mich sowohl als Maler wie auch als Bildhauer, kann es aber nicht parallel ausüben. Das hat damit zu tun, dass ich in Serien arbeite. Eine Skulptur ergibt sich aus der vorherigen, und dann kommt die nächste, die wieder eine Variante dazu ist. Das war bei den Bildern genauso. Ich mache solange weiter, bis eine Serie ausgeschöpft ist. Ich hoffe, dass ich bald wieder zu malen anfange. Im Moment sind aber noch Skulpturen in meinem Kopf.

APA: Woher holen Sie sich Inspiration für Ihre Arbeiten?

Bronner: Das wechselt im Lauf der Jahre. Lange Zeit wurde ich durch Bionik angeregt und habe versucht, die Konstruktionsweise der Natur zu verwenden. Im Moment beschäftige ich mich mit der "figura serpentinata". Denn ich habe gemerkt, dass ich seit Jahrzehnten immer wieder sich drehende Elemente mache - sowohl bei Bildern als auch bei Skulpturen. Das versuche ich jetzt konsequent auszuloten, und zwar mit geometrischen Figuren.

APA: Wenn Sie malen, dann mit den Fingern und oft nur solange die Farbe auf der Leinwand noch verwischt werden kann. Das erinnert an die zwingenden Deadlines im Tageszeitungsgeschäft. War das ein Hintergedanke?

Bronner: (lacht) Nein, es gab einen ganz praktischen Grund. Ich habe gemerkt, dass ich beim Malen dazu tendiere, solange zu korrigieren, bis das Bild sein Leben verliert. Daher habe ich mir diese Technik zurechtgelegt. Die Bilder müssen so in eineinhalb bis zwei Stunden fertig sein und können nicht mehr korrigiert werden. Bei den Skulpturen geht das nicht, die brauchen ihre Zeit.

APA: Sie sind nicht für große Selbstvermarktung bekannt. Hat das bewirkt, dass Sie heute weiterhin stärker als Herausgeber und Gründer von "Standard", "profil" und "trend" in vielen Köpfen verankert sind denn als Künstler?

Bronner: Ja. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Künstler einen Brotberuf hat. Für mich war es der Journalismus. Die Zeitungsgründungen haben sich daraus ergeben. Und sie überschatten alles andere. Für viele Menschen bin ich der erfolgreiche Zeitungsmacher, der eben ein Hobby hat. Dass das für mich eher umgekehrt ist, ist schwer vermittelbar. Aber da kann man nichts machen.

APA: Bedauern Sie das?

Bronner: Da ist nichts zu bedauern. Ich habe gelernt, damit zu leben. Es wäre für die Medienlandschaft nicht gut, wenn es umgekehrt wäre. Wenn ich ein erfolgloser Zeitungsmacher gewesen wäre, dann wären "trend", "profil" und "Standard" vermutlich gescheitert.

APA: Haben Sie mit diesen drei Medien die Gesellschaft verändert?

Bronner: Ich habe meinen Beitrag geleistet, um die Medienlandschaft zu verändern. Ich wollte, dass die Österreicher sich besser informieren können. Einen größeren Anspruch will ich nicht erheben. Es ging mir auch darum, Medien zu schaffen, bei denen man sich für den Journalismus, den man dort betreibt, nicht genieren muss.

APA: "profil" ist jüngst mit personellen Weichenstellungen in den Schlagzeilen gewesen. Verfolgen Sie diese noch mit Interesse, obwohl Sie sich vor bald 50 Jahren von dort verabschiedet haben?

Bronner: Natürlich bin ich weiterhin medieninteressiert und muss registrieren, dass "profil" schon seit langer Zeit Probleme hat. Diese Art von Magazin ist derzeit weltweit in Schwierigkeiten. Die klassische Funktion eines Nachrichtenmagazins haben mittlerweile die Tageszeitungen übernommen, die aufgrund der schnelleren digitalen Medien Hintergründe liefern müssen und wollen. Damit mussten sich Nachrichtenmagazine ein neues Feld suchen. Dort, wo es gelungen ist, überleben sie. Dort wo nicht, sinken Auflage und Leserschaft - und das ist beim "profil" eben passiert. Sie haben einiges verschlafen, was mir sehr leid tut. Mal schauen, ob sie das Ruder herumreißen können.

APA: Juckt es Sie in den Fingern, wenn Sie auf "profil" blicken, wieder ins Geschäft einzusteigen?

Bronner: Nein. Ich betrachte es zwar weiterhin als mein Baby, aber ich bin froh, dass ich jetzt Kunst machen kann. Ich glaube auch nicht, dass ich noch einen Beitrag leisten könnte. Ich hoffe, dass die neue "profil"-Führung das schaffen wird. Die neue Chefredakteurin (Anm.: Anna Thalhammer) ist eine gute Journalistin. Ob sie eine gute Blattmacherin ist, weiß niemand. Auch der neue Geschäftsführer (Anm.: Richard Grasl) hat kein Know-How für die Führung von Magazinen. Das ist nicht das gleiche wie bei Tageszeitungen. Außerdem steht der Ruf, der ihm vorauseilt, nicht wirklich für unabhängigen und überparteilichen Journalismus. Ich wünsche dem "profil" viel Glück.

APA: Stellt Sie die Entwicklung des "Standard" zufrieden? Als Vorbild diente bei der Gründung die "New York Times".

Bronner: Die Bekanntgabe der "New York Times" als Vorbild hat natürlich für Häme gesorgt. Uns wurde gelegentlich unter die Nase gerieben, dass wir unserem Vorbild noch nicht ganz gerecht werden. Mir war klar, dass der österreichische Markt nicht 1.400 Journalistinnen und Journalisten für eine Zeitung finanzieren kann. Es macht einen Unterschied, ob ein Journalist an einer Geschichte tage-, wochen- oder manchmal monatelang arbeiten kann oder relativ schnell fertig sein muss. Qualität hat auch mit Quantität zu tun, aber nicht nur. Das Vorbild für mich war, anständigen Journalismus zu machen: unabhängig, überparteilich, ohne versteckte Interessen und auf Augenhöhe mit den Lesern. In all diesen Aspekten haben wir der "New York Times" vom ersten Tag entsprochen. Aber man darf nie selbstzufrieden sein. "Der Standard" arbeitet täglich daran, noch besser zu werden.

APA: Würden Sie heute noch eine gedruckte Zeitung gründen?

Bronner: Ich würde heute gar nichts mehr gründen. Aber die Frage, wie lange es überhaupt noch gedruckte Medien gibt, ist offen. Es gibt wichtige Zeitungen und Zeitschriften, die wahrscheinlich noch lange in Printform funktionieren werden. Ich beschäftige mich aber nicht damit.

APA: "Der Standard" war im deutschsprachigen Raum mit dem Aufbau einer Internetpräsenz ganz vorne dabei. Heute zögert man, eine Paywall aufzubauen. Andere Marktteilnehmer ziehen langsam aber doch eine auf. Warum nicht der "Standard"?

Bronner: Ich habe mit solchen Entscheidungen nichts mehr zu tun. Was ich aber beobachte, ist, dass wir online wichtige Werbeeinnahmen haben. Und solange die höher sind als potenzielle Paywall-Einnahmen, halte ich unsere Vorgangsweise für richtig. Dazu kommt das österreichische Spezifikum: Der ORF hat sein kostenloses Onlinemedium mit seiner Medienorgel an die erste Stelle gepusht. Daher haben alle Zeitungen, die eine Paywall eingeführt haben, dramatische Reichweiteneinbrüche. Hier muss ein Weg dafür gefunden werden, dass ein fairer Wettbewerb stattfinden kann.

APA: Der "Standard" hat mit einem Transparenzblog auf die Inseratencausa und die durch publik gewordene Chats mit Politikern ausgelösten Rücktritte von Chefredakteuren reagiert. Kommt das nicht reichlich spät? War die Medienbranche - Stichwort Vertrauen - zu intransparent?

Bronner: Möglicherweise. Man redet ungern über sich selber. Wir haben unsere Raison d'Être schon mit der ersten Ausgabe offen gelegt und das wurde begrüßt. Ich bilde mir ein, dass der Erfolg des "Standard" - in einem an sich saturierten Markt etwas Außergewöhnliches - damit zu tun hat.

APA: Der "Standard" hat mit keinem Vertrauensverlust zu kämpfen?

Bronner: Ich merke es zumindest nicht. Aber ich denke schon, dass wir mitleiden. Wenn eine Branche so in Verruf gerät, wie es beim Journalismus zu großen Teilen auch zurecht in Österreich der Fall ist, färbt das natürlich ab. Wir wollten nicht "mitgefangen, mitgehangen" sein und haben unsere Arbeitsweise dokumentiert.

APA: Wie kann die Branche gegensteuern? Braucht es Gesetze, um die Verhaberung mancher Politiker mit manchen Medien zu unterbinden?

Bronner: Es wäre schon hilfreich, wenn nicht das Gegenteil passiert. Wir haben derzeit eine Politik, die Verhaberung fördert. Wir haben eine Politik, die Korruption fördert. Wenn man merkt, dass Zeitungen, die Deals mit der Politik abschließen und sich vom Standpunkt der Politik aus wohl verhalten, mit besonders vielen Regierungsinserate belohnt werden, dann darf man sich nicht wundern, dass manche korrupt werden. Als erstes sollte man dort eingreifen und die Dinge ändern. Auf der anderen Seite gibt es die Versuchung für Journalisten. Solange Führungspositionen im ORF von der Politik besetzt werden, finden sich Opportunisten, die sich danach richten. Aber es gibt zum Glück Journalisten, die da nicht mitmachen. Sie mussten halt immer wieder zuschauen, wie andere große Karrieren machen und sie nicht. All das gehört endlich geändert. Es wird immer nur geredet, aber nicht gehandelt.

APA: So manches medienpolitisches Gesetz ist in Begutachtung.

Bronner: Warten wir mal ab, was beschlossen wird. Ich erkenne nur unzureichende Vorschläge und merke keinen Umschwung. Man scheint sich in diesem Sumpf wohl zu fühlen.

APA: Es prangt seit eh und je "Herausgegeben von Oscar Bronner" auf jeder Titelseite des "Standard". Wie lange noch?

Bronner: Das schaut nach schrecklicher Eitelkeit aus, ich habe es aber nicht für mein Ego gebraucht. Der Grund war, dass wir bei der Gründung in Partnerschaft mit dem Axel Springer Verlag waren. Dieser hatte einen gewissen Ruf. So dankbar ich war, dass er bei der Gründung geholfen hat, sollte klar sein, dass es keine Springer-Zeitung ist. Daher stand mein Name unter dem Zeitungstitel, um das klar zu machen. Ich habe vorgeschlagen, dass man es wegnimmt. Es ist aber nicht mehr meine Entscheidung.

APA: Um zu Ihrem Hauptbetätigungsfeld zurückzukommen: Ihre letzte Einzelausstellung ist schon etwas her. Darf man in nächster Zeit mit einer rechnen?

Bronner: Im Moment ist keine geplant. Aber ich hoffe, dass bald wieder eine stattfindet.

APA: Kunstwerke hätten Sie genug?

Bronner: Es hat sich Einiges angesammelt.

(Das Gespräch führte Lukas Wodicka/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • Er hat sich mit den Gründungen der Qualitätstitel "Der Standard", "profil" und "trend" in die Medienlandschaft Österreichs eingeschrieben und sieht sich dennoch als Künstler mit Brotberuf Journalismus: Oscar Bronner.
  • Im APA-Interview spricht er über seine Tätigkeit als Maler und Bildhauer, die in Verruf geratenen Medien, Gemeinsamkeiten von "New York Times" und "Standard" sowie die "Schwierigkeiten" von "profil".

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