APA/APA/Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Staatsballett eint mit "Les Sylphides" Moderne und Klassik

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Der tänzerische Abend "Les Sylphides" verspricht weitaus mehr als eine Neuinszenierung der titelgebenden Choreografie von Michel Fokine. Das Wiener Staatsballett hält an der Volksoper ein Triptychon aus Tanz bereit: Zwei klassische Ballette - Fokines "Les Sylphides" und Uwe Scholz' "Jeunehomme" - umrahmten Mittwochabend die zeitgenössische Uraufführung "Eden" von Adi Hanan. Ihre schambefreite Interpretation des Sündenfalls sorgte für enthusiastischen Beifall.

Schwebende Elfen in "Les Sylphides", Aufhebung von Geschlechtern in "Eden", Bewegung gewordene Musik in "Jeunehomme": Was die unterschiedlichen Handschriften und Entstehungszeiträume der drei Ballette des Abends eint, ist, dass ihre Choreografien auf Musik basieren, die ursprünglich für den Konzertsaal komponiert wurde. Unter der musikalischen Leitung von Ido Arad, der mit dieser Premiere sein Debüt feierte, entfalten sich drei Tänze, die den Geist des symphonischen Balletts verkörpern.

Den romantischen Auftakt des Abends bildet das einst erste handlungsfreie Ballett Fokines. Wie in einem Tagtraum begegnet ein Poet elfenhaften Wesen - den Sylphiden - in einem mystischen Wald. Ihre traditionell langen, weißen Tutus werden im Kontrast zum minimalistischen Bühnenbild aus Blauschattierungen deutlich hervorgehoben. Zur Musik Frédéric Chopins in einer Orchesterfassung von Benjamin Britten vollzieht sich ein Wechsel aus Pas de deux und Solo, begleitet vom Corps de Ballet. Hebefiguren und Spagatsprünge lassen die Sylphiden schweben. Die sanften Bewegungen ihrer Arme erinnern an Flügelschläge eines Vogels und erwecken den Eindruck, sie seien vom Winde getragen. Ein verzaubernder Anblick, wenngleich die Flügelschläge des tanzenden Ensembles nicht makellos synchron sind. Das mag darin liegen, dass sich einige Tänzerinnen in der Körperhaltung besonders am romantischen Stil der Entstehungszeit von "Les Sylphides" orientieren.

Von klassisch romantischem Stil nimmt das Herzstück des Abends Abstand. "Eden" setzt den Sylphiden eine zeitgenössische Bewegungssprache entgegen: teils schwungvoll, teils abgehackt, animalisch und wild, Hüfte und Boden als Zentren der Bewegung, Gravitation. Deutlich wird, nicht zuletzt durch häufiges Spreizen der Beine und Anheben der Kleider, dass das Thema Intimität im Vordergrund steht. Hanan verneint jedoch bewusst die oftmals mit dem Erwachen von Sexualität verbundene Scham. Mit ihrem Werk inszeniert sie die Vertreibung aus dem Paradies wohl kaum als Verlust der Unschuld, viel eher als Gewinn einer innigen Verbundenheit. Den Bühnenmittelpunkt, welcher in tänzerischen Annäherungsversuchen umkreist wird, bilden der Baum der Erkenntnis und ein sich fortwährend verformendes abstraktes Gebilde aus Stoff. Aus seinem Inneren wird schließlich das Paar befreit, welches in einem eindrucksvollen Pas de deux zu einer körperlichen Einheit verschmilzt. Die Intention der aufstrebenden Choreografin sei es gewesen, Geschlechternormen im Tanz zu Arvo Pärts "Spiegel im Spiegel" aufzuheben. Innigkeit spiegelt sich in jeder Bewegung wider, die Tanzenden lassen sich fallen, stützen einander, neigen ihre Körper im Einklang. Eine gelungene und berührende Darstellung genderfluider Intimität, ein Gänsehautmoment für das Publikum.

Komplettiert wird das Trio aus Balletten schließlich mit "Jeunehomme", einem Werk, das musikalischen Ausdruck von Mozarts Klavierkonzert Nr. 9 in Es-Dur in Körperbilder überträgt. Zentral sind hierbei Kostüm und Bühnenbild von Karl Lagerfeld, erstmals wieder nach ihren Originalentwürfen rekonstruiert. Das Bühnenbild zeigt die Silhouette einer Dame am Flügel, die kurzen Tutus erinnern mit ihren Verschränkungen schwarzer und weißer Formen an eine Klaviatur. Die Bewegungen der Tanzenden sind von der Melodie gelenkt: Ein Ton wird mit der Hand aufgegriffen, der Kopf neigt sich, greift den nächsten Ton auf, ehe die Melodie in die Beine wandert, sich in eine Pirouette verwandelt und schließlich unter begeistertem Applaus die vielseitige Vorführung an der Volksoper abrundet. Es stellt sich die Frage, wie "Jeunehomme" im Schatten von Hanans Uraufführung den Höhepunkt des Abends übertreffen soll - und doch ist aus dem Publikum die überzeugte Bewertung zu vernehmen: "Das letzte Stück ist das beste gewesen!"

(Von Selina Teichmann/APA)

(S E R V I C E - "Les Sylphides" des Wiener Staatsballetts in der Volksoper, Währinger Straße 78, 1090 Wien. Bestehend aus "Les Sylphides" von Michel Fokine, "Eden" von Adi Hanan und "Jeunehomme" von Uwe Scholz. Weitere Aufführungen am 11., 13., 17., 22., 26. und 30. Mai. www.volksoper.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Das Wiener Staatsballett begeisterte mit einem Ballett-Triptychon an der Volksoper, bestehend aus 'Les Sylphides', 'Eden' und 'Jeunehomme'.
  • 'Eden', eine zeitgenössische Uraufführung von Adi Hanan, brach mit traditionellen Geschlechternormen und thematisierte Intimität ohne Scham.
  • 'Jeunehomme', beeindruckend untermalt von Mozarts Klavierkonzert Nr. 9, erhielt den stärksten Applaus des Abends, trotz der neuen Herausforderungen durch 'Eden'.

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