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Skulptur im Theseustempel lässt über Rollenbilder nachdenken

Heute, 10:36 · Lesedauer 3 min

Eine Hommage an meist unsichtbare Frauenarbeit und zugleich intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte der Künstlerin aus Trinidad-Tobago: Im Theseustempel im Wiener Volksgarten zeigt das Weltmuseum (WMW) bis 5. Oktober die Mixed-Media-Skulptur "Washerwoman" von Shannon Alonzo. Die lebensgroße gesichtslose Figur aus Harz, Bienenwachs, Wäscheklammern und brauner Baumwolle stellt den Archetyp der arbeitenden karibischen Frau dar. Detail: "Sie altert", sagte Alonzo.

Sie habe für die Hände und Beine des 2018 entstandenen Werks Bienenwachs aus ihrer Heimat verwendet, erzählte die 1988 geborene Künstlerin im Gespräch mit der APA anlässlich eines Pressetermins am Donnerstag. Die Wahl des Materials war nicht zufällig: "Es verändert sich, verfärbt sich, bekommt faltenähnliche Risse - es sieht aus, als würde die Wäscherin altern." Die Arbeit soll nicht nur zum Nachdenken über Rollenbilder anregen, sondern auch über kollektives Gedächtnis und das unsichtbare Fundament gesellschaftlicher Strukturen.

Denn "Washerwoman", inspiriert von einer namenlosen Frau, abgebildet auf einem Foto von J.W. Cleary aus Jamaika um 1890, ist auch Ergebnis von Alonzos Versuch, ihre Vorfahren durch die Arbeit ihrer eigenen Hände kennenzulernen. "Ich habe die Skulptur im Haus meiner Großmutter in Trinidad angefertigt und bei Tee oder Kaffee über unsere Herkunft und Vorfahren gesprochen. Meine Oma wuchs mit zehn oder zwölf Tanten und Onkeln auf. Und blickt man im Stammbaum zurück, wird es kompliziert, weil oft nicht dokumentiert ist, von wo aus der Karibik die Leute zugezogen sind."

Die Skulptur habe kein Haupt, weil sie Alonzo nicht als einzelnes Individuum versteht: "Sie verkörpert viele Frauen, die mit ihren Händen solche Arbeiten verrichtet haben und verrichten."

Neues Format Contemporary

"Washerwoman" wurde von Hanin Hannouch kuratiert und ist die erste Ausgabe des neuen Formats WMW Contemporary, in dem sich das Weltmuseum der zeitgenössischen Kunst widmet, um Themen wie Neo-Kolonialismus, globale Ökonomie und Identität zu verhandeln. "Die Arbeit von Alonzo ist ein gutes Beispiel dafür, dass es bei Contemporary auch einen feministischen Blick auf den postkolonialen Diskurs geben soll", sagte Neo-Direktorin Claudia Banz.

Das neue Format soll nicht auf den Theseustempel beschränkt sein. "Vielleicht gehen wir verstärkt in den Stadtraum und in den digitalen Raum", so Banz, die auch gerne das eine oder andere zeitgenössische Werk für das Museum erwerben würde - "aber das ist eine Frage des Budgets" - und für heuer noch zwei weitere Beiträge in der neuen Reihe ankündigte.

(S E R V I C E - "Washerwoman" von Shannon Alonzo im Theseustempel, Volksgarten, 1010 Wien, 16.5.-5.10, täglich 11-18 Uhr, freier Eintritt)

Zusammenfassung
  • Die Mixed-Media-Skulptur "Washerwoman" der 1988 geborenen Künstlerin Shannon Alonzo ist vom 16. Mai bis 5. Oktober 2024 im Theseustempel im Wiener Volksgarten bei freiem Eintritt zu sehen.
  • Die lebensgroße, gesichtslose Figur aus Harz, Bienenwachs, Wäscheklammern und brauner Baumwolle thematisiert unsichtbare Frauenarbeit und kollektives Gedächtnis, wobei das Bienenwachs aus Trinidad die Alterung der Figur sichtbar macht.
  • Als erste Ausstellung des neuen Formats WMW Contemporary setzt das Weltmuseum Wien mit "Washerwoman" einen feministischen Akzent im postkolonialen Diskurs und plant für dieses Jahr noch zwei weitere Beiträge.