Serhij Zhadan erhielt Staatspreis für Europäische Literatur
In seiner Festrede würdigte Jurymitglied Kastberger Zhadan als "Dichter Charkiws" und Chronist der postsowjetischen Realität. Zhadan, dessen Werke tief in der ostukrainischen Lebenswelt verwurzelt sind, habe sich literarisch früh mit desolaten Industrielandschaften, Männern im kollektiven Überlebenskampf und den Narben des Systemumbruchs auseinandergesetzt. Seit der Annexion der Krim 2014 und dem Beginn des russischen Angriffskriegs 2022 habe sich seine Literatur radikal gewandelt, hin zur dokumentarischen Zeugenschaft des Krieges. Kastberger hob hervor: "Zhadan benennt den Krieg, bevor viele im Westen ihn als solchen erkannt haben. Seine Texte sind nüchterne, eindringliche Nachrichten aus einer Stadt mit gebrochenem Rückgrat."
"Der Krieg durchdringt alles - auch die Sprache"
Zhadan selbst sprach in seiner Dankesrede, die er auf Deutsch hielt, von der Herausforderung, in Kriegszeiten über Literatur zu sprechen. "Der Krieg durchdringt alles, auch die Sprache", sagte er. Während russische Angriffe seine Heimatstadt Charkiw erschüttern, versuche er, durch Sprache Zeugnis abzulegen. "Wir schreien nicht, um Aufmerksamkeit für uns zu bekommen. Wir schreien für jene, die nicht mehr sprechen können, die ihrer Stimme beraubt sind. Es ist sehr wichtig für uns, sprechen zu können. Aber es ist nicht weniger wichtig, nicht nur gehört, sondern auch verstanden zu werden." Literatur sei in diesem Kontext keine Flucht, sondern ein Versuch, die Welt neu zu benennen und die eigene Würde zu verteidigen.
Der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur wird seit 1965 für das literarische Gesamtwerk einer europäischen Autorin bzw. eines europäischen Autors verliehen, das international besondere Beachtung gefunden hat, was durch Übersetzungen dokumentiert sein muss. Das Werk muss auch in deutschsprachiger Übersetzung vorliegen. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.
Zusammenfassung
- Der ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan wurde am Freitagnachmittag in Salzburg mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur ausgezeichnet, der seit 1965 vergeben und mit 25.000 Euro dotiert ist.
- Zhadan und Laudator Klaus Kastberger betonten die existenzielle Rolle von Literatur in Kriegszeiten und beschrieben, wie sich Zhadans Werke seit der Annexion der Krim 2014 und dem russischen Angriffskrieg 2022 radikal verändert haben.
- In seiner Dankesrede sagte Zhadan auf Deutsch: "Der Krieg durchdringt alles, auch die Sprache" und hob hervor, dass Literatur ein Versuch sei, die Welt neu zu benennen und für jene zu sprechen, die nicht mehr sprechen können.