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Semiszenischer "Castor et Pollux" begeisterte in Salzburg

Heute, 07:36 · Lesedauer 3 min

Upgrade bei den Salzburger Festspielen: Die ursprünglich konzertant geplante Vorstellung von Rameaus "Castor et Pollux" unter Teodor Currentzis wurde kurzfristig um eine semiszenische Inszenierung von Peter Sellars erweitert. Dabei handelte es sich in Teilen um eine Übernahme seiner Inszenierung, die er Anfang des Jahres mit Currentzis in Paris auf die Bühne gebracht hatte. In der Felsenreitschule wurde dies zu einer Mischung aus statischer Kontrolle und eruptiver Dramatik.

Was zur Entscheidung geführt hat, Rameaus selten aufgeführtes Werk doch mit szenischen Elementen zu versehen, ist nicht bekannt. Notwendig wäre diese Unterstützung nicht gewesen. Rameaus Musik bietet auch so hohes Gestaltungspotenzial, das Currentzis, der sich in einem Interview einmal als "Rameau-Fan" bezeichnet hatte, mit dem Utopia Orchester und Chor vollkommen ausschöpfte – wenn zu Beginn auch mit etwas zu starker Kontrolle. Mit oft angehaltenem Tempo, beinahe statischen Arien und dramatisch aufbrausenden Orchester- und Chorattacken schien er das Publikum zwingen zu wollen, jeden Moment neu zu hören. Manche Passagen wirkten dadurch wie unter Glas gestellt: kunstvoll, aber distanziert. In der zweiten Hälfte gewann das Konzept jedoch an Sog. Der Chor explodierte förmlich, das Orchester fand zu größerer Freiheit, und die Spannung zwischen Klangflächen und Emotion begann zu tragen. Erneut wurde deutlich, warum Currentzis für seine klangsinnlichen Lesarten auf der ganzen Welt gefeiert wird.

Die musikalische Brillanz des Abends war trotz allem nicht allein dem Dirigenten zu verdanken, sondern ebenfalls den Solistinnen und Solisten. Diese hatten zu weiten Teilen bereits in Paris mit Currentzis gearbeitet. Jeanine De Bique berührte auch in Salzburg mit leuchtender Stimmgebung und feinfühligem Ausdruck als Telaire, die alle Hebel in Bewegung setzt, um ihren Geliebten Castor wiederzubekommen. Diesen sang Reinoud van Mechelen voller barocker Lyrik und tenoralem Glanz. Wenn auch nur mit kurzen Einsätzen betraut, stach auch Natalia Smirnova mit intensiver Gestaltung und unglaublicher Leichtigkeit bis in die größten Höhen aus dem durchwegs stark besetzten Solistenensemble hervor.

Peter Sellars' in Teilen übernommene Inszenierung brachte zwar szenische Ordnung in das ursprünglich konzertante Vorhaben, doch seine Handschrift blieb diesmal überraschend blass. Auf einer großen Leinwand vor den Arkaden der Felsenreitschule ließ er Projektionen über weite Strecken für sich sprechen: Bilder von Strommasten, Städten und später Weltall-Aufnahmen sorgten für eine ästhetisch kühle Distanz, die eher bebilderte als interpretierte. Die Bühne selbst blieb mit ein paar Möbeln, die eine Einzimmerwohnung darstellen sollten, eher spartanisch. Das Publikum feierte diese semiszenische Überraschung mit Bravo und Beifall, der am Ende des gut dreistündigen Abends vor allem über Dirigent und Solistenensemble hereinbrach.

(Von Larissa Schütz/APA)

(S E R V I C E - Jean-Philippe Rameau: "Castor et Pollux", halbszenische Inszenierung von Peter Sellars, Musikalische Leitung: Teodor Currentzis, Choreinstudierung: Vitaly Polonsky. Mit: Jeanine De Bique (Telaire), Reinoud van Mechelen (Castor), Marc Mauillon (Pollux), Yulia Vakula (Phebe), Claire Antoine (Minerve / Dienerin der Hebe), Natalia Smirnova (Venus / Ein seliger Schatten), Nicholas Newton (Mars / Jupiter / Ein Athlet), Laurence Kilsby (LAmour / Oberpriester Jupiters / Ein Athlet), Utopia Chor, Utopia Orchester. Eine weitere Aufführung am 29.8., www.salzburgerfestspiele.at )

Zusammenfassung
  • Die ursprünglich konzertante Aufführung von Rameaus "Castor et Pollux" bei den Salzburger Festspielen wurde kurzfristig um eine semiszenische Inszenierung von Peter Sellars ergänzt.
  • Teodor Currentzis dirigierte das Utopia Orchester und den Chor, wobei die musikalische Umsetzung besonders für ihre Steigerung von kontrollierter Statik zu eruptiver Dramatik und klangsinnlicher Brillanz gelobt wurde.
  • Das Publikum feierte die gut dreistündige Aufführung mit langem Applaus, wobei vor allem Dirigent und das stark besetzte Solistenensemble – darunter Jeanine De Bique und Reinoud van Mechelen – hervorgehoben wurden.