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Schauspielhaus Wien streamt Lydia Haiders "Am Ball" als Film

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Lydia Haiders Eroberung der Bühnen gestaltet sich hindernisreich. Ob die Publikumspreis-Gewinnerin beim Bachmann-Wettlesen tatsächlich am 16. Jänner mit "Zertretung - 1. Kreuz brechen oder Also alle Arschlöcher abschlachten" ihr Debüt als neue Hausautorin des Volkstheaters geben kann, entscheidet sich vermutlich in den nächsten Tagen, der Uraufführung von "Am Ball. Wider erbliche Schwachsinnigkeit" am Schauspielhaus Wien hat Corona bereits ein Schnippchen geschlagen.

Die für 3. Dezember angesetzte Bühnenpremiere ihres gemeinsam mit Esther Straganz geschriebenen Textes in der Nebenspielstätte des Schauspielhauses musste lockdownbedingt verschoben werden. Stattdessen hat die Regisseurin und Videokünstlerin Evy Schubert jedoch mit der Schauspielerin Clara Liepsch eine Filmversion erarbeitet, die gestern, Montag, erstmals gestreamt wurde. In den nächsten Tagen gibt es immer wieder Termine, zu denen Tickets (9 Euro Normalpreis, 20 Euro Solidaritätsticket) erhältlich sind. Es geht um den umstrittenen rechten Akademikerball - weswegen am Tag des geplanten Akademikerballs (29. Jänner) "eine besondere Ausgabe des Projekts" geplant sei, wie es heißt. Der Akademikerball ist freilich wie die gesamte Ballsaison abgesagt.

"Vergleichbar ist so ein Ballbesuch mit einem freiwilligen Aufenthalt in der Höhle des Löwen, oder im Fall des Akademikerballs wie im Kanal der Ratten. Und das ist ja nicht Nichts", resümiert Haider im Programmheft ihren Ballbesuch, aus dem ein in der Redelsteiner Dahimene Edition Anfang 2019 erschienener 70-seitiger Prosatext entstand. Rund 80 Minuten dauert nun der Film, der Liepsch im souveränen, mitunter lasziven Spiel mit der Kamera zeigt. In sexy Outfit berichtet sie vom Ballbesuch in der Hofburg, der an Skurrilität kaum zu überbieten ist: rechte Recken, Ewiggestrige und Zukunftsstürmer, die Schmiss und Wichs würdevoll als Insignien tragen.

Es ist ein sprachlich an sich selbst und seiner Wut berauschender Monolog, der in einer retardierenden Choreografie aus gebleckten Zähnen, gerollten Augen und geschwungenen Hüften meist direkt ins Kameraobjektiv gesprochen wird. Ein mit Kaffeehaustischchen und nackten Schaufensterpuppen möblierter Raum wechselt mit einer kleinen Bühne, die Ausstatterin Maria Strauch mit einem großen Stück Kotelett und einer überlebensgroßen weißen Penisskulptur als Kunstraum definiert.

Im Rundgang von der Feststiege über den Festsaal bis hinunter in den Rauchkeller schaut Liepsch zwischendurch in der Küche vorbei, wo im Hantieren mit blutigen Fleisch mögliche Abzweigungen Richtung Horrorshow angedeutet werden, ehe es weiter geht im Text, der immer wieder Richtung Tod und Verderben drängt. Dazwischen geschnitten werden offenbar echte Filmaufnahmen des Balles sowie eine "Werbeeinschaltung" für eine Homepage, die eine weitere mediale Ebene aufmacht: Auf https://ballaballa.solutions wird mittel Videoclips und Fotomontagen frech und fröhlich mit rechten Codes und vaterländischen Traditionen jongliert.

Die Bühnenpremiere soll stattfinden, sobald ein Spielbetrieb wieder möglich ist. Doch Lydia Haider gibt zu Protokoll: "Mich reizt das Theater nicht. Es ist die logische Konsequenz meiner Texte, die zur Aufführung drängen: in ihrer evozierten Mündlichkeit, dem inhärenten Zwang zum laut Lesen, ihrer Radikalität, ihrem Rhythmus und Sprach- wie Sprechfluss", meint sie. "Was mich reizt, das ist der Text an sich, insbesondere die Sprache."

(S E R V I C E - "Am Ball. Wider erbliche Schwachsinnigkeit" von Lydia Haider und Esther Straganz, Regie: Evy Schubert. Mit Clara Liepsch. Termine: 16., 17., 18., 19., 22., 29. und 30. Dezember. Der Film kann an diesen Tagen zwischen 20 und 24 Uhr gestreamt werden. www.schauspielhaus.at/am_ball_der_film)

ribbon Zusammenfassung
  • In den nächsten Tagen gibt es immer wieder Termine, zu denen Tickets erhältlich sind.
  • Es geht um den umstrittenen rechten Akademikerball - weswegen am Tag des geplanten Akademikerballs "eine besondere Ausgabe des Projekts" geplant sei, wie es heißt.
  • Rund 80 Minuten dauert nun der Film, der Liepsch im souveränen, mitunter lasziven Spiel mit der Kamera zeigt.
  • Der Film kann an diesen Tagen zwischen 20 und 24 Uhr gestreamt werden.

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