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Reinsperger brilliert erneut in Handkes "Selbstbezichtigung"

Heute, 09:35 · Lesedauer 3 min

Manchmal schließt sich ein Kreis derart glücklich, dass man es kaum glauben mag. Nach zehn Jahren ist Stefanie Reinsperger mit ihrer am damaligen Volx/Margareten herausgekommenen Solo-Version von Peter Handkes "Selbstbezichtigung" wieder in Wien zu sehen. Diesmal am Akademietheater in deutlich größerem Rahmen, den die 37-Jährige in der Inszenierung von Dušan David Pařízek mit einer gewachsenen Reife füllt, die das Publikum am Samstagabend zu Standing Ovations hinriss.

Bereits in der Volkstheater-Nebenspielstätte hatte die damals sehr junge Schauspielerin eine interpretatorische Bandbreite an den Tag gelegt, die das Publikum ungläubig staunen ließ. Der Erfolg war derart groß, dass der einstündige Abend auch in den Spielplan ihrer späteren Wirkungsstätte am Berliner Ensemble aufgenommen wurde. Worin das Geheimnis dieser Produktion liegt, lässt sich im Programmheft nachlesen, wo Reinsperger gefragt wird, was sie bis heute an dem 1966 entstandenen Text, der von Handke eigentlich für eine Schauspielerin und einen Schauspieler vorgesehen war, fasziniere: "Dass der Text mich inzwischen sehr, sehr gut kennt."

Das Setting von damals ist gleich geblieben: Reinsperger spielt auf einem bis an die Rampe ausgerollten weißen Studiohintergrund, der links und rechts von zwei schmalen Bahnen flankiert wird. Sie dienen nicht nur für eindrucksvolle dialogische Schattenszenen, sondern auch für die Projektion von verschwommenen Kindheitsbildern sowie Ausschnitten aus früheren Pařízek-Inszenierungen wie etwa Kleists "Der zerbrochne Krug" (Düsseldorfer Schauspielhaus 2012), Wolfram Lotz' "Die lächerliche Finsternis" (2014 am Akademietheater) oder "Nora hoch drei" (2015 am Volkstheater). Durch diesen sparsam eingesetzten Trick tritt Reinsperger quasi mit ihren früheren Bühnen-Ichs in die Diskussion und erweitert Handkes Text um neue Bedeutungsebenen, ohne wesentlich in den Originaltext einzugreifen.

Wie Reinsperger sich in 70 Minuten, zu deren Beginn auch am Akademietheater im Publikum Apfelspalten als Sinnbild des Sündenfalls verteilt werden, sich vom fast nackten, gekrümmten Fötus ("Ich bin auf die Welt gekommen") über das mündig gewordene Ich ("Ich bin gesellschaftsfähig geworden") bis zum resignierten Erwachsenen ("Ich bin nicht geworden, was ich hätte werden sollen") hochjazzt, ist sehens- wie hörenswert. Egal ob flüsternd, schreiend oder in tiefstem Wienerisch polternd - Reinsperger ist in jedem Moment ganz bei sich - und doch stets auch im energetischen Austausch mit dem Publikum. Mit der Übernahme der "Selbstbezichtigung" ist der Schauspielerin nun etwas gelungen, was nur wenigen vergönnt ist. Sie steht - neben "Elisabeth!" am Burgtheater - nun mit gleich zwei Soloabenden auf dem Spielplan. Und beweist: zu Recht!

(Von Sonja Harter/APA)

(S E R V I C E - "Selbstbezichtigung" von Peter Handke im Akademietheater, Produktion des Volkstheaters Wien, Übernahme vom Berliner Ensemble. Regie und Bühne: Dušan David Pařízek, mit Stefanie Reinsperger. Weitere Termine: 8. und 18. Dezember, 3. und 26. Jänner. www.burgtheater.at)

Zusammenfassung
  • Stefanie Reinsperger begeistert zehn Jahre nach ihrer Erstaufführung erneut mit ihrer Solo-Version von Peter Handkes 'Selbstbezichtigung' am Akademietheater Wien und erhält dafür Standing Ovations.
  • Die 70-minütige Inszenierung unter Regie von Dušan David Pařízek nutzt Projektionen, Schattenspiele und einen minimalistischen weißen Bühnenhintergrund, um neue Bedeutungsebenen zu schaffen.
  • Weitere Aufführungen sind am 8. und 18. Dezember sowie am 3. und 26. Jänner geplant; Reinsperger steht aktuell mit zwei Soloabenden auf dem Spielplan.