APA/APA/Airt/Gallery of West Bohemia

Raumplan im Ringturm: Schau zeigt Loos-Nachfolger Kulka

07. Juli 2025 · Lesedauer 4 min

Anfangs war er ein Schüler von Adolf Loos, bald schon sein Partner und später sein Nachfolger: Heinrich Kulka (1900-1971) steht im Mittelpunkt einer Ausstellung im Wiener Ringturm, die sich mit dem eigenständigen Werk des im mährischen Litovel geborenen Architekten beschäftigt. Im Fokus stehen vor allem in Böhmen realisierte Bauten, die Kulka noch vor seiner Emigration nach Neuseeland im Jahr 1940 verwirklichen konnte.

"Heinrich Kulka - 'Wer bitte?', haben viele gefragt", machte Kurator Adolph Stiller am Montag bei einem Pressegespräch kein Hehl daraus, dass es beim Namen Kulka hierzulande nur bei den wenigsten klingelt. "Das ist aber durchaus verständlich." Denn einerseits war der Architekt jüdischer Herkunft mit Aufkommen der Naziherrschaft gezwungen, von Wien 1938 zuerst zurück in sein Heimatland und zwei Jahre später nach Neuseeland zu flüchten, andererseits hat er in der Bundeshauptstadt recht wenig Spuren hinterlassen. "Sein Hauptwerk befindet sich zu großen Teilen in Böhmen."

Kulkas Karriere ist eng mit Loos verbunden. Der Wegbereiter der Moderne holte seinen Schüler Anfang der 20er-Jahre in seine Baukanzlei, wo er ab 1927/28 als Partner und Bürochef bei fast allen Entwürfen eingebunden war. So gelte inzwischen als belegt, dass Kulka das Loos-Haus in der Wiener Werkbundsiedlung quasi im Alleingang konzipierte, erklärte Stiller: "Loos war nur drei Mal auf der Baustelle." Nach der Fertigstellung soll er zu seinem Kompagnon gesagt haben: "Ich hab's mir anders vorgestellt, aber es ist trotzdem gut. Bis auf einige inzwischen wieder verschwundene Geschäftslokale und das "Haus Weiszmann" in Hietzing - sie werden in der Schau ebenfalls vorgestellt -, hat sich Kulka in Wien kaum eingeschrieben.

Ineinandergreifende statt übereinander geschichtete Stockwerke

Im Ringturm fokussiert sich das Kuratorentrio - neben Stiller noch Stephan Templ und Jan Sapák - sowieso auf das eigenständige Schaffen Kulkas in der damaligen Tschechoslowakei nach Loos' Tod 1933 und vor seiner Emigration nach Neuseeland. Ein Hauptwerk ist die Mitte der 30er-Jahre entstandene Semler Residenz in Pilsen (Plzeň). Die Industriellenfamilie Semler, zwischenzeitlich größte Hersteller von Grammophonnadeln, hatte am mit der Wiener Ringstraße vergleichbaren Prachtboulevard Klatovská třída einen ganzen Häuserblock gekauft und ließ in einen Teil davon eine große Wohnung einbauen.

Architekt Kulka entkernte den betreffenden Abschnitt, um darin sein - gemeinsam mit Loos entwickeltes - "Raumplan"-Konzept zu verwirklichen: Um jedem Raum seine nötige Höhe und Dimension zu geben, werden die Stockwerke nicht strikt übereinander geschichtet, sondern sind aufgebrochen und greifen ineinander.

Losgelöst von Lehrer Loos

"Kulka ist über seinen Lehrer hinausgewachsen", urteilt Templ. "Er ist der lässigere Loos: großzügiger, offener, freier", so der Co-Kurator im APA-Gespräch. Was an der Wohnung Semler ebenfalls gut zu sehen ist: Während Loos in seinen Entwürfen viel auf Stein setzte, favorisierte Kulka unterschiedliche Holztöne, was den Räumen eine weichere und wärmere Note gibt. Von außen sehr unscheinbar, entfaltet sich die architektonische Meisterschaft allein im Inneren.

Neben vielen Fotografien und Plänen komplettieren einige Publikationen oder Modelle die Ausstellung. Sie werden auf weinroten Sockeln und Holzbauten mit strahlend gelben Füßen präsentiert. Der Boden selbst ist mit grünem Teppich ausgelegt. Das spiegle die "Farbklaviatur" Kulkas wider, erläuterte Stiller. Auch hierfür ist das Haus Semler ein gutes Beispiel.

Kulka-Museum entsteht in Böhmen

"In Architektur muss man hineingehen können, um die Atmosphäre zu spüren, um sie erleben zu können", ist Stiller überzeugt. Da trifft es sich gut, dass etwa die Semler Residenz in Pilsen öffentlich zugänglich ist. In Tschechien wird es zudem bald ein eigenes Kulka-Museum geben: Das Haus Kantor in Gablonz an der Neiße (Jablonec nad Nisou) wurde 1933/34 für einen Arzt errichtet und nach dem Zweiten Weltkrieg von den Kommunisten enteignet. Der Staat zerstückelte das frei stehende Haus in vier Wohnungen, zerstörte dabei das Raumkonzept und verscherbelte es nach dem Zusammenbruch des Kommunismus an einen Spekulanten. Die Stadt Gablonz kaufte es 2015 zurück und will noch heuer oder im kommenden Jahr mit den Restaurierungsarbeiten beginnen. Die Wohnräume sollen begehbar werden - immerhin ist das Originalinterieur laut Stiller noch erhalten -, und im Souterrain ist ein Museum geplant.

Die Ringturm-Würdigung endet mit dem Weggang Kulkas in Richtung Neuseeland. Dort entwarf er jahrelang für die Fletcher Construction Company, eine der größten Baufirmen des Landes, vor allem Büros und Gewerbebauten. Nach seiner Pensionierung arbeitete er wieder selbstständig und gestaltete vorwiegend Einfamilienhäuser. Seine Raumplan-Ideen führte er in adaptierter Form fort.

(S E R V I C E - "Heinrich Kulka (1900-1971). Loos-Schüler und Nachfolger" im Ausstellungszentrum im Ringturm, Schottenring 30, 1010 Wien. Bis 7. November. Geöffnet jeweils Montag bis Freitag, 9-18 Uhr, Eintritt frei. www.airt.at/projects/kulka/)

Zusammenfassung
  • Im Wiener Ringturm wird bis 7. November das Werk von Heinrich Kulka (1900-1971), Schüler und Nachfolger von Adolf Loos, in einer Ausstellung präsentiert.
  • Kulka musste 1938 aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus Wien fliehen und emigrierte 1940 nach Neuseeland, weshalb sein Hauptwerk vor allem in Böhmen entstand.
  • Ein zentrales Beispiel ist die Semler Residenz in Pilsen, die Mitte der 1930er Jahre entstand und das gemeinsam mit Loos entwickelte „Raumplan“-Konzept zeigt.
  • In Tschechien wird das Haus Kantor, 1933/34 erbaut, zum Kulka-Museum umgebaut, wobei das originale Interieur erhalten blieb.
  • Nach seiner Zeit bei der Fletcher Construction Company in Neuseeland arbeitete Kulka selbstständig weiter und setzte seine Raumplan-Ideen fort.