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Raptrio Fettes Brot macht aus Abschied "tollen Popmoment"

Im Herbst sind sie tatsächlich "Hitstory": Nachdem das Hamburger Hip-Hop-Trio Fettes Brot dieser Tage eine so betitelte Best-of-Platte veröffentlicht, geht es ab April auf Abschiedstournee für Dokter Renz (Martin Vandreier), König Boris (Boris Lauterbach) und Björn Beton (Björn Warns) inklusive zweier Wienkonzerte. Davor sprachen die Musiker mit der APA über das Bandende, einen Titel für ihre Karriere und loben ihr Publikum über den Klee.

APA: Die Ankündigung Ihres Abschieds hat im Vorjahr hohe Wellen geschlagen. Ist es schön, wenn man merkt: Wir haben offenbar Eindruck hinterlassen?

König Boris: Es fühlt sich natürlich gut an, wenn es den Leuten nicht egal ist, dass man aufhört. Wir haben es sowohl an den Reaktionen damals gemerkt, als auch an den Ticketverkäufen für die Tour. Alle wollen noch mal Fettes Brot live sehen, und das freut uns tierisch. Es war auch ein Teil der Überlegung des Schlussmachens, dass es etwas Selbstbestimmtes ist. Wir haben die Möglichkeit, einen tollen Popmoment daraus zu machen. Wir vergleichen es immer mit einer New-Orleans-Beerdigung: traurig, aber trotzdem lebensbejahend. Dieser Plan scheint aufzugehen.

Dokter Renz: Mit so einem exaltierten Moment provoziert man das auch: Ab jetzt bitte alle eure Meinung zu unserem Gesamtwerk abgegeben. Das bekommt man sonst nicht, wenn eine Bandgeschichte eher ausfranst oder einer von der Bühne kippt. Es gibt ja diverse andere Endmomente von Bands, aber die sind sehr viel undefinierter. Wir haben jetzt sehr geballt die Rückmeldung aus unserem Publikum erlebt, dass man uns mag. Und das ist ein tolles Gefühl.

APA: Wenn Sie zurückblicken auf 30 Jahre Fettes Brot, was wäre dann ein Titel für diese Geschichte?

Dokter Renz: Sie haben sich sehr bemüht. (alle lachen)

Björn Beton: Aus Versehen alles richtig gemacht. Das sage ich ganz oft. Wir alle sind Menschen mit einem starken Bauchgefühl und lassen uns sehr davon leiten, wo wir uns gut aufgehoben fühlen. Dabei vergessen wir nie, dass das mehrschichtig ist und alle menschliche Interaktionen umfasst. Wir sind sehr interessiert daran, mehrdimensional zu denken. Insofern finde ich diesen Satz ganz gut.

APA: Stilistisch haben Sie in Ihrer Karriere immer Vielfalt gelebt. Wie war es, als Sie die Songs für die neue Best-of-Platte ausgewählt haben?

Dokter Renz: Wir wollten tatsächlich nicht unsere Lieblingslieder oder einen Querschnitt durch unser Werk zusammenzustellen, sondern schauen, was die zehn erfolgreichsten Hits waren. Es sollte ja eine "Hitstory" sein. Wir wollten es gerne in dieser Kompaktheit raushauen. Es hat uns selbst noch mal beeindruckt, dass wir nach dem vermeintlichen One-Hit-Wonder, das wir mit "Nordisch by Nature" hätten werden können, verwöhnt worden sind mit Smashs, die in das Gedächtnis von Generationen eingesickert sind.

Björn Beton: Ich stelle mir das immer so vor: Wir sind auf dem geilsten Festival der Welt, dürfen aber nur eine Stunde spielen. Dann wäre das unsere Setlist.

APA: Von welchem Song hätten Sie selber am wenigsten erwartet, dass er bei einem breiten Publikum funktionieren wird?

Björn Beton: Am größten war dieses Gefühl bei "Emanuela". Da wussten wir selber nicht so genau, welche Musik das ist. Es ist in gewisser Weise ein schräges Lied. Andererseits haben wir auch gespürt, dass dieser Song eine ganz große Sogwirkung hatte. Das Ding war einfach eine Lokomotive. Der andere Song war "Schwule Mädchen", weil der sehr sperrig und krass daherkommt. Auch inhaltlich ist das keine einfache Popmusik. Umso schöner, dass wir uns das trotzdem getraut haben zu sagen: Das ist unsere neue Single.

König Boris: Vorher war uns nie bewusst, was ein Hit wird und was nicht. Wahrscheinlich gibt es gar kein Geheimnis, es passiert einem oder auch nicht. Insofern war es eine große Unsicherheit, in die wir immer auch gesprungen sind.

APA: Dabei sind Sie aus einem relativ klaren Genre, dem Hip-Hop, herausgetreten und haben verschiedenste Dinge verfolgt...

Dokter Renz: Das ist eine Freiheit, die sich als Grundton durch unser gesamtes Werk zieht. Manchmal ist es etwas ausgeufert, manchmal haben wir den Pfad vielleicht auch zu weit verlassen und haben uns im Unterholz verfangen. Aber grundsätzlich haben wir uns erlaubt, uns alles zu erlauben. Das mögen Leute auch an uns. Wir haben musikalisch ein bisschen was Unberechenbares und uns eine Integrität bewahrt, die uns auch dazu befähigt, was zu sagen. Man hört, dass es nicht einer bestimmten Agenda folgt, sondern eine Haltung ist.

APA: Im April starten Sie Ihre Abschiedstournee, viele Termine sind schon ausverkauft. Denkt man sich da: Vielleicht doch noch eine Bonusrunde drehen?

König Boris: Klar, das wäre verlockend. (lacht) Aber die Runde ist jetzt so groß, es wäre Quatsch, da noch was dran zu hängen. Außerdem würden wir uns das Pointierte versauen. Am 1. und 2. September gibt es die letzten beiden Shows in Hamburg, danach ist dann gut. Das muss man einfach so konsequent durchziehen, sonst verwässert das.

Björn Beton: In letzten 30 Jahren waren wir immer ganz gut darin, glaubhaft zu sein. Wir würden mit einem Schlag unsere Glaubhaftigkeit an den Nagel hängen, wenn wir sagen würden: Nee, alles Scherz. (lacht) Wir sind immer zu Scherzen aufgelegt, aber mit den Gefühlen unseres geschätzten Publikums machen wir keine Scherze.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - Fettes Brot live am 12. und 13. April im Wiener Gasometer, Abschiedskonzerte am 1. und 2. September in Hamburg; http://fettesbrot.de)

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  • Davor sprachen die Musiker mit der APA über das Bandende, einen Titel für ihre Karriere und loben ihr Publikum über den Klee.