APA/APA/SF/Monika Rittershaus/SF/Monika Rittershaus

Pfingstfestspiele - Im "Hotel Metamorphosis" wird geträumt

Heute, 08:16 · Lesedauer 4 min

Mit dem neu gezimmerten Pasticco "Hotel Metamorphosis" haben am Freitagabend die Salzburger Pfingstfestspiele begonnen. Regisseur Barrie Kosky dramatisierte Ovids antike Märchen zu Musik von Antonio Vivaldi: mit reduzierter Szene, großen Stimmen und ausgelassenem Tanz entstand rund um Pfingst-Intendantin Cecilia Bartoli ein kurzweiliger Musiktheaterabend zwischen Verbrechen, Verlangen und Verwandlung.

Pygmalion begehrt eine Puppe, Myrrha ihren Vater, Narcissus sein Spiegelbild: Ovids berühmte Märchensammlung hat Fetisch, Inzest, tierische Mischwesen und fluide Geschlechterrollen als Treibstoff. Die eigentliche Aktualität dieser antiken Geschichten liegt aber nicht im vermeintlichen Ahnentum heutiger Identitätspolitik oder koketter Tabubrüche, sondern in der Gewissheit der Metamorphose selbst. Dem Getriebensein durch einen allgegenwärtigen Transformationsdruck, der von einer dynamischen Außenwelt auf uns wirkt, steht die Metamorphose als Verwandlung von innen nach außen, als Manifestation seelischer Notwendigkeiten gegenüber.

Doch die "Metamophosen" sind keine Oper, auch wenn das dramatische Potenzial auf der Hand liegt. Kosky wählte fünf Stoffe - Orpheus und Eurydice, Pygmalion, Arachne, Myrrha, Echo und Narcissus - und arrangierte sie rund um ein Best-Of aus Opernarien und Orchesterwerken Antonio Vivaldis zu einer Bühnenerzählung. Für Kitt und Konsistenz zwischen Szene und Musik sorgen Schauspielerin Angela Winkler, die in der Rolle des androgynen Orpheus erzählend durch die Ovid'schen Schauermärchen führt, sowie ein versatiles Tanzensemble (Choreographie: Otto Pichler). Es dringt fast gewaltvoll ein mit sprühendem Leben und tobender Emotion in eine kühle Anti-Szene: Kosky hat als Schauplatz ein schlichtes, anonymes Hotelzimmer gewählt und verlässt sich für den mitreißenden Opernsog vor allem auf Vivaldi.

Es war nicht zuletzt die künstlerische Leiterin der Pfingstfestspiele, Cecilia Bartoli, die Vivaldis Opern- und Arienschaffen durch ihre Aufnahmetätigkeit aus der Vergessenheit geholt hat. Aber Werke wie "La fida ninfa", "Juditha triumphans" oder "La Griselda" schaffen es mangels homogener Spannung und Qualität auch heute kaum auf Spielpläne. In ihnen schlummern Arienschätze, die Kosky und sein musikalischer Konterpart, Gianluca Capuano, für "Hotel Metamorphosis" gehoben haben. Verdichtet um populäre und rasante Orchesterstücke - auch die "Jahreszeiten" lassen grüßen - verhelfen sie dem venezianischen Altmeister zu szenischer Wirksamkeit und bieten dem Sängerquartett eine Steilvorlage.

Große Stimmen in großer Bandbreite

Mit Lea Desandre, Nadezhda Karyazina und Philippe Jaroussky hat Bartoli ein beeindruckendes vokales Panorama um sich versammelt. Desandre, die an einem Abend als gequälte, verstoßene Myrrha, kieksend-fröhliche Echo und künstlich erweckte Statue eine breite Palette quicklebendigen Schauspiels präsentiert, hat die Rundungen ihres Mezzo weiter reifen lassen. Karyazina ist nicht nur in ihren Rollen als Juno und Minerva Göttin ohne Widerspruch, Bartoli selbst steht als Leitstern in der Figur der Eurydice an Anfang und Ende des Abends und erlaubt sich mit der spinnenden "Arachne" ein exzentrisches Zwischenspiel.

Gewaltigen Applaus ernteten an diesem Premierenabend, der auch bei den heurigen Sommerfestspielen wiederholt wird, nicht zuletzt die Musiciens du Prince - Monaco. Nicht nur die Frische und freudige Schärfe in den Kontrasten macht diese neue "Oper" des Antonio Vivaldi zu rauschhaftem Musizieren, es gelingt Capuano und seinem Ensemble auch, einen durchgehenden dramatischen Stoff zu weben über die fast vier Stunden Pasticcio. Vier Stunden, viele Verwandlungen, ein Musiktheaterglücksfall.

(Von Maria Scholl/APA)

(S E R V I C E - "Hotel Metamorphosis - Ein Pasticcio mit Musik von Antonio Vivaldi in zwei Akten", mit Cecilia Bartoli, Nadezha Karyazina, Lea Desandre, Philippe Jaroussky, Angela Winkler, Il Canto di Orfeo, Les Musiciens du Prince - Monaco; Musikalische Leitung: Gianluca Capuano, Regie und Konzept: Barrie Kosky, Choreografie: Otto Pichler, Bühne: Michael Levine, Kostüme: Klaus Bruns; weiterer Termin am 8. Juni bei den Salzburger Pfingstfestspielen sowie 31. Juli, 5., 10., 13. und 15. August 2025 bei den Salzburger Festspielen, www.salzburgfestival.at)

Zusammenfassung
  • Mit dem fast vierstündigen Pasticcio "Hotel Metamorphosis" nach Ovid und mit Musik von Antonio Vivaldi eröffneten die Salzburger Pfingstfestspiele am Freitagabend.
  • Das Ensemble um Cecilia Bartoli, Lea Desandre, Nadezhda Karyazina und Philippe Jaroussky präsentierte eine musikalisch und szenisch vielfältige Inszenierung, bei der fünf antike Stoffe mit bekannten Vivaldi-Arien und Orchesterwerken verbunden wurden.
  • Weitere Aufführungen finden am 8. Juni sowie am 31. Juli, 5., 10., 13. und 15. August 2025 im Rahmen der Salzburger Festspiele statt.