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Passionsspiele Erl: Tiefschürfende Leidenserzählung

Heute, 17:25 · Lesedauer 4 min

Die Passionserzählung "Der Weg, die Wahrheit und das Leben" von Martin Leutgeb hat Sonntagnachmittag unter seiner Regie bei den Passionsspielen im Tiroler Erl ihre Premiere gefeiert. Die Neufassung der Passion brachte in drei dutzend Abschnitten biblische und theologische Grundlagen, ließ aber auch viel Raum für freudvolle Feierszenen, fiktive Dialoge sowie die Musik von Christian Kolonovits. Das Premierenpublikum im Passionsspielhaus reagierte darauf mit Stehovationen.

Alles war zuvor ausgiebig in monatelanger Arbeit vorbereitet worden: Über 600 Bewohner der kleinen Gemeinde im Tiroler Unterland waren am kollektiven Kraftakt der Passionsspiele Erl auf oder hinter Bühne beteiligt. Mittendrin statt nur dabei zudem: Der Schauspieler und gebürtige Tiroler Martin Leutgeb, der für die 2025er-Passion den Text komplett neu verfasste und bei den zahlreichen Proben das Regiezepter schwang.

Ihm zur Seite standen zwei weitere Profi-Hochkaräter mit zumindest nationalem Ruf: Der Burgenländer Christian Kolonovits, der die neue Passionsmusik komponierte, sowie Hartmut Schörghofer, welcher das klar strukturierte Bühnenbild verantwortete, das nicht mehr als eine weiße Treppe und eine Art von zersplittertem Berg benötigte. Letzterer war natürlich stark symbolisch aufgeladen: Die fragmentierte Welt lag hier in Trümmern und bedurfte dringend einer christlichen Heilung mit Zug zur Einheit.

Auf ebenjener eigentlichen kargen, aber höchst stimmungsvollen Bühne tummelten sich alsdann unzählige Laiendarsteller, die die aktuelle Leutgeb-Passionsgeschichte - für den Text von 2013 und 2019 zeichnete sich Felix Mitterer verantwortlich - nacherzählten und verkörperten. Bevor es aber hin ging zu den ganz großen Passions-Gesten, viel schauspielerischer Leidenschaft von Nichtprofis mit unterschiedlichsten Qualitäten, hob der Text von Leutgeb aber gewissermaßen bei den absoluten Anfängen an, bei den Grundlagen der Leidensgeschichte Jesu: Dem Johannesevangelium, bei dem bekanntlich "das Wort" am Anfang stand und schließlich Fleisch wurde. Ebenjenes Fleisch - also Jesus - sorgte im Anschluss recht rasch für Aufregung im hohen Rat, der diesen auch in letzter Konsequenz ans Kreuz bringen sollte.

Erler Passion setzte auf Bühnenpräsenz und "filmische" Passionsmusik

Diese wahrlich bestens bekannte Passionsgeschichte, dessen Ende keinerlei Überraschung versprach und auch in der Leutgeb-Fassung nicht mit etwaigen ketzerischen Elementen über den biblischen Rahmen hinausging, funktionierte auch in der neue Erl-Fassung nach wie vor ganz wunderbar und zog einen rasch und dauerhaft in den Bann. Das lag zuerst einmal daran, dass die schiere Präsenz und Überpräsenz der Schauspieler - etwa beim Einzug in Jerusalem - einen schlicht überwältigte.

Dazu kam das von Schörghofer überaus wirksam eingesetzte Lichtdesign, das darüber hinaus noch gekonnt Stimmungsakzente setzte. Ebendas tat auch die Musik das Komponisten Kolonovits, der bereits etwa als Arrangeur für Rainhard Fendrich oder Wolfgang Ambros agieren durfte. Seine Musik funktionierte in Erl wie Filmmusik, speiste sich aus vielfältigen Einflüssen und legte sich zum Teil auch unter die Dialoge, verdrängte diese aber niemals, sondern verstärkte die dort geäußerten Emotionen überaus virtuos.

Stehovationen für pathosfreie, leidenschaftliche Passion

Überhaupt war Emotion bei dieser Passion Trumpf: Leutgeb und Kolonovits ließen die Darstellerinnen und Darsteller ausgiebig tanzen, in ausufernden Feierszenen das Leben feiern oder dann auch abgrundtief trauern. Selbiges galt auch für die Darsteller der Hauptrollen, vor allem Jesus: In Sachen Ausdruck wurde so gut wie alles, was möglich schien in die Waagschale geworfen, ohne dabei in aufgesetztes und allzu gewolltes Pathos abzudriften. Besonders hilfreich war dabei wohl das Zusammenspiel von Bühne, Regie, Text und Musik. All diese Ebenen waren gekennzeichnet von einer großen Klarheit, von einer sehr deutlichen Stoßrichtung. Das lenkte das Engagement der Schauspieler letztlich hin zu einer ehrlichen und überzeugenden Leidenschaft.

Das zahlreich erschienene Publikum reagierte schließlich nach einer - inklusive einer dreißigminütigen Pause - fast vierstündigen Vorstellung jedenfalls weniger erschöpft, denn vollends begeistert und offenbar hellwach. Es gab sowohl für sämtliche Darsteller als auch den Regisseur, den Bühnenbildner und nicht zuletzt für den Komponisten Kolonovits sowie den musikalischen Leiter Anton Pfisterer Standing Ovations. Nach dem Abebben des Applauses blieb man dann gleich stehen, denn die Passionsspiele endeten wie jedes Mal mit dem gemeinsamen Singen von "Großer Gott, wir loben dich".

(Von Markus Stegmayr/APA)

(S E R V I C E: "Der Weg, die Wahrheit und das Leben", Passionsspiel von Martin Leutgeb. Regie: Martin Leutgeb, Musik: Christian Kolonovits, Bühne und Licht: Hartmut Schörghofer, Kostüme: Juliane Herold, Musikalische Leitung: Anton Pfisterer. Mit: Laiendarstellerinnen und Laiendarstellern aus Erl, Chor, Kinderchor und Orchester. Weitere Vorstellungen: 31. Mai, 1., 7., 8., 14., 15., 21., 22., 28., 29. Juni, 5. 6., 12., 13., 19., 20., 26., 27. Juli, 2., 9., 23., 30. August, 6., 7., 13., 14., 20., 21., 27., 28. September., 4. Oktober. https://www.passionsspiele.at/passionsspiele-2025/).

Zusammenfassung
  • Die Passionsspiele Erl feierten am Sonntagnachmittag die Premiere der Neufassung "Der Weg, die Wahrheit und das Leben" von Martin Leutgeb.
  • Über 600 Bewohner der Tiroler Gemeinde Erl wirkten auf und hinter der Bühne an der Produktion mit.
  • Christian Kolonovits komponierte die neue Passionsmusik, die als "filmisch" und emotional verstärkend beschrieben wurde.
  • Die fast vierstündige Vorstellung auf einer symbolisch reduzierten Bühne endete mit Standing Ovations für Darsteller, Regisseur und Team.
  • Weitere Aufführungen sind zwischen 31. Mai und 4. Oktober 2025 im Passionsspielhaus Erl geplant.