Okto-Chef Jungwirth über Förderungen: "Das geht besser"
APA: Sie haben Okto TV vor 20 Jahren gegründet. Haben Sie damals damit gerechnet, dass der Communitysender so lange bestehen wird?
Christian Jungwirth: Es war mir jedenfalls ein Anliegen, dass es ihn länger geben soll. Es gab schon ganz am Anfang im Umfeld Aussagen, Okto werde die ersten drei oder sechs Monate nicht überleben. Die Rahmenbedingungen waren nicht einfach. Privatfernsehen war frisch und die politische Gemengelage nicht optimal. Das war mir aber umso mehr Ansporn.
APA: Haben Sie den Eindruck, Okto ist den Leuten auf der Straße ein Begriff?
Jungwirth: Die Medienmarke hat natürlich Höhen und Tiefen erlebt. Rein quantitativ waren wir zu gewissen Zeiten sicher schon bekannter. Wir hatten aber auch Rückschläge einzustecken. Uns ist nach 17 Jahren unser Hauptfinancier, die Stadt Wien, quasi von einem Tag auf den anderen aus der Finanzierung ausgestiegen. Es war die größte Kraftanstrengung in meiner Karriere, Okto zu retten.
APA: Wie ist das gelungen?
Jungwirth: Wir haben zwei Jahre gebraucht, um uns von dieser massiven Veränderung zu erholen. Wirtschaftlich war sicherlich nicht unbedeutend, dass der Privatrundfunkbereich einiges an Erweiterung der öffentlichen Bundesfinanzierung erfahren hat - sowohl der kommerzielle als auch der nichtkommerzielle Bereich. Nichtsdestotrotz sind wir bei der Förderung mit verhältnismäßig anspruchsvollen Anforderungen - etwa beim Eigenfinanzierungsanteil - konfrontiert. Es ist uns aber sehr gut gelungen, diesen zu steigern. Wir haben uns binnen drei Jahren einen Namen als Auftragsproduktionsstätte für Videos machen und einen erlesenen Kundenkreis akquirieren können. Das hat dazu geführt, dass wir letztlich die Kurve gekratzt haben.
APA: Hat es seit der Einstellung der Förderung in Höhe von jährlich 500.000 Euro jemals wieder Gespräche mit der Stadt Wien gegeben?
Jungwirth: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt überwiegt noch die Genugtuung, dass wir keinen Cent der Stadt Wien brauchen, um zu überleben. Das ist mir sehr viel wert. Auf der anderen Seite: Wenn ich die vollmundigen Aussagen des Bürgermeisters höre, was man nicht alles bei den Medienförderungen machen müsste, weil der Standort so unter Druck geraten ist, dann würde ich sagen: Vielleicht könnte sich die Stadt Wien auch in Zusammenhang mit nichtkommerziellem Rundfunk auf Videoebene etwas überlegen. Auch könnte man bezüglich der Anzeigenfinanzierung für den Boulevardsektor überlegen, ob man mittels einer anderen Kanalisierung der öffentlichen Mittel mehr für den Standort machen könnte, als es gegenwärtig der Fall ist. Wir halten die Hand ausgestreckt.
APA: Am 28. November steht im Wiener WUK die große 20-Jahr-Feier bei freiem Eintritt an. Womit wollen Sie noch Unentschlossene dorthin locken?
Jungwirth: Wir wollten nicht, dass Gründerväter und -mütter im Mittelpunkt stehen und abgefeiert werden. Es war unser Ziel, insbesondere jüngere Zielgruppen anzusprechen, was etwa an den musikalischen Acts erkennbar ist (Anm: unter anderem Edwin + die üblichen Verdächtigen, Donna Savage + Brenk Sinatra sowie Anna Ullrich). Die Marke Okto muss bei jüngeren Personen wieder stärker verankert werden.
Unterrepräsentierte Lebenswelten
APA: Prinzipiell kann jeder mit einer Idee bei Okto auf Sendung gehen. Wie läuft das ab?
Jungwirth: Wir haben die großen Säulen Nicht-Kommerzialität, Vermittlung von Medienkompetenz, Zugangsoffenheit. Uns ist wichtig, inhaltlich komplementär zu programmieren. Wenn jemand ein kommerziell erfolgreiches Format kopieren möchte, ist das von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Wir haben nicht die Ressourcen, beispielsweise eine Spieleshow auf die Beine zu stellen. Und wir sehen auch den Bedarf nicht. Uns sind Faktoren wie Authentizität wichtig. Die Leute sollen Inhalte glaubwürdig aus der Mitte ihres Lebens produzieren. Das kann von Comedy bis hin zu Berichterstattung gehen. Es sollen Lebenswelten sein, die in anderen Medien unterrepräsentiert sind.
APA: Gibt es ein Sendungsformat, das die Okto-Idee besonders gut verkörpert?
Jungwirth: Wir konnten uns in den vergangenen Jahren trotz aller Krisen einen guten Namen im Bereich der inklusiven Produktion machen. Es ist uns sehr wichtig, Leute mit besonderen Bedürfnissen und Behinderungen verstärkt ins Programm zu bringen, aber auch in den Produktionsabläufen mit Personen mit Behinderung zu arbeiten.
Medienförderung im Land: "Das geht besser"
APA: Sie sind auch Vorstandsvorsitzender im Verband Freier Rundfunk Österreich. Der nichtkommerzielle Rundfunkfonds wurde in den vergangenen Jahren mehrfach aufgestockt und ist mittlerweile mit 6,25 Millionen Euro dotiert. Genügt das, um Okto, DorfTV, Radio Orange und Co. zu erhalten?
Jungwirth: In den Gesprächen mit der Politik bin ich sehr stark dazu übergegangen, mich auf die Optimierung bestehender Förderungen zu fokussieren, anstatt mehr Geld zu verlangen. Es ist das Gebot der Stunde, die Mittel sehr gezielt mit dem größten Nutzen für die Gesellschaft einzusetzen. Da orte ich bei der einen oder anderen Fördermaßnahme noch Luft nach oben - etwa beim Fonds zur Förderung der digitalen Transformation. Ich begrüße, dass die Politik in Österreich so ausgeschlafen war, eine Digitalsteuer für die großen Techunternehmen einzuführen, (Anm.: die nun u.a. diesen Fördertopf speist). Dass aber ca. 70 Prozent der Förderleistungen an ca. fünf bis zehn Prozent der größten Medienhäuser im Land gehen, ist nicht sinnvoll. Das geht in die falsche Richtung. Wir haben in Österreich generell ein Problem mit dem Zeitungsboulevard. Das jetzt auch bei durchaus sinnvollen und innovativen Förderansätzen die Medienkonzentration weiter verstärkt wird, anstatt sie zu beseitigen, ist schlecht. Das geht besser.
APA: Medienminister Andreas Babler (SPÖ) hat angekündigt, die Medienförderung auf neue Beine zu stellen. Wie sehen Ihre diesbezüglichen Wünsche aus?
Jungwirth: Wir dürfen nicht Geschäftsmodelle fördern, die vielleicht schon lange abgeschrieben worden wären, wenn sie nicht überproportional mit öffentlichen Anzeigen überschüttet worden wären. Im Sinne der Meinungsvielfalt muss einer möglichst großen Breite an Medien über das gesamte Bundesgebiet hinweg eine Lebenschance gegeben werden. Es braucht eine Umverteilung von oben nach unten.
Mittelfristiger Wechsel
APA: Kommt jemand bei Okto nach, der darauf brennt, das Medienhaus zu führen? Oder dürfen Sie noch 20 weitere Jahre an der Spitze stehen?
Jungwirth: Na hoffentlich nicht! (lacht) Ich möchte mich nicht zu den alten, weißen Männern zählen, die sagen: "Hinter mir die Sintflut und wenn ich untergehe, soll die Organisation mit mir untergehen." Das Community-Fernsehen mit seinem hohen Anspruch an Diversität und Vielfalt würde ein mittelfristiger Wechsel an der Spitze gut anstehen.
(Das Gespräch führte Lukas Wodicka/APA)
Zusammenfassung
- Okto feiert am 28. November sein 20-jähriges Bestehen mit einer großen Party im Wiener WUK bei freiem Eintritt.
- Nach dem Ausstieg der Stadt Wien als Hauptfinanzier und dem Wegfall von jährlich 500.000 Euro Förderung konnte sich Okto wirtschaftlich neu aufstellen und ist nun unabhängig von städtischer Unterstützung.
- Christian Jungwirth kritisiert, dass rund 70 Prozent der österreichischen Medienförderungen an nur fünf bis zehn Prozent der größten Medienhäuser gehen, und fordert eine gerechtere Verteilung zugunsten kleinerer Anbieter.
- Die Förderung des nichtkommerziellen Rundfunks wurde zuletzt auf 6,25 Millionen Euro erhöht, doch Jungwirth sieht Verbesserungsbedarf bei der gezielten Mittelvergabe, insbesondere für innovative und vielfältige Medienprojekte.
- Okto setzt weiterhin auf authentische, inklusive Formate und möchte mit der Jubiläumsfeier besonders jüngere Zielgruppen ansprechen, um die Marke bei ihnen wieder zu verankern.
