Österreichischer Buchpreis geht an Dimitré Dinev
"Zeit der Mutigen", erschienen im Verlag Kein & Aber, ist ein Opus magnum über Gewalt und Unterdrückung, Liebe und Magie, Tod und Leben, das zeitlich mehrere Generationen und geografisch Österreich mit Bulgarien und stilistisch historische Fakten mit sprachlicher Meisterschaft verbindet. Der verschlungene Roman ist auch ein zeithistorisches Aufklärungsbuch, ein Stasi-Roman, der Bericht über eine bleierne Zeit, die ganze Generationen deformiert hat. Für die Jury ist das Buch "ein Kraftakt, ein 'totaler Roman', der an die großen Erzähler des 20. Jahrhunderts erinnert, aber eindeutig im 21. Jahrhundert beheimatet ist und in einer Reihe mit Roberto Bolaños '2666' oder Hilary Mantels Wolf Hall-Trilogie stehen kann. Ein humanistisches Monument von einem Buch, das größer ist als Österreich, und das zeigt: Die Zeit der Mutigen ist noch lange nicht vorbei."
Dinevs Reaktion begann mit einem Luftsprung und endete im Kampf mit Tränen. Mit einem wahren Freuden-Hechter enterte er die Bühne und meinte zunächst: "Alles, was ich zu sagen habe, sage ich in diesem Buch." Etwas länger wurde seine Dankesrede doch. "Es gibt keinen Preis der Welt, der ein Buch besser machen kann. Aber er kann mein Leben leichter machen." Zu jenen, denen er zuvorderst danken wollte, zählten seine Frau, die ihm während der 13-jährigen Arbeit an dem Buch, den Rücken freigehalten hatte, sowie seine Lektorin und sein Verleger. Es brauche sehr viel Mut, sich auf so ein Abenteuer einzulassen, versicherte Dinev.
Nominiert waren weiters Monika Helfers 750-seitige, unter dem Titel "Wie die Welt weiterging" erschienene Sammlung von 365 "Geschichten für jeden Tag" des Jahres, der New York Roman "Auflösungen." von Marlene Streeruwitz, der Roman "Die letzten Tage", in dem Martin Prinz anhand von Volksgerichtakten das NS-Mordregime im Semmeringgebiet im April 1945 rekonstruiert hat, sowie der Gedichtband "Kiki Beach" von Verena Stauffer.
"Miriam Unterthiners Theatertext 'Blutbrot' nimmt sich eines Kapitels der Südtiroler Nachkriegsgeschichte an, das bislang kaum literarisch bearbeitet wurde: der Fluchthilfe für NS-Verbrecher über den Brennerpass. Figuren wie Eichmann oder Mengele passierten auf ihrem Weg nach Italien und weiter nach Südamerika eine Region, die heute gerne als idyllische Landschaft inszeniert wird und deren Mitverstrickung lange verdrängt blieb. Unterthiner begegnet diesem schwierigen Stoff nicht mit dokumentarischem Realismus, sondern mit großer poetischer Wut und Wucht", rühmte die Jury die Debütpreis-Siegerin und ihren in der edition laurin erschienenen Text, dessen Uraufführung im September im Theater Aachen stattfand und dessen Österreichische Erstaufführung vor wenigen Wochen Tomas Schweigen im Wiener Theater am Werk inszenierte.
"Texte Schreiben ist Mannschaftssport - in diesem Fall war es eine Frauschaft", sagte Unterthiner in ihren Dankesworten. "Der Preis ist für mich die Möglichkeit, weiterzuschreiben. Das ist nicht selbstverständlich." Für den Debütpreis waren außerdem Anna Maschiks "Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten" und Michèle Yves Pautys "Familienkörper" nominiert.
Durch den Abend führten Dorothee Hartinger und Philipp Hauß mit den Studierenden des zweiten Jahrgangs Schauspiel der Musik und Kunst Privatuniversität Wien. Die musikalische Umrahmung erfolgte durch das Ensemble Ohrenklang, einer integrativen Musikgruppe der mdw - Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Im Vorjahr ging der Österreichische Buchpreis an Reinhard Kaiser-Mühlecker für seinen Roman "Brennende Felder", der Debütpreis an Frieda Paris für ihr Langgedicht "Nachwasser".
(S E R V I C E - https://oesterreichischer-buchpreis.at)
Zusammenfassung
- Dimitré Dinev wurde für seinen 1.150 Seiten starken Roman 'Zeit der Mutigen' mit dem mit 20.000 Euro dotierten Österreichischen Buchpreis 2025 ausgezeichnet.
- Der Debütpreis in Höhe von 10.000 Euro ging an Miriam Unterthiner für ihr Stück 'Blutbrot', das die kaum literarisch behandelte Fluchthilfe für NS-Verbrecher thematisiert.
- Dinev arbeitete 13 Jahre an seinem Werk, das von der Jury als 'Kraftakt' und 'humanistisches Monument' gewürdigt wurde und mit Werken von Bolaño und Mantel verglichen wird.
