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Neues Volkstheater Wien bringt "stilistische Breite"

Heute, 09:39 · Lesedauer 5 min

18 Premieren, 14 neue Ensemblemitglieder und ein neues Logo: Am Montag hat der neue Volkstheaterdirektor Jan Philipp Gloger die Pläne für seine im Herbst startende erste Saison präsentiert, die er am 12. September unter dem Titel "Ich möchte zur Milchstraße wandern" in eigener Regie mit drei Stücken von Jura Soyfer eröffnet. Prominente Neuzugänge im Ensemble sind Johanna Wokalek und Sebastian Rudolph, in Wien bleiben u.a. Nick Romeo Reimann, Claudia Sabitzer und Anna Rieser.

"Uns geht es um die Gemeinschaft der Unterschiedlichen", erläuterte Gloger sein Bestreben, angesichts gesellschaftlicher Zerreißproben die unterschiedlichsten Menschen in der Stadt zu erreichen und zusammenzubringen. Dies soll nicht nur mithilfe des bunten Spielplans gelingen, sondern auch mit einer Aufwertung des Programms in den Bezirken sowie der Öffnung der Roten Bar für Communities von der Strickrunde bis zum Fußballclub. Mit "Jung & laut" wird ein eigener Jugendbeirat geschaffen, das neue "Volkstheater Kollektiv" bietet Theater zum Mitmachen für alle ab 13 Jahren. Ein eigenes Schulnetzwerk soll Theater künftig zum Teil des Schulalltags machen.

"Ich stehe für stilistische Breite", so der Neo-Direktor in Hinblick auf sein erstes Programm, in dem auch das Lachen nicht zu kurz kommen soll. Nachsatz: "Aber keine Angst, wir werden kein Komödienstadl." Lachen könne schließlich auch politisch und satirisch sein "und uns im Hals stecken bleiben". "Nur Komödie, keine Politik" werde es hingegen mit der österreichischen Erstaufführung von "Komödie mit Banküberfall" von Henry Lewis, Jonathan Sayer und Henry Shields geben, die Christian Brey am 17. Oktober zur Premiere bringt. "Ich bin stolz, dass wir ein Ensemble haben, das Komödie auch spielen KANN", so Gloger.

Rieke Süßkow wird Hausregisseurin

Stolz zeigte er sich auch, dem Hamburger Thalia Theater die deutschsprachige Erstaufführung von "The Boys are Kissing" von Zak Zarafshan "abgejagt" zu haben - "eine queere Version von Yasmina Rezas 'Gott des Gemetzels'" (Premiere am 25. September). Ein "herausforderndes Projekt" hat man laut dem Dramaturgen Tobias Schuster mit einer Koproduktion mit dem Zankovetska Nationaltheater Lviv geplant, in dem Regisseur Jan-Christoph Gockel sich auf die biografischen Spuren Joseph Roths begibt, der aus dem ukrainischen Brody in Ostgalizien stammte "und seine eigene Biografie immer wieder neu geschrieben - heute würde man sagen gefaked - hat". "Ukrainomania" feiert am 15. Jänner 2026 Premiere.

Als Hausregisseurin wurde Rieke Süßkow engagiert, deren "ganz eigenwilligen ästhetischen Welten" Gloger lobte. Sie wird nicht nur Horváths "Geschichten aus dem Wiener Wald" (ab 12. Dezember) mit dem gleichnamigen Walzer von Johann Strauss verweben und dabei "die brutale Übergriffigkeit gegenüber Frauen wieder auf der Bühne zeigen", sondern auch "Das Wiener Volksohr" durch die Stadt schicken, das ein Jahr lang Geschichten aus der Bevölkerung sammeln soll. Die Dunkelkammer wird als "Ort des Experiments und der intimen Begegnungen zwischen Publikum und Ensemble" beibehalten und am 13. September mit "Pseudorama" von DARUM in Kooperation mit der Rechercheplattform "Dossier" eröffnet, in den Bezirken legt auch der künftige Hausherr selbst Hand an und inszeniert im Februar das Ehedrama "State of the Union".

Neue Namen im Regiesessel

Auffallend im ersten Programm sind vor allem neue Namen im Regiesessel: So steht etwa die Dramatisierung von Michael Hanekes Film "Caché" in der Regie der deutschen Regisseurin Felicitas Brucker am Eröffnungswochenende auf dem Programm, ihre Landsfrau Johanna Wehner inszeniert im Oktober die "Traumnovelle" nach Arthur Schnitzler, Milena Mönch bringt den Roman "Halbe Leben" von Susanne Gregor in den Bezirken auf die Bühne. Mit "Die total verjüngte Oma" von Christine Nöstlinger gibt es ein Familienstück im Haupthaus (Regie: Fanny Brunner). Den Abschluss der ersten Saison bietet im Mai eine Koproduktion mit den Wiener Festwochen, wo Mattias Andersson seine Kollektiverzählung "Mythen des Alltags" präsentiert.

Das 20-köpfige Ensemble weise nicht nur Menschen mit "Migrationsspuren in ihrer Familiengeschichte" (30 Prozent) auf, sondern versammelt auch elf Menschen, "die in dieser Stadt gelebt haben oder hier leben", so Gloger. Aus dem Schauspielhaus Wien hat man Sissi Reich abgeworben, aus dem Theater in der Josefstadt wechselt Paula Nocker ans Haus. Fünf Personen hat Gloger aus Nürnberg mitgebracht, neun weitere Schauspielerinnen und Schauspieler "haben wir aus verschiedenen Kontexten zusammengesammelt", scherzte Gloger. "Sie werden diese Menschen über die Jahre kennenlernen und die Chance haben, sich in sie zu verlieben."

Neuer Komödienwettbewerb und Audiowalk zu Obdachlosigkeit

Mit dem mit 30.000 Euro dotierten biennalen "Jura Soyfer Preis" ruft Gloger einen Komödienwettbewerb ins Leben, mit "Stadt ohne Dach" setzt man im Frühjahr 2026 auf einen Live-Audiowalk zum Thema Obdachlosigkeit in den Bezirken. Besonders hob Gloger das neue Corporate Design mit "freshen Farben" (in neon-grün und pink) hervor: "Das Logo spiegelt das Zentralste, worum es uns geht: das Wort Volkstheater wieder auszuschreiben, es nicht abzukürzen. Denn wir reden von einem Volkstheater, wo das Theater das Volk umspielt, sich unter das Volk mischt und es auch umkreist."

Die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) gab zu bedenken, dass das Volkstheater "in den letzten fünf Jahren - wie auch wir als Gesellschaft - einiges mitgemacht hat", Voges' Intendanz habe mitten in der Corona-Pandemie im sanierten Haus begonnen. "Der schlechteste Zeitpunkt, um etwas Neues in eine Stadt zu setzen", so die Stadträtin. Dennoch habe Voges das Volkstheater "in dieser relativ kurzen Zeit wieder auf die internationale Theaterlandkarte gesetzt", streute sie Glogers Vorgänger Rosen. Gloger habe sie als teamorientierten, sehr guten Theaterleiter kennengelernt, sein Antreten bezeichnete sie als "beglückendes Ereignis".

(S E R V I C E - www.volkstheater.at)

Zusammenfassung
  • Der neue Volkstheaterdirektor Jan Philipp Gloger präsentierte 18 Premieren, 14 neue Ensemblemitglieder und ein neues Logo für seine erste Saison ab Herbst.
  • Die Saison startet am 12. September mit drei Jura Soyfer-Stücken unter dem Motto "Ich möchte zur Milchstraße wandern" und setzt auf stilistische Breite.
  • Mit dem biennalen "Jura Soyfer Preis" wird ein neuer Komödienwettbewerb ins Leben gerufen, der mit 30.000 Euro dotiert ist.
  • Rieke Süßkow wird Hausregisseurin und bringt unter anderem Horváths "Geschichten aus dem Wiener Wald" ab 12. Dezember auf die Bühne.
  • Das Ensemble besteht aus 20 Personen, davon haben 30 Prozent Migrationshintergrund und 11 leben oder lebten in Wien.