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Musiker Matthias Reim und die Sehnsucht nach ein bisschen Normalität

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Matthias Reim will wieder raus. Der Blick aus den Fenstern seines Hauses auf die Bodensee-Region sei ja schön, sagt der 64-Jährige. Aber im Winter sei die Aussicht in Stockach oft ziemlich trüb. "Ich habe die Konzerte in der Zeit zwischen den Jahren immer so geliebt. Dadurch wurde die Zeit, die ich eigentlich nicht besonders mag, immer zu etwas Wunderschönem", sagt Reim. "Das ist jetzt alles weg. Ich werde jetzt noch einige Wochen in den grauen, blöden Winterhimmel gucken."

Dabei hat der Schlagersänger ("Verdammt, ich lieb' Dich") die Corona-Zwangspause intensiv genutzt, wie er sagt. "Ich habe ein Haus gekauft und habe da zwei Studios reingebaut." Monatelang habe er mit seiner Band geprobt und immer wieder an den Liedern für das neue, am heutigen Freitag erscheinende Album gefeilt. "Ich wusste, ich habe wirklich Zeit - und das tat meinem Album wirklich gut."

"Matthias" heißt das neue Werk - und steht damit in der Ideen-Tradition vergangener Albumtitel wie "Reim", "Reim 2", "Reim 3" und "MR20". Es gehe bei der Namenswahl auch um Kontinuität, erklärt der Sänger: "Ich muss die Menschen an die Hand nehmen und sagen: Hier, es ist euer alter Matthias, aber ihr werdet wieder Überraschungen erleben - Sachen, mit denen ihr nicht rechnet."

Neben klassischen Partyschlager-Singles wie "4 Uhr 30" oder "Blaulicht" finden sich auf dem Album auch Lieder, die herausstechen. Mandolinen, Akkordeon und Flöten bringen zum Beispiel Anklänge von irischem Folkrock in "Reise um die Welt" - ein Werk, das es laut Reim ohne Corona so nicht gegeben hätte. "In der Zeit, wo das Reisen verboten war, ist der Song entstanden. Man spricht drüber, man stellt fest, dass man ein unglaubliches Privileg gelebt hat." Das sonst selbstverständliche Reisen sei wieder zum Traum geworden.

Aus der typischen Reim-Schlagerreihe fällt auch "Kindertraum", das als Ballade mit Klavier und Streichern beginnt und mit einem überbordenden E-Gitarren-Solo endet. "Da erzähle ich eine wahre Geschichte, dass ich eigentlich immer noch denke und fühle wie ein Kind", sagt Reim. "Das ist eigentlich mein gelungenstes Werk auf diesem Album - für mich, von meiner Art Storytelling."

Matthias Reim kann sich solche Freiheiten nehmen, weil er nach mehr als 30 Jahren Musikerkarriere weiß, was er kann, was nicht, und was seine Fans von ihm erwarten. Inzwischen könne er Shows spielen, "entertainen" - und singen, sagt Reim und lacht. "Wenn ich mir die Sachen von damals heute anhöre, denke ich mir, das würdest Du heute so anders machen."

Eine solche Entwicklung sei wichtig. "Wenn ich in 30 Jahren nichts gelernt hätte, das wäre ja fatal." Bis dahin war es aber ein langer Weg. Vor seinem plötzlichen Durchbruch habe er eigentlich schon damit gerechnet, als Produzent und Studiobesitzer zu arbeiten, sagt Reim. Dann kam "Verdammt, ich lieb' Dich", es folgten 16 Wochen Platz eins der deutschen Charts, Ruhm und Erfolg - und später der langsame Abstieg, der in einer Insolvenz mündete.

An den Erfolg seines Megahits konnte Reim zwar auch danach nicht mehr anknüpfen, seine Alben landeten zuletzt aber zuverlässig auf vorderen Plätzen der deutschen Charts. Und von seinem "Glückstreffer" im Jahr 1990 zehrt der Schlagersänger noch heute: "Verdammt, ich lieb' Dich" beendet traditionell jeden seiner Auftritte. "Da weiß ich auch: Wenn die Stimmung vorher nicht richtig aufkommt, kriege ich da alle bis in die letzte Reihe", sagt Reim stolz. "Ich stehe dann immer da und denke mir: Das habe ich mir verdient."

Diese Bühnengefühle kamen aber gerade in der Coronapandemie viel zu kurz. Auftritte seien sein "Lebenselixier", betont Reim. "Wenn Du diesen Beruf hast, brauchst und liebst Du dieses Gefühl - und das kriegst Du nicht mehr." Nach einigen Absagen freue er sich nun auf den Beginn seiner Tour mit mehreren Open-Air-Auftritten im Juni.

Bis dahin sei es aber wichtig, dass sich möglichst viele Menschen gegen Corona impfen lassen, betont Reim. "Ich glaube, das ist der einzige Weg, um aus diesem Desaster rauszukommen." Die Entscheidung für eine Impfung sei eine der "Solidarität und Nächstenliebe".

Die Zeit bis zum Start der Tour will Reim wieder nutzen - allerdings weniger für sich selbst als für seine Familie. Seine Frau, Schlagersängerin Christin Stark, arbeitet an einem neuen Album. Reim hilft beim Schreiben und Produzieren. Auch Sohn Julian strebt eine Schlager-Karriere an - mit Unterstützung des berühmten Vaters.

Gerade jetzt seien Auftritte für die beiden ungeheuer wichtig, sagt Matthias Reim. Aber nicht nur deswegen will er unbedingt mal wieder raus aus seinem Haus mit den großen Fenstern. "Jetzt, da ich mit der Produktion fertig bin, macht mich das schon sehr glücklich, und ich bin sehr zufrieden mit dem neuen Album", sagt er. Aber er frage sich dann eben auch schnell, was als Nächstes dran sei.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Blick aus den Fenstern seines Hauses auf die Bodensee-Region sei ja schön, sagt der 64-Jährige.
  • Aber im Winter sei die Aussicht in Stockach oft ziemlich trüb.
  • "Matthias" heißt das neue Werk - und steht damit in der Ideen-Tradition vergangener Albumtitel wie "Reim", "Reim 2", "Reim 3" und "MR20".
  • "Das ist eigentlich mein gelungenstes Werk auf diesem Album - für mich, von meiner Art Storytelling."
  • Auftritte seien sein "Lebenselixier", betont Reim.

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