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Morgen Präsentation: "Das wunderbare Leben" von Peter Rosei

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Was soll man davon halten, wenn ein Autor eine Autobiografie schreibt und sie im Untertitel als "Wahrheit und Dichtung" bezeichnet? Wie sehr es Peter Rosei in "Das wunderbare Leben" im Detail mit der faktischen Wahrheit hält, ist schwer zu beurteilen. Die Eckdaten stimmen jedenfalls, und wenn der Autor morgen, Donnerstag, im Kasino am Schwarzenbergplatz gemeinsam mit Norman Hacker und Sophie von Kessel daraus liest, sind sachdienliche Hinweise zum fiktiven Anteil möglich.

"Das wunderbare Leben" - das klingt nach Glück und Zufriedenheit. Tatsächlich könnte es so einfach sein. Für den Ausruf "Wie schön ist es doch auf der Welt! Wie wunderbar ist das Leben!" genügt schon eine von der Großmutter den Enkerln zur Belohnung gekaufte frische, knusprige Semmel. Doch es ist selten einfach. In der Kindheit nicht, von der Rosei, 1946 mitten ins Nachkriegs-Wien geboren, zunächst ausführlich berichtet, und später schon gar nicht. Da gleicht das Leben oft einem Schlingern und Ringen - weniger ums Überleben, als um den Weg der eigenen Berufung zu finden und trotz zahlloser Ablenkungsmöglichkeiten auf Kurs zu bleiben.

Über weite Strecken erzählt Roseis Buch von Künstlerdramen, vom Leben der Wiener Bohème der 70er-Jahre, vom Ausbruch aus der Kleinbürgerlichkeit der Eltern- und Großeltern-Generation. Peter Rosei zeichnet das Selbstporträt eines jungen Mannes, dessen gefälliges Äußeres und zurückhaltendes Wesen für Angehörige beider Geschlechter anziehend wirkte, eines Frauenhelden fast ohne eigenes Zutun, eines fragilen Wesens, der von den Stürmen des Lebens zwar zerzaust, aber nicht umgeworfen wurde. Er beschreibt Begegnungen, Episoden und Miniatur-Tragödien mit großer Intensität, lässt aber Protagonisten seines Lebenswegs in der Nacherzählung erstaunlich leicht wieder zurück.

Seine Zeit als Sekretär des Malers Ernst Fuchs wirkt wie der Plot für einen Hollywood-Film. Innerhalb weniger Jahre gelingt dem Phantastischen Realisten, der anfangs mit der ganzen Familie in einem kleinen Atelier haust, der Aufstieg zum weltweit gefragten Starkünstler mit Villa, Luxuswohnungen, einer Flotte von teuren Autos und Sommersitz. Er habe keinen Anteil an dieser Karriere, schreibt Rosei nüchtern, er sei eben einfach mitten drinnen gewesen. Doch der Sekretär verdiente gut - Geld war für den jungen Menschen, der sein Jus-Studium partout nicht in einen traditionellen Broterwerb ummünzen wollte, plötzlich kein Thema mehr. Wenigstens vorübergehend. Später wendete sich das Blatt.

Nicht die Kunst, nicht das Recht, sondern die Literatur wird Roseis Lebensthema. Und bald taucht in "Das wunderbare Leben" eine zweite prominente Figur auf: Der Dichter H.C. Artmann wird zum engen Freund und Gesprächspartner. Im Wiener Schmäh, in "Lust und Fähigkeit, ohne großen Aufwand sich in den unwahrscheinlichsten Kapriolen und Phantastereien zu ergehen" fanden die beiden ihre Gemeinsamkeiten, "alles kombiniert mit einer Hemdsärmeligkeit, die sich um nichts viel scherte, und, ja, das gehörte auch dazu, einem lässigen, heutzutage höchst unzeitgemäßen Machismo".

Peter Roseis eigene literarische Karriere kommt in Schwung, er selbst jedoch fühlt sich künstlerisch wie politisch durchaus nicht eins mit Artmann und outet sich in dem Buch als zeitweiser RAF-Sympathisant, dessen Manuskript zu einem Roman "Zeit, zu handeln" vom Lektor (und späteren Verlagschef) Jochen Jung als politisch gefährlich beurteilt und daher nicht veröffentlicht wurde. "Wäre einer/eine gekommen und hätte mich rekrutiert, ich wäre wohl mitgegangen." Doch eigentlich fühlen sich die beiden als "Individualanarchisten austriazistischer Prägung", und der von größeren Quantitäten an Chuzpe und Alkohol beförderte Individualanarchismus, dessen Episoden viele Buchseiten füllen, bringt die beiden schließlich auch wieder auseinander.

"Mein Leben war ein Streben nach Einsichten, von Rückschlägen und wiederkehrenden Krisen geprägt. Die Einsichten ließ ich jeweils rasch hinter mir, aus den Krisen wollte ich nichts lernen, konnte es wohl auch nicht", schreibt Rosei. "Auffällig, dass es im Lauf meines Lebens so gut wie nie zu einem Versuch kam, dieses Leben zu deuten. Sollte ich mich denn selbst ins Auge gefasst haben, so doch nur im Umweg über das Werk." Doch gerade darüber erzählt dieses Buch erstaunlich wenig. Über Roseis Schreiben, seine vielen Bücher und seine Poetik erfährt man kaum etwas. Dafür gibt es gegen Ende von "Das wunderbare Leben" Betrachtungen über den Tod - und eine lange Liebeserklärung an den Sohn.

"Das Leben ist ein Labyrinth, ein Bau mit vielen Stockwerken", lautet am Ende von "Das wunderbare Leben" Roseis Resümee. Er habe den Bauplan nicht präzise nachzeichnen, sondern das Konstrukt durch seine fragmentarische, von Lücken, Fragezeichen und Parabeln durchzogene Erzählweise mehr in seinem Wesen erfassen wollen. Herausgekommen ist ein Gebäude, mehr von runden Bögen als von schroffen Ecken gekennzeichnet, mehr Hundertwasser als Bauhaus. Nicht einschüchternd und abweisend. Sondern anziehend und geheimnisvoll. Wunderlich und wunderbar.

(S E R V I C E - Peter Rosei: "Das wunderbare Leben. Wahrheit und Dichtung", Residenz Verlag, 224 Seiten, 25 Euro, Buchpräsentation am Donnerstag, 13. April, 20 Uhr, im Kasino am Schwarzenbergplatz, Wien 1, Schwarzenbergplatz 1. Es lesen Norman Hacker, Sophie von Kessel und Peter Rosei)

ribbon Zusammenfassung
  • Wie sehr es Peter Rosei in "Das wunderbare Leben" im Detail mit der faktischen Wahrheit hält, ist schwer zu beurteilen.
  • Die Eckdaten stimmen jedenfalls, und wenn der Autor morgen, Donnerstag, im Kasino am Schwarzenbergplatz gemeinsam mit Norman Hacker und Sophie von Kessel daraus liest, sind sachdienliche Hinweise zum fiktiven Anteil möglich.
  • Doch es ist selten einfach.
  • Nicht die Kunst, nicht das Recht, sondern die Literatur wird Roseis Lebensthema.

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