APA/APA/ImPulsTanz/Marie Chouinard

"Magnificat & BodyremixRemix" provozieren bei ImPulsTanz

03. Aug. 2025 · Lesedauer 4 min

Wer sich auf Choreografien zu Johann Sebastian Bach einstellt, wird von Marie Chouinards zweiteiligem Abend "Magnificat html5-dom-document-internal-entity1-amp-end BodyremixRemix" sicherlich überrascht, mitunter ein wenig verstört. Die kanadische Künstlerin und ihre zwölfköpfige Compagnie verbinden im Rahmen von ImPulsTanz Provokation und Anmut. Bei der österreichischen Erstaufführung am Samstagabend im Volkstheater erweiterten die Tanzenden neben Körper und Geist wohl auch den Horizont von so manchem Zuseher.

Die Musik setzt ein, ehe das Ensemble zu sehen ist. Ein Lichtkegel tastet die leere Bühne ab. Silhouetten erscheinen vor einem blauen Hintergrund, versammeln sich zu Aufwärmübungen und Dehnungen. Fast wirkt die Szene wie eine Probe. Die eigentliche Performance scheint erst zu starten, als das gelbliche Licht die Körper aus dem Dunkel befreit: Eine heterogene Compagnie in hautfarbenen Slips, oberkörperfrei und mit Kopfbedeckungen, die an Heiligenscheine erinnert, tanzt zunächst "Magnificat" zum gleichnamigen Werk von Bach.

Auf Latein gesungen, für Chor, fünf Solostimmen und Orchester, verleiht Bachs Musik dem Werk der vielfach ausgezeichneten Kanadierin eine sakrale Atmosphäre. Das Stück besteht aus einer Aneinanderreihung von Soli, Duetten, Trios und Gruppensequenzen - allesamt ausdrucksstark und durchaus kontrastreich. Aus kollektiv getanzten Szenen brechen einzelne Performende aus - ein Akt der Befreiung, ehe sich das Ensemble zerstreut und wirres Durcheinander auf der Bühne herrscht: Drehungen, Sprünge, Krümmungen, die an ein Aufatmen erinnern. Zarte Bewegungen der Hand- und Fußgelenke lassen den Tanz filigran wirken. Doch auch rhythmische Schritte und kraftvolle Gesten sind Teil der Performance.

Es wird gelaufen, abrupt angehalten, der Blick in die Ferne gerichtet. Beinahe wirkt es, als befänden sich die Tanzenden im Dialog mit etwas Unsichtbarem, etwas Spirituellem. Als Zuschauer möchte man diesem Blick folgen und finden, was die Körper auf der Bühne bewegt, ihren Geist zu erweitern scheint. Doch die Blicke führen zumeist in den Zuschauerraum. Sind wir es, die einander bewegen, befreien?

Remix des Remix'

Eine Variation der Anfangsszenen führt das rund dreißigminütige Stück zu einem harmonischen Ende, ehe nach einer Pause Chouinards vierzigminütiger "BodyremixRemix" folgt. Er ist die gekürzte Neufassung ihres Werks "bODY_rEMIX/gOLDBERG_vARIATIONS" aus 2005 - damals wie heute zu Bachs Goldberg-Variationen.

Als sakral lässt sich der zweite Teil der Performance nicht mehr beschreiben. "BodyremixRemix" changiert zwischen Absurdität und Bedrohlichkeit, zwischen Provokation und Grazie. Der Fokus liegt auf Körpererweiterungen wie Krücken, Gehgestellen und Spitzenschuhen. Mal schränken sie die Bewegungen ein, mal ermöglichen sie diese erst. Teil der akustischen Landschaft werden das Quietschen von Rollbrettern und das Klopfen der Krücken. Ebenso auch eine verzerrte, tiefe Stimme, die zwischen Bach-Sequenzen kaum verständliche Monologe hält. Sie vermittelt etwas Bedrohliches, Dämonisches, plötzlich wirken die Körper wie besessen, ehe sie mit Drehungen zu barocker Musik wieder Eleganz vermitteln.

Ein absurdes Wechselspiel, das dem Premierenpublikum ab und an ein Lachen entlockte. Denn die Körpererweiterungen werden kreativ zweckentfremdet: Spitzenschuhe an den Händen, Tüllrock am Kopf, zwei Körper mit Gurten verbunden. Krücken an der Stirn und im Mund mögen für manche unangenehm anzusehen sein. Und doch ist es fast schon ein Ausdruck der Zärtlichkeit, wenn zwei Tänzerinnen die Enden ihrer in den Mündern befindlichen Krücken sanft zusammenführen.

Chouinard und ihrer Compagnie gelingt es auch in "BodyremixRemix", die Spannung bis zum Ende zu steigern, das Publikum mit Unerwartetem zu überraschen - auch zu schockieren. Nach neunzig Minuten der materiellen und geistigen Erweiterung wird eine Darstellerin an einem Seil emporgehoben und zum Fliegen gebracht, womit sie letztlich gänzlich über ihren Körper hinauswachsen darf.

(Von Selina Teichmann/APA)

(S E R V I C E - "Magnificat & BodyremixRemix" im Rahmen des ImPulsTanz-Festivals im Wiener Volkstheater. Choreografie: Marie Chouinard. Performance: Michael Baboolal, Adrian W.S. Batt, Paige Culley, Valeria Galluccio, Luigi Luna, Rose Gagnol, Carol Prieur, Celeste Robbins, Clémentine Schindler, Jérôme Zerges, Justin Calvadores, Ana Van Tendeloo und Sophie Qin. Weitere Termine: 3. und 4. August um 21.00 Uhr, https://www.impulstanz.com)

Zusammenfassung
  • Marie Chouinard und ihre zwölfköpfige Compagnie präsentierten am Samstagabend im Wiener Volkstheater den zweiteiligen Tanzabend "Magnificat & BodyremixRemix" im Rahmen von ImPulsTanz.
  • Die rund 90-minütige Aufführung überraschte und schockierte das Publikum und wird am 3. und 4. August um 21 Uhr erneut gezeigt.