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Linzer Kyiv Biennale zeigt verwundete ukrainische Landschaft

Heute, 13:44 · Lesedauer 4 min

Mit einer Ausstellung im Lentos Kunstmuseum Linz und einer Ergänzung im benachbarten Kunstraum Memphis eröffnet am Dienstagabend der Österreich-Part der auch 2025 dezentral veranstalteten Kyiv Biennale: In "Vertical Horizon" ("Vertikaler Horizont") und "Hollow Earth" ("Hohle Erde") reflektieren vor allem ukrainische Künstlerinnen und Künstler der jüngeren Generation über stark kriegsbedingte Befindlichkeiten in ihrer Heimat.

Erde und Landschaft seien für die Ukraine als agrarisches Land stets von besonderer Bedeutung gewesen und dieses Thema sei gerade seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine äußerst relevant geworden, erklärte der ukrainische Co-Kurator Serge Klymko. Er verantwortet die Schau im Lentos gemeinsam mit seiner österreichischen Kollegin Sarah Jones.

"Wir wollten die Beziehung zur Landschaft während des Kriegs und wie sich die Wahrnehmung einer horizontalen Landschaft in Richtung von etwas Hybriderem bewegt, zeigen und es zu einer durch technologiebedingte Verschiebung des Blicks vom Horizontalem zum Vertikalen kommt", erläuterte Klymko. In früheren Kriegen hätten Armeen sich auf der Ebene und etwa mit Panzern bekämpft. Heute funktioniere dies aber nicht mehr, da durch den Einsatz von Drohnen auf der Oberfläche alles sichtbar und verwundbar sei, erläuterte er den Hintergrund der letzten diesjährigen Station der Biennale. Vor Linz waren bereits Biennale-Ausstellungen im Museum für Moderne Kunst in Warschau, dem M HKA in Antwerpen, dem Dnipro Center for Contemporary Culture sowie dem Dowschenko Zentrum in Kiew eröffnet worden.

Obwohl Landschaften die Ausstellung dominieren, bleibt Landschaftsmalerei die große Ausnahme: Lediglich Kateryna Alijnyk porträtiert in einem Acrylgemälde eine Landschaft als bühnenartiges Stillleben und verweist damit auch auf Erinnerungen an ihre ostukrainische Heimatregion Luhansk, die sie als Teenager angesichts der russischen Machtübernahme von 2014/2015 seinerzeit verlassen hatte. Auch Olja Fedorova erinnert sich: In großformatigen Zeichnungen aus dem Jahr 2022 verweist sie auf potenziell vermintes Erdreich sowie den Himmel über Charkiw, wo Blackouts nicht nur den Sternenhimmel, sondern auch anfliegende Drohnen besser sichtbar machen.

Todbringende Geranien

Was von ukrainischen Landschaften nach einem Krieg zurückbleiben kann, verdeutlichen schließlich Sergej Bratkow und Darija Kolzowa. Der vor allem als Fotograf bekannte Bratkow, der einzige Ausstellungsteilnehmer der älteren Generation, schuf eine Skulptur aus verbranntem Acrylschaum, seine Kollegin zeigt großformatige Sonnenblumen aus pechschwarzem Glas. Auf sehr poetische Weise bezieht sich schließlich Elena Kristofor auf die Tatsache, dass Geranie nicht nur eine Blume ist, sondern auch Bezeichnung eines todbringenden russischen Drohnenmodels: Die Künstlerin zerstampfte rote Geranienblüten auf einer Leinwand, die derart zu einer verwundeten Oberfläche avancierte, zusätzlich ließ sie mit künstlerischer Intelligenz Kitschgedichte über eine vielleicht doch nicht so harmlose Zierpflanze schreiben.

Eine spezifische Verwundung der Landschaft wird schließlich auch in zwei weiteren Arbeiten thematisiert. Der selbst als Drohnenoperator eingerückte Ihor Okunijew fotografierte jene Schützengräben, in denen erst sich vor gegnerischen Angriffen nunmehr verstecken muss. Und das rumänische Künstlerpaar Anca Benera und Arnold Erstéfan lässt in "Proben für den Frieden" eine folkloristische rumänische Sagenfigur auch durch Schützengräben ziehen, die sich in einem von der NATO verwendeten Militärübungsgebiet befinden.

Ergänzende Schau mit "Grauer Erde"

Indizien dafür, dass es bald zu einem Frieden kommen könnte, liefert "Vertikaler Horizont" im Lentos freilich keine. Und auch "Hollow Earth" in den Ausstellungsräumen der benachbarten Linzer Kultureinrichtung Memphis gibt wenig Anlass zur Hoffnung. Neben bekannten ukrainischen Künstlerinnen und Künstlern der mittleren Generation, Lada Nakonetschna mit Körperteilskulpturen und Anatolij Below mit Zeichnungen, dominiert hier insbesondere der Trickfilm "Grey Earth" ("Graue Erde") von Dana Kawelina. Dieses Werk zum traurigen Frontalltag auf verbrannter Erde war im September bereits in erster Fassung im steirischen herbst zu sehen gewesen, wurde anschließend in einer ergänzten Fassung in Warschau gezeigt und wird nunmehr in einer fast vollendeten Version in Linz präsentiert. Trotz aller Widrigkeiten - auch im Zusammenhang mit Zwangsrekrutierungen in der Ukraine, die auch ihr Team betrafen - hat die Künstlerin in den letzten Wochen in Lwiw intensiv an ihrem Film weitergearbeitet.

(S E R V I C E - "Vertical Horizon", Lentos Kunstmuseum Linz, bis 6. Jänner 2026. "Hollow Earth", Kunstraum Memphis, bis 5. Dezember 2025, https://www.lentos.at/ausstellungen/kyiv-biennale-2025)

Zusammenfassung
  • Im Lentos Kunstmuseum Linz und im Kunstraum Memphis startet die Kyiv Biennale 2025 mit Werken vor allem ukrainischer Künstlerinnen und Künstler, die die durch den Krieg verwundete Landschaft ihrer Heimat thematisieren.
  • Die Biennale, die zuvor in Warschau, Antwerpen, Dnipro und Kiew zu sehen war, läuft im Lentos bis 6. Jänner 2026 und im Kunstraum Memphis bis 5. Dezember 2025 und macht laut Kuratoren wenig Hoffnung auf einen baldigen Frieden.