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Liebe und "Vielfalt des Lebendigen" bei Festwochen-Eröffnung

16. Mai 2025 · Lesedauer 5 min

Die "Republik der Liebe" ist Freitagabend zur Eröffnung der Wiener Festwochen ausgerufen worden. Ein Genregrenzen zerschmetterndes Programm war für die Veranstaltung am Rathausplatz versprochen worden. Tatsächlich gab es musikalische Vielfalt mit politischen (Unter-)Tönen. Ein Höhepunkt war die Kooperation von Laurie Anderson mit Tenor Serge Kakudji. "Was wir verteidigen, ist die Vielheit des Lebendigen gegen die Einheit", fasste Burg-Schauspielerin Safira Robens zusammen.

Als ein Trompeter vom Burgtheater das Intro zu "Steht auf, steht auf" intonierte, einem Song von Fuzzman, dessen Alter Ego Herwig Zamernik für die musikalische Leitung des Festes verantwortlich zeichnete, hatten sich laut Organisatoren rund 48.000 Menschen eingefunden. Wurde die Ausrufung einer "Freien Republik Wien" im vergangenen Jahr noch mit einem Sturm aufs Rathaus inszeniert, ging es diesmal mit einem Marsch statt einer Besetzung los: Die Mitglieder der Jauntaler Trachtenkapelle schritten musizierend durch das Publikum, Fahnenträger verschiedener Nationen versammelten sich zum Gesang des kongolesischen Countertenors Kakudji auf der Bühne.

Die Welt sei seit einem Jahr unfreier geworden, betonte Intendant Milo Rau. Er verwies auf politische Situation in der Slowakei und den USA sowie auf die Kampfhandlungen in der Ukraine und im Nahen Osten. "Und in Österreich selbst hat eine rechte Partei die Nationalratswahl gewonnen. Ihr Wahlprogramm trug den Titel: Festung Österreich", so Rau weiter. "Unsere Antwort auf Ausschluss ist Solidarität, unsere Antwort auf Hass ist Liebe. Unsere Antwort auf die Festung Österreich ist die Republik der Liebe."

Wien sei ein "Bollwerk in dieser Zeit", "eine weltoffene Stadt", sagte Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ). Bei der "Republik der Liebe" gehe es um "das Gegenprogramm von Hass, um das einander Zuhören". Man wolle "auch andere politische Positionen begreifen" und "zu einem gemeinsamen Tun zusammenkommen". So hieß das Motto "V is for LoVe", exzentrisch vorgetragen von in bunten Hippie-Schamanen-Outfits gekleideten Mitgliedern des Caravan of Luv.

Musikalisch gab es tatsächlich ein stilistisch spannendes und vielfältiges Angebot, ob herausgeschrien, leise vorgetragen, traditionell, klassisch oder modern - es fügte sich alles zu einer recht stimmigen Gesamtinszenierung zusammen. Den Anfang machte Anja Plaschg alias Soap & Skin mit einer bezaubernden Version von "Mystery Of Love" (Sufjan Stevens) am Klavier und mit Orchesterbegleitung.

Zusammenführung von Pop, Klassik und Avantgarde

Eine Weltpremiere war die Zusammenführung von klassischer Musik, Pop und Avantgarde von Anderson und Kakudji. Es begann mit der Arie "Oh Souvereign" aus Le Cid - Dennis Russel Davies begleitete den Tenor am Piano -, nahtlos übergehend in Andersons Welthit "Oh Superman", den die US-Performance-Künstlerin zunächst alleine am Keyboard stehend vortrug, bis die Trachtenkapelle und der Mozartchor einstiegen und dem elektronischen Track eine organische Note hinzufügten. Zum großen Finale des rund zehnminütigen Songs steuerte Kakudji den Gesang bei.

Intensiv wie nachdenklich gerieten die Beiträge des Schweizer Singer-Songwriters Faber, der einen Moment des Schweigens für die Opfer der Kämpfe weltweit einforderte - und bekam. Bei seinem Lied "Kinder" übernahm ein Kinderchor die letzten Strophen: "Gerade, klare Menschen wär'n ein schönes Ziel, Leute ohne Rückgrat hab'n wir schon zu viel" aus dem Mund der jungen Leute zu hören, war Emotion pur. Der heimische Liedermacher Nino aus Wien besang die "Wilde Zeit", unterstützt von der Trachtenkapelle. Auch das hatte Verve, die Textzeile "das Schlaue schweigt, das Dumme schreit" könnten sich einige zu Herzen nehmen.

"Schmust miteinander"

Tom Neuwirth alias Conchita Wurst meldete sich per Video vom Song Contest in Basel: "Habt euch lieb. Tanzt miteinander. Schmust miteinander, was geht. Und never forget: Wir lassen uns unsere Demokratie von niemandem nehmen." Da passte "Papillon", eine Ode an die Freiheit, von Nicole, der ESC-Siegerin von 1982, perfekt dazu. Ihr Siegerlied "Ein bisschen Frieden" durfte nicht fehlen, gegen Ende mit Unterstützung vom Chor, aber auch vom Publikum: Nicoles Aufruf "lasst uns zusammen die Stimmen erheben gegen Gewalt und Krieg" wurde zumindest an diesem Abend Folge geleistet.

Lautes darf und muss auch sein: Sodl ließ es mit "I Am A Woman" und weiter davor "Father's Tears" krachen. "Dieses Lied hab ich geschrieben, als mich mehrere Männer nicht in Ruhe gelassen haben. Und ich wär dafür, dass die Männer ein bissi mehr weinen und ihre Gefühle nicht in Gewalt und Übergriff rauslassen", kündigte die Durchstarterin letzteren Song an. Eine ordentliche Spur härter tobte die Punkband "Bicycle Terror", vom Publikum genauso gewürdigt wie die Darbietung des Oud-Spielers Khalid Rawi aus Mosul, der ein aus Liedern aus dem gesamten Irak zusammengesetztes Stück vortrug.

Gänsehaut bei Soap & Skin

Zum Ende sorgte zunächst Soap & Skin mit ihrer ergreifenden Interpretation von "The End" der Doors für Gänsehaut-Feeling. Dann intonierte Fuzzman mit allen Akteuren noch einmal die bereits zu Beginn vorgestellte Hymne: "Steht auf, steht auf, ihr Kapellen und Chöre, steht auf, steht auf, solange es noch geht, lasst unsre Stimmen erschallen wie eine Kehle, sie lebe hoch, die freie Republik!" Es war ein Abend, bei dem man sich in erster Linie auf generelle Botschaften gegen Faschismus, Nationalismus, Hass und Krieg konzentrierte und - abgesehen von der einen oder anderen Ausnahme - auf Fingerzeig verzichtete.

(Von Wolfgang Hauptmann/APA)

(S E R V I C E - https://www.festwochen.at)

Zusammenfassung
  • Zur Eröffnung der Wiener Festwochen am Rathausplatz kamen laut Veranstaltern rund 48.000 Menschen, um die Ausrufung der "Republik der Liebe" zu feiern.
  • Das Programm bot musikalische Vielfalt mit politischen Untertönen, darunter eine Weltpremiere von Laurie Anderson und Serge Kakudji.
  • Intendant Milo Rau betonte die Zunahme von Unfreiheit weltweit und stellte Solidarität und Liebe als Antwort auf Ausgrenzung und Nationalismus in den Mittelpunkt.
  • Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler bezeichnete Wien als "Bollwerk in dieser Zeit" und rief zum gemeinsamen Tun und Zuhören auf.
  • Mit Auftritten von Soap & Skin, Faber, Nino aus Wien, Nicole und Conchita Wurst endete der Abend mit einer gemeinsamen Hymne gegen Faschismus, Nationalismus, Hass und Krieg.