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"Lee Miller in Hitler's Bathtub" im NEST uraufgeführt

01. Juni 2025 · Lesedauer 4 min

Ist das Hitlers Waschlappen? Haben Adolf und Eva diese Seife gemeinsam benützt? Was sich die Fotografin Lee Miller fragt, als sie 1945 im kleinen Badezimmer von Hitlers Wohnung am Münchner Prinzregentenplatz steht, ist kaum zu beantworten. Eines ist aber eindeutig feststellbar, als sie nach einem Bad aus der Wanne steigt: Kein Handtuch weit und breit! Es ist einer von wenigen witzigen Momenten der Oper "Lee Miller in Hitler's Bathtub", die am Sonntag dem NEST entschlüpft ist.

Die Neue Staatsoper im Künstlerhaus (NEST) ist eine Spielstätte für Kinder- und Jugendopern. Das Auftragswerk, in Koproduktion mit der Needcompany von Jan Lauwers entstanden und offenbar Folge seiner Inszenierung von Monteverdis "L'incoronazione di Poppea", die der Belgier 2018 bei den Salzburger Festspielen herausbrachte und 2021 für die Wiener Staatsoper weiterarbeitete, ist nichts davon. Es ist als "Musiktheaterwerk für Publikum ab 16 Jahren" angekündigt, als "tragische Kantate", und erweist sich als intelligente Auseinandersetzung mit vielen Motiven, die Lauwers und seinem Team bei der Befassung mit der Biografie von Lee Miller (1907-1977) untergekommen sind. In Anlehnung an die mehrmals wiederholte Libretto-Zeile "Fokus, Lee!" möchte man in diesen 90 Minuten des Öfteren rufen: "Fokus, Jan!"

Schon die Bühne wirkt etwas unaufgeräumt. Im Hintergrund steht neben einem Klavier das bewusste Badezimmer, das durch das Foto, das ein Kollege von Miller schoss, berühmt geworden ist. Es hat grüne Kacheln, einen echten Wasseranschluss (was nach Aufdrehen des Hahnes zu einem gewissen Spannungsmoment führt: Wird die Wanne übergehen?) und ist auf einem rollbaren Podest aufgebaut. Doch es bleibt ebenso am Ort wie das daneben stehende Klavier, das Schlagzeug und die Positionen für Posaune, Cello und Kontrafagott. Warum der Pianist und Violinist als Man Ray vorgestellt wird, die übrigen Musiker und der Dirigent im Bärenfell auftreten müssen, wissen die Götter.

Ja, am Ende gibt es tatsächlich eine ganz traurige Bärenszene, als nämlich erzählt wird, dass die nach Rumänien gereiste Fotografin einen Tanzbären brutal aus seinem Winterschlaf wecken ließ, um ihn für sich tanzen zu lassen. Es ist eines der unzähligen Motive, die angetippt werden, sich aber kaum zu einem schlüssigen Ganzen fügen und vom Komponisten Maarten Seghers in ihrer Zerrissenheit eher noch betont werden.

Hauptfigur als Doppelwesen

Die musikalische wie dramaturgische Grundidee funktioniert dagegen hervorragend: Die Hauptfigur wird von einer Schauspielerin und einer Sängerin als Doppelwesen verkörpert. Mit der Mezzosopranistin Kate Lindsey und der Schauspielerin Romy Louise Lauwers sind zwei Generationen, aber auch zwei unterschiedliche Zugänge auf der Bühne, die einander kongenial ergänzen. Den beiden in ihrem Zusammenspiel zuzuhören und zuzusehen ist ein Erlebnis.

Über die komplexe Themenlage verliert man jedoch bald den Überblick. Als "Model, Muse der Surrealisten, Kriegsreporterin, Missbrauchsopfer und Fotografin", war sie in den Ankündigungen des Abends vorgestellt worden. Die Umstände ihrer Aufnahmen von der Befreiung der KZs Dachau und Buchenwald bleiben jedoch Randepisoden, und der Unrat der Geschichte, der an ihren Armeestiefeln haftet, als sie das blank geputzte Badezimmer betritt, ist nur ein Kostüm-Gag.

Schmelzende Eisstatue

Deutlich präsenter ist dagegen der Missbrauch, dessen Opfer Lee Miller offenbar als Siebenjährige wurde: Eine schmelzende Eisstatue, die mit einem Bunsenbrenner bearbeitet und anschließend zertrümmert wird, und die intensive Darstellung der in der anschließenden Gonorrhoe-Behandlung und der Abwendung der Eltern erlittenen körperlichen wie seelischen Schmerzen sorgen für Höhepunkte der Aufführung, in der auch das Zusehen beim Sterben eines Babys beschrieben, die Umstände aber nicht erklärt werden.

Die "Hommage an eine herausragende Künstlerin", in der es um "Kunst, Handwerk, Trauma, Erinnerung und die Frage, was es heißt, eine Frau und Muse zu sein", gehen sollte, erwies sich bei der akklamierten Uraufführung also als überaus komplex. Dass sie gelernt habe, zu gefallen, wie es eingangs heißt, liefert als Behauptung in der Folge nicht genug Material zu einer Auseinandersetzung mit weiblicher Kunst und männlicher Macht. Worum geht's also? Um alles und nichts. Oder, wie Lee Miller von ihrem Vater gelernt hat, und was für die Kunst wie in die Politik gleichermaßen gilt: "Es geht immer ums Licht."

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - "Lee Miller in Hitler's Bathtub" von Jan Lauwers (Text) und Maarten Seghers (Musik). Uraufführung. Auftragswerk und Koproduktion der Wiener Staatsoper und der Needcompany. Ab 16 Jahren. Inszenierung, Ausstattung: Jan Lauwers, Musikalische Leitung: Daniel K. Kurland. Mit Romy Louise Lauwers, Kate Lindsey und George van Dam. Weitere Termine im NEST - Neue Staatsoper im Künstlerhaus, Wien 1, Karlsplatz 5: 3.-7. und 9. Juni, www.staatsoper.at)

Zusammenfassung
  • Die Oper "Lee Miller in Hitler's Bathtub" feierte am Sonntag ihre Uraufführung im NEST, der Neuen Staatsoper im Künstlerhaus in Wien, und richtet sich an ein Publikum ab 16 Jahren.
  • Das Werk behandelt in 90 Minuten auf fragmentarische Weise Motive aus dem Leben der Fotografin Lee Miller, darunter Missbrauch, Kriegserfahrungen und die Rolle der Frau in der Kunst.
  • Die Hauptfigur Lee Miller wird als Doppelwesen von der Mezzosopranistin Kate Lindsey und der Schauspielerin Romy Louise Lauwers verkörpert, was als besonderes Highlight der Inszenierung gilt.
  • Musik und Text stammen von Maarten Seghers und Jan Lauwers, die musikalische Leitung hat Daniel K. Kurland übernommen.
  • Weitere Aufführungen finden vom 3. bis 7. sowie am 9. Juni in Wien statt; die Oper ist eine Koproduktion der Wiener Staatsoper und der Needcompany.