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Kiesers "Weil da war etwas im Wasser" morgen bei den O-Tönen

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Ein Tintenfisch als Erzähler? Genauer gesagt sind es seine zehn Arme, die erzählen. Geht's noch? Das geht sogar ganz großartig, denn so verstiegen Luca Kieser seinen Roman "Weil da war etwas im Wasser" beginnt, so überzeugend gelingt es ihm im Verlauf des gewagt konstruierten Buches verschiedene Geschichten zu erzählen und Empathie zu wecken für die Natur als Ganzes und den Riesenkalmar im Speziellen. Morgen gibt's die Buchpremiere bei den O-Tönen im Wiener Museumsquartier.

"Nature Writing" ist ein boomendes Literatur-Genre, aber was sich der 1992 in Tübingen geborene und in Wien lebende ehemalige Philosophie- und Sprachkunststudent Luca Kieser ausgedacht hat, hat man noch nie gelesen. Der Riesenkalmar (lat.: Architeuthis dux) zählt mit seiner Länge von bis zu über zehn Metern zu jenen Meerestieren, die Angst und Schrecken verbreiten können und Stoff für manche aus Seemannsgarn gestrickten Geschichten bieten. Tatsächlich stößt man gleich anfangs auf den Roman "Der weiße Hai", denkt bei der Lektüre passagenweise an "Moby Dick" und seinen Kampf mit Kapitän Ahab und begegnet in der Folge auch Jules Verne persönlich.

Das Ganze passiert natürlich nicht zufällig. Im Zuge der Arbeit an seinem Romandebüt hat Kieser gemeinsam mit der Schriftstellerin Jana Volkmann einen Lesekreis ins Leben gerufen, der sich mit Texten über Tiere beschäftigt, erfährt man auf seiner Homepage. "Gleichzeitig nahm er ein Studium der Ethik an der Universität Wien auf, in welchem er sich zunehmend auf Natur- und Tierethik spezialisiert." Nachdem ihn lange vor allem das literarische Porträtieren beschäftigt habe, stehe für ihn nun die Frage im Zentrum, "ob und wenn ja wie sich über Wesen wie Tiere, Pflanzen, Landschaften oder Wetter sprechen lässt". "Weil da war etwas im Wasser" darf wohl als Versuch einer Antwort auf diese Frage gelten. Es ist eine überzeugende Antwort geworden.

Im Binnenland Österreich üben Meerestiere offenbar große Faszination auf hier lebende Autorinnen und Autoren aus. Michael Stavarić hat erfolgreiche Kinderbücher über Quallen und Kraken vorgelegt, Marie Gamillscheg im Vorjahr die Meerwalnuss, lat. Mnemiopsis leidyi, in den Mittelpunkt ihres Romans "Aufruhr der Meerestiere" gestellt. Dort forscht die junge Meeresbiologin Luise über dieses "Monster der Anpassung", das sich als Nutznießer des Klimawandels massenhaft verbreitet.

Bei Luca Kieser ist es zunächst die junge Praktikantin Sanja, die auf einem Frosttrawler arbeitet, der per Schleppnetz massenhaft Krill fängt, die Bekanntschaft mit einem Riesenkalmar macht. Dieser gerät ins Netz und bringt die ganze Maschinerie zum Stocken. Sie soll sich um das gefangene Tier kümmern, baut eine unerklärlich starke Beziehung zu ihm auf und lässt buchstäblich nicht los, als der Container mit "Ariel", wie sie ihn getauft hat, per Hubschrauber auf ein anderes Schiff transportiert wird. Der Krake revanchiert sich: Rechtzeitig, ehe ihre Finger den Halt verlieren, hat er sich per Saugnapf fest mit ihr verbunden ...

Man kommt im Verlauf des sprunghaft die Perspektive wechselnden Buches auch mit der Geheimagentin Damar in Berührung, mit unerschrockenen Kapitänen, mit endlosen Tiefseekabeln, mit dem Puls des Lebens und der Daten, der Kontinente ebenso verbindet wie Menschen und Tiere. Man gelangt dabei in tiefe wie in seichte Gewässer und verliert dabei schon mal die Orientierung - aber schließlich hat jeder der Arme (von denen zwei zu Tentakeln ausgebildet sind) etwas zu erzählen, der "müde Arm" ebenso wie der "eingebildete Arm", der "süße Arm" oder der "bisschen-schüchterne". Und sie erzählen so gut, dass man feststellt, dass einem das Leben der Kraken wohl noch nie so anschaulich erzählt und so nahe gebracht wurde wie hier.

Der Perspektivenwechsel bringt die Leser schließlich auch in Kontakt mit "unserem jungen Autor". Keine Metaebene ohne Selbstreflexion! "Seit er angefangen hat, von seinem Kraken zu schreiben" müsse er sich "andauernd eingestehen, dass die Sprache nicht wirklich geeignet ist, das abzubilden, was in einem Tier vor sich geht", heißt es da. Das mag sein. Aber die Hilfskonstruktion, die Luca Kieser in seinem Roman stattdessen angeboten hat, funktioniert schon mal ganz hervorragend.

Luca Kieser ist auch Lyriker. Sein erster Gedichtband soll Ende 2023 bei hochroth münchen erscheinen, ein Langgedicht ist für Frühjahr 2024 in der edition keiper angekündigt. Man darf gespannt sein. "Weil da war etwas im Wasser" ist jedenfalls nicht nur ein außergewöhnliches Buch, sondern auch ein Versprechen für die Zukunft.

(S E R V I C E - Luca Kieser: "Weil da war etwas im Wasser", Picus Verlag, 320 Seiten, 26 Euro; Lesung bei den O-Tönen im Wiener Museumsquartier: Do., 17.8., 20 Uhr; www.lucakieser.de)

ribbon Zusammenfassung
  • Morgen gibt's die Buchpremiere bei den O-Tönen im Wiener Museumsquartier.
  • Dieser gerät ins Netz und bringt die ganze Maschinerie zum Stocken.