APA/APA/Burgtheater/Matthias Horn

Kehlmanns Kammerspiel "Nebenan" enttäuscht am Burgtheater

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Kehlmann, Brühl, ein Filmstoff auf der Burgtheater-Bühne - eine sichere Bank? Das mag sich Hausherr Martin Kušej gedacht haben, als er Daniel Kehlmann im Vorjahr damit beauftragt hat, seinen gemeinsam mit Daniel Brühl entwickelten Spielfilm "Nebenan" fürs Theater zu adaptieren. Das Ergebnis firmiert nun als Uraufführung und mit Florian Teichtmeister hat man einen prominenten Hauptdarsteller gefunden. Allein - Kušejs konventionelle Inszenierung dieses Kammerspiels enttäuscht.

Das beginnt schon beim Bühnenbild von Jessica Rockstroh, die ein originalgetreues, holzvertäfeltes Beisl auf die Vorderbühne geklotzt hat, das hier Kneipe heißt, weil die Handlung in Berlin belassen wurde. Er habe gute Erfahrungen mit kleineren Stücken auf der Vorbühne des Burgtheaters gemacht, hatte der Direktor vorab im APA-Interview unterstrichen. Das Stück sei sehr nahe an den Menschen dran, weit vorne am Zuschauerraum. "Mit einer totalen Top-Besetzung funktioniert das wunderbar", so Kušej. Wie sich am Samstagabend bei der Premiere gezeigt hat, helfen die besten Schauspieler nicht, wenn sie mit einem derart hermetischen Kammerspiel auf den großen Zuschauerraum treffen.

Das hat schon mit der Grundkonstellation zu tun: Ein bekannter westdeutscher Schauspieler - im Film Daniel Brühl, im Burgtheater Florian Teichtmeister - ist eigentlich auf dem Weg nach London zu einem Vorsprechen, sein kurzer Abstecher in die Gaststätte ums Eck wird jedoch zu einer privaten Katastrophe führen, als er dort auf seinen ostdeutschen Nachbarn Bruno (Norman Hacker) trifft, der sich seit der Wende zurückgesetzt fühlt. Es beginnt mit Geplänkel - Autogramm, dem Schauspieler die Meinung über seine Filme sagen, den deutschen Ost-West-Konflikt diskutieren - und kippt dann ins Persönliche, als der Nachbar, der als Nachtdienst-Mitarbeiter einer Banken-Helpline Zugriff auf sensible Daten hat, den Schauspieler mit Bankauszügen von dessen Ehefrau konfrontiert, die einen Ehebruch belegen sollen.

Bis es jedoch zur großen Enthüllung und der unvermeidlichen Eskalation kommt, vergeht sowohl im Film als auch im Burgtheater eine geschlagene Stunde, in der man zwei Menschen zuhört, wie sie miteinander über alles und nichts reden. Klar, Themen wie Gentrifizierung, Datensicherheit und Lebenslügen aller Art beschäftigen viele Leute, aber anderen aus großer Entfernung dabei zuzuhören, ist dann doch recht bald ermüdend. Wird die Szenerie im Film durch wohldosierte Ortswechsel unterbrochen, muss man sich die Welt im Burgtheater ins Beisl holen, das von Katharina Pichler als resche Wirtin geführt wird.

Doch die mit wenig Text ausgestatteten Auftritte von Arthur Klemt als Taxifahrer oder Stefan Wieland als saufender Stammgast bringen auch nicht mehr Dynamik in den Text, der von den kleinen Regungen lebt. Zwar hat Kušej mit Teichtmeister einen charismatischen Hauptdarsteller und mit Norman Hacker einen perfekten Widersacher gefunden - für die am Ende doch wirklich große Bühne gibt aber schlicht der Text zu wenig her, dem Kušej wiederum allzu sehr zu vertrauen scheint, um als Regisseur dynamisierend einzugreifen. So fühlt man sich als Zuschauer zwei pausenlose Stunden lang eben nur "nebenan" statt mittendrin.

Nichtsdestotrotz holte sich das Ensemble, ergänzt durch den Autor Kehlmann und den Vorlagen-Regisseur Brühl am Ende viel Applaus ab. Kehlmann, Brühl, Film auf der Bühne - das mag vielen dann doch ausgereicht haben.

(S E R V I C E - "Nebenan" von Daniel Kehlmann, Uraufführung, Burgtheater, Inszenierung: Martin Kušej, Bühne: Jessica Rockstroh, Kostüme: Justina Klymczik, Mit Florian Teichtmeister, Norman Hacker, Katharina Pichler, Elisa Plüss, Stefan Wieland und Arthur Klemt. Nächste Vorstellungen: 19., 22.10., 1., 9. und 12. 11., www.burgtheater.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Das mag sich Hausherr Martin Kušej gedacht haben, als er Daniel Kehlmann im Vorjahr damit beauftragt hat, seinen gemeinsam mit Daniel Brühl entwickelten Spielfilm "Nebenan" fürs Theater zu adaptieren.
  • "Mit einer totalen Top-Besetzung funktioniert das wunderbar", so Kušej.
  • So fühlt man sich als Zuschauer zwei pausenlose Stunden lang eben nur "nebenan" statt mittendrin.
  • Kehlmann, Brühl, Film auf der Bühne - das mag vielen dann doch ausgereicht haben.