APA/APA/Theater an der Wien/Herwig Prammer

Kammeroper: Erste Oper einer Frau als erste Inszenierung

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Man mag es als programmatische Ansage verstehen, dass die erste Premiere unter dem neuen Theater-an-der-Wien-Intendanten Stefan Herheim am Donnerstag den Titel "La Liberazione" trug - also "Die Befreiung". Schließlich gilt es für den 52-Jährigen, aus dem Schatten von Gründungsintendant Roland Geyer zu treten. Und der Aufschlag war durchaus eine Ansage. Schließlich stand am Neuanfang eines der ältesten Werke der Operngeschichte - und eines der ersten aus der Feder einer Frau.

So handelt es sich bei "La liberazione di Ruggiero dall'isola d'Alcina" aus 1625 um die einzig erhaltene Oper von Francesca Caccini, der ersten Berufskomponistin der westlichen Welt. Eine Abfolge stark ausgearbeiteter Rezitative und Madrigale. Kein aufgelegter Publikumsschlager also, mit dem die neue Ära in der Kammeroper startete, die nun ohne das einst vom vorherigen Intendanten Roland Geyer gegründete Junge Ensemble auskommen muss.

Die italienische Regisseurin Ilaria Lanzino legt das wie so viele Werke der Zeit auf Ariostos "Orlando furioso" basierende Stück dunkel und ernst an - auch wenn hie und da ein kleines Augenzwinkern wie in den Pop abgleitende Nymphen aufblitzt. Erinnert die Bühne anfangs noch an die farbgrellen Welten Achim Freyers, weicht die Farbe sukzessive und lässt einer kalten, technoiden Welt den Raum. Dafür wuselt es genau choreografiert auf der kleinen Bühne des Hauses in der Wiener Innenstadt wie selten.

Bei der von Dirigent Clemens Flick um weitere Stücke ergänzten Caccini-Vorlage wurde der Prolog durch ein Madrigal ersetzt - und auch auf das ursprünglich vorgesehene Pferdeballett am Ende verzichtete man dankenswerterweise. Dafür wurde die Moral des Librettos gleichsam invertiert. So ist in der Wiener Fassung die Böse nicht die Zauberin Alcina (gesungen von einer glasklaren Sara Gozzy), die den Ritter Ruggiero mittels Magie in ihrem Garten der Lüste festhält.

Stattdessen übernimmt Melissa, die den "Gefallenen" mittels Appell an seine Kriegerehre aus den Fängen der Konkurrentin befreit, den Part der Fanatikerin - eine androgyne Furie mit blutverschmierten Händen, diabolisch von Luciana Mancini gesungen. Es ist die Verkehrung einer Lebensweisheit, in welcher nicht der Krieg, sondern die Liebe als Lebensziel proklamiert wird. Und das ist doch eine schöne Befreiung von einer überkommenen Moral. Und ein guter Start in eine neue Ära.

(S E R V I C E - "La Liberazione" von Francesca Caccini in der Kammeroper, Wien 1, Fleischmarkt 24. Musikalische Leitung: Clemens Flick, Inszenierung: Ilaria Lanzino, Bühne: Martin Hickmann, Kostüme: Vanessa Rust. Mit Alcina - Sara Gouzy, Ruggiero - Krešimir Stražanac, Melissa - Luciana Mancini, Damigella/Sirena - Jerilyn Chou, Damigella/Sirena - Milana Prodanovic, Damigella/Sirena - Bernarda Klinar, Oreste/Mostro/Canto - Benjamin Lyko, Mostro/Alto - Thomas Lichtenecker, Mostro/Tenore - Anle Gou, Pastore/Mostro/Quinto - Matúš Šimko, Mostro/Basso - Jubin Amiri. Weitere Aufführungen am 8., 10., 12., 14., 17., 19. und 21. Oktober. www.theater-wien.at/de/spielplan/411/La-liberazione)

ribbon Zusammenfassung
  • Man mag es als programmatische Ansage verstehen, dass die erste Premiere unter dem neuen Theater-an-der-Wien-Intendanten Stefan Herheim am Donnerstag den Titel "La Liberazione" trug - also "Die Befreiung".
  • So handelt es sich bei "La liberazione di Ruggiero dall'isola d'Alcina" aus 1625 um die einzig erhaltene Oper von Francesca Caccini, der ersten Berufskomponistin der westlichen Welt.
  • Dafür wurde die Moral des Librettos gleichsam invertiert.

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