Jüdisches Museum Wien diskutiert Zuschreibung von Hautfarben
Es war vor einigen Jahren, als JMW-Direktorin Barbara Staudinger einen Zeitungsartikel las, der sich mit der veränderten Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden in den USA befasste. "Es ging darum, wie sie von als nicht weiß wahrgenommenen Menschen zu Superweißen wurden, die angeblich mit allen Privilegien ausgestattet sind und die Welt im Hintergrund regieren", erinnerte sie sich bei der Presseführung am Dienstag. Damals sei in Deutschland hingegen gerade diskutiert worden, ob Juden "nicht per se People of Color" seien. Ihr war klar, dass die Diskussion in den USA früher oder später auch nach Deutschland und Österreich kommen werde und so habe sie begonnen, über eine Ausstellung zum Thema nachzudenken. "Jetzt stehen wir da und die Ausstellung ist aktueller denn je", so Staudinger in Bezug auf die "Beschleunigung der Diskussion durch den Krieg in Gaza".
"Vor ein paar Jahren konnte man sich noch nicht vorstellen, dass alle Jüdinnen und Juden als zionistische, weiße Colonizer bezeichnet werden. Jetzt ist es Realität, auch in Wien, und genau jetzt müssen wir deswegen darüber diskutieren", so Staudinger. Chefkurator Hannes Sulzenbacher ergänzte: "Wenn man eine Hautfarbe einfach nur hätte, dann müsste man keine Ausstellung darüber machen. Das Problem ist, dass mit der Hautfarbe eine Welle von Zuschreibungen, Vorurteilen und Implikationen verbunden werden. Die Farbe der Haut begründet die Ordnung der Welt. Welche Hautfarbe haben aber denn nun Jüdinnen und Juden?" Dieser Frage widmete er sich mit seinen Co-Kuratoren Tom Juncker und Daniela Pscheiden sowie der Gastkuratorin Vanessa Spannbauer. Dabei beziehen sich "Schwarz" und "Weiß" in den Ausstellungstexten nur bedingt auf die Hautfarbe, wie es auf einer Hinweistafel zum Sprachgebrauch heißt. "Vielmehr stehen sie für soziale Vorurteile und Zuschreibungen und Vorurteile in einer rassistisch strukturierten Gesellschaft." Daher würden beide Begriffe bewusst groß geschrieben, wenn sie auf soziale Konstruktionen referenzieren.
Von der Kenia-Expedition bis zum Social Media-Aktivismus
In Kapiteln wie "Was macht Jüdinnen und Juden Schwarz?", "Was macht Jüdinnen und Juden Weiß" oder "Intersektionale Solidarität" greifen Kunstwerke und dokumentarische Stücke aus der Sammlung ineinander. So findet sich in einer Vitrine etwa ein Set aus Buntstiften in zwölf verschiedenen "Hautfarben" oder ein Blatt aus dem Fotoalbum der Familie Rothschild von einer Kenia-Expedition im Jahr 1928, das verdeutlicht, wie sehr die Fotos von damals eine Teilung in "Weiße" und "Schwarze" vornahmen und die Vorstellung weißer Überlegenheit reproduzierten.
Social Media-Posts mit dem Hashtag #JewishPrivilege zeichnen die Arbeit von jüdischen Aktivisten nach, die sich damit der Online-Kampagne von rechtsextremen Accounts widersetzten. Auf einem Bildschirm laufen Videos des Accounts @israelsowhite des Filmemachers Ben Younger, in dem Israelis unterschiedlicher ethnischer Herkunft den Satz "I am a White Colonizer" satirisch in die Kamera sprechen. Damit will der Künstler verdeutlichen, dass zwei Drittel der israelischen Bevölkerung People of Color sind.
Gemeinsam im Kampf gegen Diskriminierung
Exkurse widmen sich u.a. äthiopischen und chinesischen Juden, die syrisch-amerikanische Künstlerin Lenore Cohen beschäftigt sich in einer Installation mit dem Verschwinden arabisch-jüdischer Vornamen und deren Abwesenheit im öffentlichen Diskurs. Den Abschluss des Rundgangs bildet schließlich die Auseinandersetzung mit intersektionaler Solidarität, wo nicht nur historische Bilder wie Martin Luther Kings gemeinsamer Auftritt mit Rabbi Abraham Joshua Heschel bei einer Bürgerrechtsdemonstration im Jahr 1956 zu sehen sind, sondern auch Aaron Hodge Silver Greenbergs 2016 entstandene Arbeit "Black Lives Matter": Sein Scherenschnitt zeigt den bekannten Schriftzug umhüllt von einem Tallit (Gebetsschal), in den auch ein hebräischer Text eingeschnitten ist. "Der Mord an George Floyd passierte ganz in meiner Nähe", erinnerte er sich an seinen Schock. Aufgrund der Zuschreibung des Weiß-Seins der Juden habe seine Aktion irritiert. Der Künstler aber will verdeutlichen: "Wir müssen im Kampf gegen Diskriminierung zusammenstehen!"
(S E R V I C E - "Schwarze Juden, Weiße Juden? Über Hautfarben und Vorurteile" im Jüdischen Museum Wien. 22. Oktober bis 26. April 2026, Dorotheergasse 11. www.jmw.at)
Zusammenfassung
- Die Ausstellung "Schwarze Juden, Weiße Juden?" im Jüdischen Museum Wien beleuchtet vom 22. Oktober 2024 bis 26. April 2026, wie Zuschreibungen von Hautfarbe mit Rassismus und Antisemitismus verknüpft sind.
- Die Ausstellung greift aktuelle Entwicklungen auf, etwa die Debatte um Juden als "weiße Colonizer" im Kontext des Gaza-Kriegs, und setzt mit Werken wie "Black Lives Matter" von 2016 ein Zeichen für intersektionale Solidarität gegen Diskriminierung.