Jüdisches Museum Hohenems soll weiter "relevant bleiben"
Wie die "Die Morgenländer" in der aktuellen Sonderschau macht sich Irene Aue-Ben-David auf ins Unbekannte: Hohenems musste sie erst einmal auf der Landkarte suchen, bisher war sie erst dreimal kurz hier, und in der Museumswelt habe sie noch keine Erfahrung, aber selbst in Jerusalem sei das Jüdische Museum Hohenems vielen ein Begriff, so die Historikerin. "Ich freue mich, viel zu lernen", sagte Aue-Ben-David. Im Vergleich zu Jerusalem sei es hier sehr ruhig, aber "bei der Region geht mir das Herz auf", so ihr erster Eindruck.
Aue-Ben-David leitet seit 2015 das Leo-Baeck-Institut in Jerusalem. "Ich hatte ein bisschen Chuzpe und dachte, ich probier das mal", so die Wissenschafterin über ihre Bewerbung. An Hohenems habe sie die breite jüdische Geschichte und deren Vermittlung interessiert "und die Frage, wie wir das aktualisieren". Sehr gereizt habe sie die Lage des Hauses in einer Grenzregion und seine Strahlkraft darüber hinaus. Hanno Loewy hinterlasse "große Schuhabdrücke, und ich werde schauen, wo ich meine dazu- oder danebensetzen kann".
Ein fertiges Konzept bringe sie nicht mit, aber das Museum müsse jedenfalls "gesellschaftlich relevant" bleiben. Inhaltlich will sie sich etwa mit dem 7. Oktober auseinandersetzen, "der größten Krise in der jüdischen Welt seit dem Holocaust", verstärkt junge Menschen erreichen und die "Geschichte von Emotionen" thematisieren. Viele Debatten seien heute davon geprägt, "dass wir alle so aufgeregt sind". Sie komme mit Ideen aus der Distanz, wolle aber auch Themen aufgreifen, die für die Region relevant seien.
Freude bei Museumsleiter Hanno Loewy
Loewy zeigte sich zuversichtlich, dass das Haus mit Aue-Ben-David in eine gute Zukunft gehe. Es gelte, den Spagat zwischen lokaler Verankerung und weltweitem Wirken zu schaffen. Man habe die vertragliche Verpflichtung, öffentlich unbequem zu sei, erinnerte Loewy an eine Kernaufgabe. Das Team und er seien "kolossal froh" über die neue Leiterin. Er will die Geschäfte im März übergeben und ihr "Zeit geben, die Spezifika dieses Ortes kennenzulernen".
Vorschusslorbeeren vom Trägerverein
Romuald Kopf, Leiter der Findungskommission und Obmann des Trägervereins, lobte die fachliche Exzellenz und Managementqualitäten der designierten Leiterin. In den Hearings, zu denen vier Bewerber eingeladen waren, setzte sich Aue-Ben-David mit "lebenskluger Unaufgeregtheit" und "leiser, aber starker Überzeugungskraft" durch, auch die Chemie und die Vertrauensbasis hätten gestimmt. Es sei ein symbolträchtiger Zufall, dass der Antrittsbesuch zum Chanukka-Fest stattfinde. Wenn Loewy gehe, ende zwar eine Ära, dennoch "gehen die Lichter im Jüdischen Museum Hohenems nicht aus".
Erfahrene Forscherin der deutsch-jüdischen Geschichte
Aue-Ben-David, geboren im deutschen Hildesheim, promovierte an der Universität Göttingen in Neuerer Geschichte. Bis 2017 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin, Projektleiterin und Kuratorin vorwiegend in Israel tätig. Seit 2015 leitet sie das Leo-Baeck-Institut in Jerusalem, das auf dem Gebiet der deutsch-jüdischen Geschichte und Kultur forscht und die liberalen Werte und Erfahrungen des deutschsprachigen Judentums einer breiten Öffentlichkeit vermittelt.
Mit der Bestellung von Aue-Ben-David folgte der Vorstand des Trägervereins des Museum der Empfehlung der Findungskommission, die sich nach der internationalen Ausschreibung der Stelle im zweistufigen Bewerbungsprozess mit Kandidaten-Hearing einstimmig für die Historikerin entschied. Träger des Jüdischen Museums sind die Stadt Hohenems, das Land Vorarlberg und der Förderverein Jüdisches Museum Hohenems. Bis 4. Oktober 2026 läuft die Sonderschau "Die Morgenländer".
(S E R V I C E - https://www.jm-hohenems.at)
Zusammenfassung
- Die Historikerin Irene Aue-Ben-David (52) übernimmt ab April 2026 die Leitung des Jüdischen Museums Hohenems und folgt damit auf Hanno Loewy, der nach über 20 Jahren in Pension geht.
- Aue-Ben-David leitet seit 2015 das Leo-Baeck-Institut in Jerusalem und wurde nach einem einstimmigen Votum der Findungskommission aus vier Bewerber:innen ausgewählt, obwohl sie bisher keine Museumserfahrung hat.
- Sie will das Museum gesellschaftlich relevant halten, verstärkt junge Menschen ansprechen und sich unter anderem mit dem 7. Oktober, der laut ihr "größten Krise in der jüdischen Welt seit dem Holocaust", auseinandersetzen.
