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Türkei-Wahl: Erdoğan gewinnt Stichwahl

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Der 69-Jährige steht vor einer weiteren fünfjährigen Amtszeit. Bei türkischen Staatsbürgern in Österreich schnitt er besonders gut ab.

Der seit 20 Jahren regierende türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan steht vor einer weiteren fünfjährigen Amtszeit. Laut vorläufigem Endergebnis siegte der 69-Jährige am Sonntag in der Stichwahl um das Präsidentenamt. Laut staatlicher Wahlkommission lag Erdogan mit 52,1 Prozent deutlich vor Kılıçdaroğlu, der 47,9 Prozent erreichte. Erdoğan erklärte in Istanbul vor jubelnden Anhängern, er sehe das Ergebnis als Auftrag für eine Fortsetzung seiner Präsidentschaft.

"Sieg der Demorkatie"

Bei einer anschließenden Rede vor dem Präsidentenpalast in Ankara sprach Erdoğan von einem Sieg der Demokratie, bei dem niemand verloren habe. Der Opposition warf er ein weiteres Mal Verbindungen zum Terrorismus vor, gegen den er nun verschärft vorgehen wolle. Ausländischen Medien warf Erdoğan Stimmungsmache vor. Deutsche, französische und englische Zeitungen hätten versucht, ihn zu "stürzen", es aber nicht geschafft, sagte Erdoğan.

Sein unterlegener Herausforderer Kılıçdaroğlu zeigte sich "traurig" über die Folgen von Erdoğans Sieg für die Zukunft der Türkei. Die Wahl sei die unfairste seit Jahren gewesen, erklärte Kılıçdaroğlu.

Gratulation aus Österreich

Nach Auszählung von rund 57 Prozent der abgegebenen Stimmen votierten knapp 74 Prozent der hier lebenden Türken für Erdoğan.

"Ich gratuliere Präsident Erdoğan zur Wiederwahl und werde der positiven Entwicklung unserer bilateralen Beziehungen und der Zusammenarbeit unserer beiden Länder im multilateralen Bereich weiterhin besondere Aufmerksamkeit schenken", twitterte der österreichische Präsident. Außerdem habe das große internationale Interesse an den Präsidentschaftswahlen "die wichtige Rolle und Bedeutung des Landes für die europäische Nachbarschaft und für die regionale Stabilität gezeigt", schrieb Van der Bellen weiter.

Kılıçdaroğlu führte in Umfragen

Der Urnengang am Sonntag war die erste Stichwahl um das Präsidentenamt in der Geschichte des Landes. Im ersten Wahlgang vor zwei Wochen hatte keiner der Kandidaten die erforderliche absolute Mehrheit erhalten. Umfragen vor der ersten Runde hatten den sozialdemokratischen Oppositionschef Kılıçdaroğlu noch vorn gesehen. Anders als vorhergesagt landete Erdoğan dann jedoch knapp fünf Prozentpunkte vor Kılıçdaroğlu und verfehlte die absolute Mehrheit nur knapp.

Glückwünsche von Putin bis Scholz

Unterdessen trafen aus dem Ausland Glückwünsche ein. Als einer der Ersten gratuliere der russische Staatschef Wladimir Putin, zu dem Erdoğan trotz des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine weiterhin gute Beziehungen unterhält. Erdoğans Wahlsieg sei "ein klarer Beweis für die Unterstützung des türkischen Volkes für Ihre Bemühungen, die staatliche Souveränität zu stärken und eine unabhängige Außenpolitik zu verfolgen", erklärte Putin nach Angaben des Kremls.

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz gratulierte dem Wahlsieger auf Twitter und betonte, Deutschland und die Türkei seien enge Partner und Alliierte. "Nun wollen wir unsere gemeinsamen Themen mit frischem Wind vorantreiben", kündigte Scholz an. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron erklärte, Frankreich und die Türkei hätten "gemeinsam gewaltige Herausforderungen zu bewältigen". Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte indes seine Hoffnung auf eine Stärkung der Beziehungen zwischen beiden Ländern und der "Zusammenarbeit für die Sicherheit und Stabilität Europas".

"Ich freue mich darauf, die EU-Türkei-Beziehung weiter auszubauen", schrieb EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen am Sonntagabend auf Twitter. Es sei sowohl für die EU als auch für die Türkei von strategischer Bedeutung, "diese Beziehungen zum Wohle unserer Völker voranzutreiben".

Auch EU-Ratspräsident Charles Michel sprach Erdoğan seine Glückwünsche aus. "Ich freue mich darauf, wieder mit Ihnen zusammenzuarbeiten, um die EU-Türkei-Beziehungen in den kommenden Jahren zu vertiefen", twitterte er. Seine Glückwünsche richtete auch US-Präsident Joe Biden aus.

Kernwählerschaft im anatolischen Zentrum

Offenbar konnten weder die verheerende Wirtschaftskrise noch das scharf kritisierte zögerliche Krisenmanagement Erdoğans nach dem Erdbeben im Februar mit 50.000 Toten seine Anhänger davon abhalten, dem islamisch-konservativen Staatschef die Treue zu halten. Zu seinen wichtigsten Wählern gehört die fromme Landbevölkerung im anatolischen Kernland, der Erdoğan zu mehr religiöser Freiheit und Wohlstand verholfen hat.

Erdoğan, einst Hoffnungsträger des Westens, wird vorgeworfen, mit zunehmend harter Hand zu regieren und das Land in den vergangenen zwei Jahrzehnten in eine Autokratie geführt zu haben. Erdoğans Wiederwahl könnte nun bedeuten, dass dieser seine Macht weiter zementiert. Sein hartes Vorgehen gegen Andersdenkende und die Inhaftierung zahlreicher Oppositioneller werden in der westlichen Welt mit Sorge gesehen. Auch Erdogans Außenpolitik stößt zunehmend auf Kritik.

Kılıçdaroğlu und das hinter ihm vereinte Oppositionsbündnis aus sechs Parteien hatten für den Fall eines Wahlsiegs die Wiederherstellung der Demokratie und die Abschaffung des von Erdoğan eingeführten Präsidialsystem angekündigt. Noch am Wahltag, nach der Stimmabgabe in Ankara, hatte Kılıçdaroğlu seine Landsleute dazu aufgerufen, "für echte Demokratie und Freiheit in diesem Land zu stimmen" und "die autoritäre Regierung loszuwerden".

ribbon Zusammenfassung
  • Der seit 20 Jahren regierende türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan steht vor einer weiteren fünfjährigen Amtszeit.
  • Laut vorläufigem Endergebnis siegte der 69-Jährige am Sonntag in der Stichwahl um das Präsidentenamt.
  • Laut staatlicher Wahlkommission lag Erdogan mit 52,1 Prozent deutlich vor Kılıçdaroğlu, der 47,9 Prozent erreichte.