Holzinger und Riedler in "Theater heute"-Umfrage vorne
Befragt wurden 47 Kritikerinnen und Kritiker. Sechs von ihnen wählten das Theater Magdeburg zur Bühne des Jahres. Das reichte für Platz eins. Die Berliner Volksbühne und das Staatstheater Wiesbaden landeten mit jeweils vier Stimmen auf dem zweiten Platz. In der Saison davor war das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg als Theater des Jahres ausgewählt worden.
In einer Analyse für "Theater heute" schrieb Kritikerin Eva Behrendt, es sei immer wieder gelungen, das Schauspiel Magdeburg in die überregionalen Nachrichten zu bringen. Sie lobte die dreiköpfige Schauspieldirektion und das junge Ensemble, darunter seien große Talente.
Das Theater Magdeburg war in diesem Jahr erstmals zum renommierten Theatertreffen in Berlin eingeladen - mit Jan Friedrichs Inszenierung "Blutbuch" nach dem gleichnamigen Roman von Kim de l"Horizon. Geleitet wird das Schauspiel von Dramaturg Bastian Lomsché, Regisseurin Clara Weydel und Kostümbildner Clemens Leander. Die Gesamtintendanz liegt bei Julien Chavaz.
Nichts für Zartbesaitete: die Inszenierung des Jahres
Die Inszenierung des Jahres stammt von Choreografin Florentina Holzinger: In "Sancta" setzt sie sich mit der katholischen Kirche auseinander. "Auch wenn das Publikum insbesondere in Stuttgart mit Ohnmachten zu kämpfen hatte, begeisterte das Gesamtkunstwerk über alle Genregrenzen hinaus", heißt es im Magazin. Neun Jurymitglieder stimmten dafür. Ausgezeichnet wurde auch das Bühnenbild von Nikola Knežević, das etwa Halfpipe und Kletterwand zeigte.
Holzinger hatte für die Koproduktion, die in Schwerin Premiere gefeiert hatte und anschließend bei den Wiener Festwochen zu sehen war, die Oper "Sancta Susanna" von Paul Hindemith als Vorlage genommen. In einem Interview von "Theater heute" wurde sie auf die Eigenheiten eines Opernpublikums angesprochen. "Ich fand es irgendwie auch cool, dass ein Opernpublikum tendenziell Kunst noch immer so ernst nimmt", sagte Holzinger, die 2026 den österreichischen Pavillon der Kunstbiennale Venedig gestalten wird. "Sie respektieren das Ergebnis entweder sehr oder sind unheimlich echauffiert darüber – beides bedeutet, dass es ihnen enorm wichtig ist." Sie habe noch nie so viele handgeschriebene Briefe aus beiden Lagern bekommen nach einer Show.
Riedler freut sich "arg über diese Auszeichnung"
Als Schauspielerin des Jahres setzte sich in der Umfrage die Österreicherin Julia Riedler durch, die am Wiener Volkstheater in "Fräulein Else" nach Arthur Schnitzler zu sehen ist. Regisseurin Leonie Böhm hat dabei in ihrer ersten Wien-Arbeit die berühmte Novelle als Monolog ins 21. Jahrhundert geholt. Riedler freut sich in einer Aussendung "arg über diese Auszeichnung - vor allem auch, weil sie für ein Schauspiel in einem für mich sehr wichtigen Stück ist. Arthur Schnitzlers 'Fräulein Else' ist ein 100 Jahre alter Text, aber seine empathischen Gedanken, die er für Else und ihre Situation hat, sind auch heute nicht so selbstverständlich. Wie schön, dass diese Inszenierung so vielen Menschen gefällt." Die Produktion feiert unter dem neuen Direktor Jan Philipp Gloger am 18. Oktober ihre Wiederaufnahme-Premiere.
Im Volkstheater bringt auch das Regieduo Victoria Halper und Kai Krösche (DARUM) ihre nächste Produktion heraus: In Kooperation mit der Rechercheplattform Dossier bringt man am 13. September "Pseudorama - Eine zu 99% analoge virtuelle Realität" zur Uraufführung. Ihre VR-Performance "[EOL]. End of Life", die auch schon zum Berliner Theatertreffen eingeladen worden war, wurde in der "Theater heute"-Umfrage zum "Video des Jahres" gekürt.
Dea Loher lieferte das "Stück des Jahres"
Schauspieler des Jahres sind nach Meinung der Kritikerinnen und Kritiker Andreas Döhler (Berliner Ensemble/"Kleiner Mann - was nun?"), Moritz Kienemann (Deutsches Theater/"Hinkemann") und Thomas Schmauser (Münchner Kammerspiele/"Mephisto").
Das Stück des Jahres ist nach Meinung der Kritikerinnen und Kritiker Dea Lohers "Frau Yamamoto ist noch da", das insgesamt acht Stimmen bekam. Ein besonderes Ärgernis war aus Sicht vieler Kritikerinnen und Kritiker die "fatale Spar- und Kulturpolitik" in Berlin und an anderen Orten.
Zusammenfassung
- Die österreichische Choreografin Florentina Holzinger wurde für ihre Inszenierung "Sancta" von neun Jurymitgliedern zur Inszenierung des Jahres gewählt, wobei das Bühnenbild von Nikola Knežević besonders gelobt wurde.
- Julia Riedler erhielt die Auszeichnung Schauspielerin des Jahres für ihre Rolle in "Fräulein Else" am Wiener Volkstheater, das unter neuer Direktion am 18. Oktober die Wiederaufnahme feiert.
- Das Theater Magdeburg wurde in der Umfrage von 47 Kritikerinnen und Kritikern mit sechs Stimmen zur Bühne des Jahres gekürt und war erstmals zum renommierten Berliner Theatertreffen eingeladen.