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"Höllenangst" im TAG: Der Teufel steckt im World Wide Web

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Das Internet ist ein Teufelswerk. Das ist die Grundmetapher für Bernd Liepold-Mossers freier Interpretation von Nestroys Posse "Höllenangst", die im Wiener Theater an der Gumpendorfer Straße (TAG) den Theateraum in einen von lauter Nuller und Einsen umgebenen Chatroom und die Bühne in eine Benutzeroberfläche verwandelt (Ausstattung: Renato Uz). Das Premierenpublikum wähnte sich am Samstag teils im Himmel, teils in der Hölle.

"Ich glaub an den Teufel, sonst wär' diese Welt nicht zu erklären." - Was Nestroy den Schustersohn Wendelin Pfrim (Andreas Gaida trägt ein verwaschenes T-Shirt mit dem Beck-Songzitat "I'm a loser baby / so why don't you kill me") vor über 170 Jahren sagen ließ, hat wohl heute noch seine Gültigkeit, und auch die berühmten Zeilen "Ich lass mir mein' Aberglauben / durch ka Aufklärung raub'n" sind in einer Zeit, in der wissenschaftliche Erkenntnisse als Fake News abgetan werden, hochaktuell.

Daraus macht Liepold-Mosser, der in seiner Theaterarbeit stets in der Gegenwart ansetzt und dabei versucht, Aufklärung mit Unterhaltung zu verbinden, die 85-minütige Überschreibung "Höllenangst. No enlightenment please!", die zu viel will und dem Nestroy'schen Witz die Luft raubt. Denn der Theatermacher setzt auf eine Reihe von Verfremdungen, die beweisen sollen, dass die sozialen Ungerechtigkeiten trotz aller technischen Fortschritte dieselben geblieben sind.

Da ist zum einen der neue Text, der sich gedanklich wie sprachlich darin gefällt, das digitale Zeitalter auf seinen Kalauer-Gehalt abzuklopfen und letztlich doch nur beweist, was man schon vorher wusste: Liepold-Mosser ist kein Nestroy. Dass der gut vernetzte Freiherr von Stromberg (Jens Claßen) sich in der "Matrix des Bösen" bewegt, die reiche Erbin Adele (Lisa Schrammel) nicht ins Kloster geht, sondern mit Marlene Engelhorn sympathisiert, und Gefangene wie der Wohltäter Reichthal (Georg Schubert) nicht freigelassen, sondern freigeschalten werden - alles für sich eine kleine Stichelei, doch zusammen ein Schlag mit dem Holzhammer.

Die traditionellen Couplets kommen als Kärntner Lieder mit neuem Text daher - was nicht der neu geschriebenen Handlung, sondern der Herkunft des Theatermachers und seines musikalischen Kompagnons geschuldet ist. Oliver Welter, Frontman der Band "Naked Lunch" und etwa 2011 kongenialer Part einer grandiosen Liepold-Mosser-Bearbeitung von Kafkas "Amerika" in Klagenfurt, hat Texte und Musik für neue Songs geschrieben, die großartig klingen und sich dennoch seltsam anhören: "Jo da Warhol der hot recht ghobt / Mit de 15 minutes of fame / Drum auf Tik Tok und auf Insta / Hob I nur Großes im Sinn" ... Oft ist Welter allerdings mit seiner E-Gitarre jedoch am Rande des Geschehens nur stiller Beobachter - es ist die einzige Zutat des Abends, von der man sich mehr gewünscht hätte.

Am Ende war der "Windows-Mann" doch nicht das leibhaftige Böse und die ganze Verschwörung nur Theorie. Der Kampf um die demokratische Selbstermächtigung geht jedoch auch lange nach 1848 weiter. Aber wenn es heute donnert und blitzt, dann ist nicht der Teufel im Spiel, weiß Wendelin am Ende: "Das ist nicht mehr ein Wetter, das ist schon Klima ..."

(S E R V I C E - "Höllenangst. No enlightenment please!" von Bernd Liepold-Mosser frei nach "Höllenangst" von Johann Nestroy, Regie: Bernd Liepold-Mosser, Ausstattung: Renato Uz, Musik: Oliver Welter. Mit Jens Claßen, Emanuel Fellmer, Andreas Gaida, Lisa Schrammel, Georg Schubert, Petra Strasser und Oliver Welter. TAG, Wien 6, Gumpendorfer Straße 67, Nächste Vorstellungen: 9., 10., 11., 13. und 28.2, www.dasTAG.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Das Premierenpublikum wähnte sich am Samstag teils im Himmel, teils in der Hölle.
  • "Ich glaub an den Teufel, sonst wär' diese Welt nicht zu erklären."

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