APA/APA/Fest. Reichenau/L. Jodlbauer

"Hiob" in Reichenau als Sternstunde für Joseph Lorenz

03. Juli 2025 · Lesedauer 3 min

Mit "Hiob" von Joseph Roth in einer Spielfassung von Regisseurin Alexandra Liedtke haben die Festspiele Reichenau am Mittwochabend einen überzeugenden Start im Neuen Spielraum vorgelegt. Vor allem ist es eine Sternstunde von Joseph Lorenz in der Rolle des Mendel Singer: großartiges Schauspiel.

Dabei stand die Premiere zunächst unter keinem guten Stern: Am Vortag hatte sich Wolfgang Hübsch bei einem Sturz verletzt und fällt nun aus. Ein gravierendes Problem, immerhin hätte er fünf Rollen zu verkörpern. Liedtke sprang kurz entschlossen ein, in weiteren Aufführungen wird Günter Franzmeier übernehmen.

Liedtke lässt die Geschichte durch die handelnden Personen erzählen und belässt damit auch die Romanstruktur, unterstreicht sie sogar mit dem Aufzählen der Kapitelnummern, sorgt aber auch dafür, dass nicht der Eindruck einer öden szenischen Lesung entsteht. Das kleine, feine Ensemble bringt so viel an darstellerischer Präsenz ein, dass auf der Rundbühne immer Bewegung aufkommt und die Handlung vorankommt. Auf jiddischen Sprachklang wird verzichtet: Text und Inhalt sind allgemeingültig weit über Lokalkolorit hinaus.

Lorenz brilliert in der Rolle des gläubigen jüdischen Lehrers und Familienvaters, der nach etlichen Schicksalsschlägen mit seinem Gott hadert, um am Schluss doch noch durch eine Art Wunder zu seinem Frieden zu gelangen: märchenhaftes Ende eines tragischen Lebenslaufs. Wie Lorenz im Verlauf des Abends sichtbar altert, wie er in kleinen Gesten große Emotion spüren lässt, das ist absolut sehenswert.

Seine Frau Deborah verkörpert Julia Stemberger, ebenso resch wie vom Leben enttäuscht. Alex Kapl spielt sowohl den Sohn Jonas als auch - Kaugummi kauend und Sprüche klopfend - den Amerikaner Mac, Gregor Schulz verleiht den Söhnen Shemarja und Menuchim gewinnende Freundlichkeit. Katharina Lorenz ist die in den Wahnsinn flüchtende Tochter Mirjam.

Aliosha Biz bringt musikalische Atmosphäre ein

Der wunderbare Geiger Aliosha Biz, der auch ins Ensemble integriert ist, steuert viel musikalische Atmosphäre bei, manchmal vielleicht sogar eine Spur zu viel. Sehr hübsch sind die eingebauten Zitate, etwa die bekannte Purcell-Arie aus "King Arthur", wenn Deborah in der eisigen Winternacht zum Friedhof geht.

Insgesamt ein beeindruckender Auftakt der Festspielsaison 2025 in Reichenau - und ein Beleg dafür, dass Dramatisierungen durchaus in behutsamer Weise dem Erzählfluss eines Prosawerks folgen können. Wenn auch die geeigneten Mitwirkenden vorhanden sind - was in Reichenau der Fall ist.

(Von Ewald Baringer/APA)

(S E R V I C E - Festspiele Reichenau, Neuer Spielraum: Joseph Roth, "Hiob". Regie: Alexandra Liedtke. Mit Joseph Lorenz, Julia Stemberger, Katharina Lorenz, Alex Kapl, Gregor Schulz, Alioscha Biz. Weitere Aufführungen bis 3. August. Information, Bildmaterial und Tickets: www.festspiele-reichenau.at)

Zusammenfassung
  • Mit der Bühnenfassung von Joseph Roths 'Hiob' starteten die Festspiele Reichenau am Mittwochabend überzeugend in die Saison 2025.
  • Joseph Lorenz brillierte in der Hauptrolle des Mendel Singer und wurde als schauspielerischer Höhepunkt des Abends gefeiert.
  • Nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Wolfgang Hübsch übernahm Regisseurin Alexandra Liedtke kurzfristig mehrere Rollen, weitere Vorstellungen laufen bis 3. August.