APA/Marcel Köhler

"Herbst der Untertanen" im Hamakom: Posthume Premiere

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Am Ende der 70-minütigen Vorstellung verbeugen sich die drei Schauspielerinnen. Ingrid Lang, die Leiterin des Theater Nestroyhof Hamakom, legt eine rote Rose zwischen sie und verbeugt sich vor ihr. Michael Gruner hat die Premiere seiner Inszenierung von Nino Haratischwilis "Herbst der Untertanen" nicht mehr erlebt. Der deutsche Regisseur, 1968 mitten im stürmischen Aufbruch des deutschen Theaters in neue Zeiten, verstarb am 20. Oktober. Die Vorstellungen sind ihm gewidmet.

Gruner war dem Haus am Nestroyplatz als Regisseur und Schauspieler verbunden. Warum dies so war, beantwortete er in einem im Programmheft abgedruckten Interview so: Es sei "ein jüdisch geprägtes Theater. Ich selbst stamme aus einer von Nationalsozialisten verfolgten Familie. Für mich stand das Hamakom immer für politische Freiheit und für radikale ästhetische Lösungen." Um Freiheit und Eingesperrtsein, um die Verheerungen des (Bürger-)Kriegs geht es auch in dem Stück der in Berlin lebenden georgischen Autorin, deren Romane "Das Achte Leben (für Brilka)" und "Die Katze und der General" für Aufsehen sorgten und von der Ende Februar mit "Das mangelnde Licht" das nächste 800-Seiten-Buch folgt. Ästhetisch radikal ist Gruners Inszenierung allerdings nicht. Gruner hatte sich immer mehr der psychologischen Tiefenbohrung verschrieben.

Alina Amman hat für diese aufgrund der Corona-Krise mehrfach verschobene österreichische Erstaufführung den Schauplatz optimal genutzt: Der alte Theatersaal wird zur heruntergekommenen Jugendstil-Villa. Endlich wird auch der wunderschöne Balkon bespielt. Die Villa gehört dem "General", mit dessen Rückkehr samt Gattin die alte Köchin Rina (knorrig und herrisch: Christine Dorner) stündlich rechnet. Deswegen wird auch im ansonsten leeren Haus täglich frisch gekocht. Dabei tobt draußen ein Bürgerkrieg und über den Verbleib des Hausherrn ist nichts bekannt. Mit Rina halten die Haushälterin Kaela (angriffslustig und bisweilen zynisch: Katharina Schumacher) und die Aushilfe Luci, eine junge Geflüchtete (zwischen Hoffnungslosigkeit und Zweckoptimismus: Tonia Fechter), die Stellung.

Zwischen den drei Frauen entwickelt sich in dieser klaustrophobischen und doch gleichzeitig luxuriösen Situation ein zunächst subtiler, mit Fortdauer des Abends zusehends offener und bösartiger Machtkampf, in dem man genüsslich in den Wunden der anderen stochert: Ihre unterschiedlichen Kriegserfahrungen haben tiefe seelische Wunden in den Frauen hinterlassen. Zu Filmmusik von Michael Nyman (nur dass es statt "Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber" hier wohl "Die Köchin, der General, seine Frau und ihre Angestellten" heißen müsste) hetzt Gruner das Trio immer wieder aufeinander und macht deutlich: Gegenseitige Zerfleischung ist wahrscheinlicher als Zusammenhalt. Herzlicher Schlussapplaus für die drei Schauspielerinnen und die Rose in ihrer Mitte.

(S E R V I C E - "Herbst der Untertanen" von Nino Haratischwili, Österreichische Erstaufführung im Theater Nestroyhof Hamakom, Wien 2, Nestroyplatz 1, Regie: Michael Gruner, Bühne / Kostüm: Alina Amman, Mit: Christine Dorner, Tonia Fechter, Katharina Schumacher . Weitere Vorstellungen: 20.-22., 25., 28. , 29. Jänner und 1., 4., 5., 8., 10., 11. Februar, Karten: 01 / 8900314, www.hamakom.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Am Ende der 70-minütigen Vorstellung verbeugen sich die drei Schauspielerinnen.
  • Ingrid Lang, die Leiterin des Theater Nestroyhof Hamakom, legt eine rote Rose zwischen sie und verbeugt sich vor ihr.
  • Michael Gruner hat die Premiere seiner Inszenierung von Nino Haratischwilis "Herbst der Untertanen" nicht mehr erlebt.
  • Gruner war dem Haus am Nestroyplatz als Regisseur und Schauspieler verbunden.