APA/APA/Landestheater NÖ/Alexi Pelekanos

Hat immer noch Sprengkraft: "Kabale und Liebe" in St. Pölten

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Als erfreulich unverstaubter Klassiker war Friedrich Schillers bürgerliches Trauerspiel "Kabale und Liebe" am Freitagabend am Landestheater NÖ in St. Pölten zu sehen. Alexander Charims kluge Inszenierung, in der private Problematik effektvoll auf politische Infamie trifft, liefert einen fast zweistündigen spannenden Abend.

Die Premiere hätte schon Ende November 2020 über die Bühne gehen sollen, die Pandemie hat es verzögert, aber nicht verhindert. Charims These: "Es ist vor allem ein Stück über scheiternde Kommunikation, darüber, wie wenig die Menschen sich über die gesellschaftlichen Abgründe hinweg miteinander verständigen können." Und: "Die Liebe scheitert vor allem an sich selbst, nicht so sehr an den Kabalen."

Das ist allerdings ein interessanter Ansatz, der gerade auch vor dem Hintergrund der vergangenen Monate, in denen sich wohl etliche Abgründe bezüglich Kommunikation aufgetan haben, an enormer Aktualität gewinnt. Und auch das abgefeimte Pack der Herrschenden, das seine Macht mit durchwegs unlauteren Mitteln aufrecht hält, findet seine Entsprechung zweifellos immer noch in so manchen gegenwärtigen Verhältnissen.

Es beginnt, wie es endet: Mit einer im Gleichschritt choreografierten Parade, die so richtig den absurden militärischen Drill zur Schau stellt. Dann finden wir uns in der offensichtlich ziemlich verschimmelten Wohnung des Hofmusikus Miller wieder (Andreas Patton zeichnet ihn wunderbar als aufbrausenden Choleriker). Emilia Rupperti ist eine starke Luise, Tobias Artner ein sehr subtiler Ferdinand, Tim Breyvogel ein ideal schleimiger Wurm, Bettina Kerl eine anrührende Lady Milford, Tilman Rose gibt einen unsensiblen Präsidenten, Philip Leonhard Kelz einen jovialen Hofmarschall. Ein ausgezeichnetes Ensemble!

Zwischendurch dreht sich die Bühne (Ivan Bazak ist auch für die stimmigen Kostüme zuständig), die agierenden Personen betätigen sich an der Rückwand an einer Apparatur, die an die Weltmaschine des Franz Gsellmann erinnert, und erzeugen dabei eine seltsame Geräuschkulisse. Wie überhaupt ein leises Pulsieren diskret, aber spürbar die gesamte Handlung begleitet (Musik: Friedrich Stockmeier). Das verleiht dem Geschehen bisweilen einen leicht grotesken, surrealen Touch.

Das tragische Ende interpretiert Charim um: Ferdinand hält zwar schon den Giftbecher in der Hand, doch der Inhalt wird verschüttet. Der Suizid der Liebenden wird nicht sichtbar. Die Liebe war ohnehin längst vergiftet, von innen und außen, durch Besitzansprüche, Eifersucht, Erpressung, Egozentrik. Da bedarf es des Schierlings gar nicht mehr.

Im Jahre 1820, dem Gründungsjahr des St. Pöltner Theaters, stand das Stück bereits auf dem Spielplan. Über zwei Jahrhunderte später stellt es nun seine Sprengkraft abermals unter Beweis: als anschauliches Lehrstück über die "selbstzerstörerische Kraft der Freiheit" (Charim) und - im Sinne Adornos - über die Unmöglichkeit des richtigen Lebens im falschen. Jedenfalls die richtige Stückwahl zur richtigen Zeit.

(S E R V I C E - St. Pölten, Landestheater NÖ: Friedrich Schiller, "Kabale und Liebe". Regie: Alexander Charim, mit Tilman Rose, Tobias Artner, Philip Leonhard Kelz, Bettina Kerl, Tim Breyvogel, Andreas Patton und Emilia Rupperti. Weitere Vorstellungen am 29. Mai und 11. Juni. Information und Tickets: Tel. 02742/908080-600, www.landestheater.net)

ribbon Zusammenfassung
  • Als erfreulich unverstaubter Klassiker war Friedrich Schillers bürgerliches Trauerspiel "Kabale und Liebe" am Freitagabend am Landestheater NÖ in St. Pölten zu sehen.
  • Charims These: "Es ist vor allem ein Stück über scheiternde Kommunikation, darüber, wie wenig die Menschen sich über die gesellschaftlichen Abgründe hinweg miteinander verständigen können."
  • Wie überhaupt ein leises Pulsieren diskret, aber spürbar die gesamte Handlung begleitet.

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