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Händels "Giulio Cesare" bei Festspielen als Bunkerdrama

27. Juli 2025 · Lesedauer 3 min

Keine Pracht, kein Glanz, kein Ägypten: Mit Dmitri Tcherniakovs Inszenierung von Händels "Giulio Cesare in Egitto" haben die Salzburger Festspiele am Samstagabend im Haus für Mozart ihre erste Opernpremiere gefeiert. Der Regisseur enthob die Handlung aus Ort und Zeit und versetzte sie in einen grauen Luftschutzbunker, worin er ein dystopisches Kammerspiel mit starken stimmlichen Charakteren inszenierte.

Tcherniakov, der mit seiner Arbeit bisher eher im 20. Jahrhundert unterwegs war, bekam die Idee, das erste Mal eine Barockoper zu inszenieren, von Festspielintendant Markus Hinterhäuser zugetragen. Beim Blick auf die Bühne war es keine Überraschung, dass der Regisseur das Werk nicht in ein buntes, prächtiges Ägypten - wie zuletzt 2012 bei Cecilia Bartolis Pfingstoper gesehen - verlegte, sondern in einen grauen Schutzraum, offen zum Publikum, funktional und vor allem kalt. Darin entfaltete er ein düsteres Psychogramm über Menschen in Ausnahmesituationen.

Volle Konzentration auf Kontrolle, Eskalation und Macht, denn um Macht geht es neben der Liebesgeschichte von Cäsar und Kleopatra, die ihren Bruder Tolomeo loswerden und zur Alleinherrscherin über Ägypten werden will. Der noble Cäsar wiederum will seinen Gegner Pompeo rächen, den Tolomeo ermorden ließ, welcher nun hinter Pompeos Witwe Cornelia her ist. All diese Konflikte ließ Tcherniakov in den beengten Bunkerräumen eskalieren, wo Hierarchien und Geschichte außer Kraft gesetzt waren. Eine spannende Regieidee, die am Ende aber nicht nur aufgrund der tatsächlichen Spieldauer der Oper von vier Stunden Längen erhielt.

Wo die Bühne im Grau verharrte, explodierte die Musik: Emmanuelle Haim dirigierte Händel mit Lust an Farbe, Drama und Kontrast. Sie und ihr Ensemble Le Concert d'Astrée zeigten sich als wahre Händel-Spezialisten. Mit rhythmischer Schärfe, präziser Dynamik und Sinn für emotionale Spannweite entfalteten sie Händels Klangkosmos in all seiner Dramatik - von barocker Zartheit bis zur klanglichen Attacke - und bereiteten dem durchwegs stark besetzten Solistenensemble ein solides Klangfundament.

Diese Besetzung war weniger auf polierten Glanz als auf Charakter geeicht. Lucile Richardot verkörperte die Cornelia mit einem warmen, tiefbrustigen Timbre, das sie im Zusammenspiel mit dem jugendlichen, klaren Sopran von Federico Fiorio (Sesto) zur matriarchalen Figur formte. Auch Kulchynska als Cleopatra blieb keine süße Verführerin, sondern eine toughe Frau, die nach Cäsars vermeintlichem Tod nicht ins stille Piano trauerte, sondern ihn und gleichermaßen sich mit einer wütend schönen "Se pieta"-Arie beklagte. Auch Christophe Dumaux als heroischer Cäsar und Yuriy Mynenko als wahnsinniger Tolomeo blieben auf der expressiven Seite.

Kompromisslose Barock-Entrümpelung

Was als intensives psychologisches Machtspiel begann, wurde über die Dauer zur zähen Prüfung für Publikum und Figuren gleichermaßen. Trotz kluger Gedanken und starker Stimmen blieb Tcherniakovs graue Welt am Ende doch zu grau. Es war die Musik mit all ihrer barocken Fantasie, rhythmischen Wucht und emotionalen Direktheit, die am Ende den Bunker sprengte. Das Publikum belohnte Ensemble, Dirigentin und Orchester für diese Leistung mit Jubel und großem Applaus, und auch das Regieteam wurde für seine kompromisslose Barock-Entrümpelung mit kleinen Einbrüchen mitgefeiert.

(Von Larissa Schütz/APA)

( S E R V I C E - Georg Friedrich Händel: "Giulio Cesare in Egitto" - Musikalische Leitung: Emmanuelle Haim, Inszenierung & Bühne: Dmitri Tcherniakov, Kostüme: Elena Zaytseva, Licht: Gleb Filshtinsky, Dramaturgie: Tatjana Werestchagina.Auf der Bühne: Giulio Cesare: Christophe Dumaux, Cleopatra: Olga Kulchynska, Cornelia: Lucile Richardot, Sesto: Federico Fiorio, Tolomeo: Yuriy Mynenko, Achilla: Andrey Zhilikhovsky, Nireno: Jake Ingbar, Curio: Robert Raso, Bachchor Salzburg (Einstudierung: Michael Schneider), Le Concert d'Astrée, weitere Aufführungen: 29.7., 3., 6., 11., 14.8., www.salzburgerfestspiele.at )

Zusammenfassung
  • Die Salzburger Festspiele eröffneten mit einer vierstündigen Premiere von Händels 'Giulio Cesare in Egitto', inszeniert von Dmitri Tcherniakov als dystopisches Kammerspiel in einem grauen Luftschutzbunker.
  • Emmanuelle Haim dirigierte das Ensemble Le Concert d'Astrée, das mit rhythmischer Schärfe und emotionaler Spannweite Händels Musik überzeugend interpretierte.
  • Das Publikum belohnte die kompromisslose Regie und die starken Sängerleistungen, darunter Lucile Richardot und Olga Kulchynska, mit großem Applaus; weitere Aufführungen sind am 29.7., 3., 6., 11. und 14.8. geplant.