GrazMuseum zeigt Graz am Weg "Ins Ungewisse 1945-1965"
Direktorin Sibylle Dienesch sagte in der Presseführung zum Ausgangspunkt, dem Jahr 1945: "Der Nationalsozialismus hat sich ja auch der kulturellen Werte und der Ausdrucksformen bemächtigt und soziale Beziehungen vergiftet." Wie habe da die Schaffung eines liberalen und demokratischen Staates bzw. einer neuen Identität und Gesellschaft gelingen können? "Und: Wie geht man mit der Ungewissheit um?" fragte Dienesch. Auf einige Eckpunkte der Stadtgeschichte in diesen beiden Dekaden wies Dienesch gleich selbst hin - am 16. Mai 1945 habe es schon einen paritätisch besetzten Stadtrat gegeben, im September 1945 die von den Briten initiierten "Grazer Festwochen". Der erste Bürgerbeteiligungsprozess wurde 1963 abgehalten, Graz war auch die erste Stadt Österreichs mit einem entsprechenden Statut.
Kulturstadtrat Günter Riegler (ÖVP) zog einen Vergleich: Man habe es damals mit einer Periode des Schreckens und des Grauens zu tun gehabt. Das wäre so, als wäre in einem heutigen Rückblick das KZ Auschwitz erst 20 Jahre her. Die Ausstellung werfe auch ein Licht auf die Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenlebens nach einer Zeit beispiellosen Grauens. Jedenfalls müsse man den Menschen Zeit geben zur Aufarbeitung: "Es hat nicht immer gleich danach Demokratie und Liberalität gegeben", sagte Riegler. Die Ausstellung werfe auch die Fragen auf, wie man Demokratie beschütze und bewahre. Und die Vergleiche zur Gegenwart drängten sich förmlich auf, etwa, ob es im Iran eine Demokratiebewegung geben werde, oder in Ägypten eine Chance auf einen neuen arabischen Frühling? Im Eingangsbereich zur Schau gebe es jedenfalls ein Wohnzimmer, gestaltet im Stile der 1960er, mit Einbauradio, Stoffsesseln und Nierentisch - ein Ort zum Platznehmen für Diskussionen und Einblicke.
Das Kuratorenduo Bernhard Bachinger und Annette Rainer hat die drei Schauräume mit Oral-History-Interviews, einigen kuriosen Exponaten und viel Textmaterial gestaltet. Eine Klammer bilden zeitgenössische Bilder, die an den Wänden die Schau umrahmen und von einem neuen künstlerischen Geist im Lande zeugen. Dazu kommen Banner mit ikonischen internationalen Bildern aus den Jahren 1945 bis 1965, die die Einordnung erleichtern und in einen globalen Kontext einbetten. Bachinger sprach von einer grauen Dekade bis 1955, danach breche viel auf. Etliche uns heute selbstverständliche Dinge seien von 1955 bis 1965 geschaffen worden, etwa das Instrument zur Bürgerbeteiligung, das Graz in Österreich eine Vorreiterrolle gegeben habe. Was Objekte nicht schildern könnten, gelänge mit den über 20 Biografien, die sehr viele erzählerische Lücken schlössen.
Geschichte erleben über Geruch
Für Kuratorin Rainer funktioniere die Schau nicht nur über die gezeigten Alltagsgegenstände, sondern auch über die vielen Interviews aus dem Oral History Archiv der Uni Graz. Mit dem Wohnzimmer der 1960er habe man zudem einen Raum der Erinnerung geschaffen, in dem sich Menschen mitteilen könnten. Für eine Art Geruchszeitreise sorgten kleine Fläschchen mit Duftstoffen, die etwa an den Hausbrand aus den vielen Notöfen der unmittelbaren Nachkriegszeit erinnerten ebenso wie der Geruch nach "kalter Dauerwelle".
Die Eröffnung findet am Mittwoch um 18 Uhr statt. Ab September kommt noch ein vertiefendes Rahmenprogramm hinzu, so am 24. September Gespräch, Ausstellungsführung und Konzert "Als der Jazz nach Graz kam" oder am 22. Oktober die Diskussion "Verborgene Geschichten. Besatzungskinder erinnern sich".
( S E R V I C E - Nähere Informationen unter https://www.grazmuseum.at/presse/ abrufbar.)
Zusammenfassung
- Die Ausstellung "Ins Ungewisse. Graz 1945-1965" im GrazMuseum beleuchtet bis 12. April 2026 in drei Schauräumen den Wandel der Stadt von den Kriegsjahren bis zum wirtschaftlichen Aufschwung.
- Wichtige Stationen sind der erste paritätisch besetzte Stadtrat am 16. Mai 1945, die von den Briten initiierten Grazer Festwochen im September 1945 und der erste Bürgerbeteiligungsprozess 1963.
- Besucher:innen erleben über 20 Biografien, zahlreiche Oral-History-Interviews, ein Wohnzimmer im Stil der 1960er mit Geruchsproben und ab September ein Rahmenprogramm mit Gesprächen und Konzerten.