Garbage passen weiter in keine Schublade
"Mir ist bewusst, dass wir nicht in die Algorithmen passen, auf denen die Streaming-Dienste basieren", sagt Sängerin Shirley Manson im Interview der Deutschen Presse-Agentur in London. "Früher hat es mich wirklich gestört, dass wir nirgendwo richtig dazugehört haben. Aber inzwischen merke ich, wie schön das eigentlich ist und welche Freiheit das bringt, eine einzigartige klangliche Identität zu haben, wenn jeden Tag 100.000 Songs im Internet hochgeladen werden."
Das neue Album ist laut Manson ein Gegenstück zum düsteren Vorgänger "No Gods No Masters" von 2021, der "voller Wut und Angst" war. Die neue LP ist spürbar positiver. "Alles, wovor ich damals Angst hatte, ist Realität geworden", erklärt die schottische Sängerin. Seit Jahren lebt sie mit ihrem Mann, dem US-Amerikaner und Garbage-Toningenieur Billy Bush, in Los Angeles und hat auch einen amerikanischen Pass.
Die Entwicklungen in den USA bereiten ihr Sorgen - so wie das gesamte Weltklima. Doch ihre Ängste erneut im Songwriting zu kanalisieren, kam für Manson nicht infrage. "Ich musste meine Perspektive ändern, sonst wäre ich verrückt geworden. Das Einzige, was ich kontrollieren kann, ist meine Liebe", sagt sie "meine Liebe zur Natur, zu Tieren, zu meinem Umfeld, meiner Band und meine romantische Liebe zu meinem Mann. Diese Kräfte habe ich gebündelt und für dieses Album genutzt."
Band bleibt bissig und unbequem
Wer befürchtet, Garbage würden ab sofort seichten Pop machen, kann aufatmen. Die Band bleibt bissig und unbequem. Im punkigen "Chinese Firehorse" etwa, einem der besten neuen Songs, rechnet Manson mit Sexismus und Altersdiskriminierung in der Musikbranche ab.
Inspiriert wurde sie dazu während der PR-Kampagne des vorherigen Albums. "Ich war damals 53 Jahre alt, das möchte ich noch einmal betonen", sagt die 58-Jährige. "Und zwei Journalisten, ein Mann und eine Frau, fragen mich am selben Tag, wann ich mich zur Ruhe setzen werde! Das würden sie meine männlichen Kollegen niemals fragen." Der Songtext richtet sich direkt an die beiden Interviewer.
Die Sängerin ist im Übrigen deutlich jünger als ihre US-amerikanischen Kollegen Steve Marker (66), Duke Erikson (74) und Bandgründer Butch Vig (69). "Das ist immer noch sehr präsent", klagt Manson. Eine einschlägige britische Boulevard-Zeitung habe sich gerade erst wieder über ihr Aussehen ausgelassen. "Mich verletzt so etwas nicht mehr, es kümmert mich überhaupt nicht. Wenn jemand mich alt und hässlich nennt, prallt das an mir ab. Aber was für eine Botschaft sendet das an jüngere Menschen, die nicht so gefestigt sind wie ich, die noch nicht so viel erlebt haben. Das kann einen jungen Menschen kaputtmachen."
Garbage haben immer noch etwas zu sagen
Trotz aller Sorge um das, was in der Welt passiert - Manson sagt, sie sei heute optimistischer als früher. Der Titel des ersten Tracks, "There's No Future In Optimism", ist entsprechend ironisch gemeint. "Das war genau das Gegenteil von dem, was ich mir eigentlich vorgenommen hatte, als ich mit der Platte angefangen hab", betont Manson. Ein optimistisches Album sei "Let All That We Imagine Be The Light" allerdings auch nicht.
Von dem treibenden Opener über das düstere "Hold" und das fast schon sanfte, Electropop-artige "Sisyphus" bis zum zynischen "Get Out My Face AKA Bad Kitty" ziehen Garbage alle musikalischen Register, die sie von anderen Bands abheben. Dabei lohnt es sich, genau hinzuhören und auf die Texte zu achten. Denn Garbage haben nach 30 Jahren immer noch viel zu sagen.
Zusammenfassung
- Garbage veröffentlichen fast 30 Jahre nach ihrem Durchbruch mit 'Let All That We Imagine Be The Light' ihr achtes Studioalbum, das erneut keine Genre-Schublade bedient.
- Sängerin Shirley Manson (58) betont die kreative Freiheit der Band und verarbeitet auf dem neuen Album statt Angst und Wut vor allem Liebe und Positivität, nachdem sie im Vorgänger 'No Gods No Masters' (2021) noch düstere Themen behandelte.
- Im Song 'Chinese Firehorse' rechnet Manson mit Sexismus und Altersdiskriminierung in der Musikbranche ab und berichtet von eigenen Erfahrungen, während die Band weiterhin gesellschaftskritisch und unbequem bleibt.