Förderstopp sorgt für Notstand in der heimischen Filmszene
Die APA hat mit den Menschen hinter drei Filmprojekten gesprochen, die nun in großen Schwierigkeiten stecken: Arash T. Riahi bereitet mit der Produktionsfirma Golden Girls den Film "Riot / Girl" seines Bruders Arman T. Riahi vor. Der Film befindet sich derzeit in einer Warteschleife. Das Casting musste gestoppt werden, ob zumindest ein Teil der im Budget nun fehlenden Million über ausländische Fördergeber aufgetrieben werden kann, ist noch unsicher. "Am Ende des Sommers können wir entscheiden, ob wir den Film im Herbst drehen können, oder ob wir es um ein Jahr verschieben müssen."
Auch Alexander Glehr, mit seiner Film AG Produzent des neuen Films "Gentle Monster" von Marie Kreutzer, ist seither ununterbrochen am Kurbeln. "Bisher haben wir geschafft, eine Mio. Euro zu kompensieren. Aber der Gap beträgt noch immer eine Million" - bei einem Gesamtbudget von neun Millionen keine Kleinigkeit. "Wir werden die Dreharbeiten vermutlich nach Deutschland verlegen müssen, um dadurch dort mehr Fördergelder zu erhalten." Dunja Bernatzky, Geschäftsführerin des Animationsstudios Arx Anima, weiß dagegen noch überhaupt nicht, wie es mit der Fortsetzung der erfolgreichen "Häschenschule", an der seit langem mit Vollgas gearbeitet wird, weitergeht. Der Ausfall von rund 1,4 Mio. Euro aus ÖFI+, mit denen man fix gerechnet hat, "trifft die Produktion mit voller Wucht", sagt sie.
Einig sind sich alle Gesprächspartner darin, dass der unangekündigte Stopp, der am 15. Jänner ausgerufen wurde und nun letztlich für das gesamte Jahr 2025 gelten soll, ein Fiasko mit Ansage war. Denn trotz mancher Bedenken wurde ein Fördermodell entwickelt, bei dem quasi das Blaue vom Himmel versprochen wurde: Geld für alle, die die Kriterien erfüllen. "Es wurde bei der Einführung des Fördermodells von der Politik vermittelt, dass der Topf praktisch ungedeckelt ist und aufgefüllt wird, wenn er leer ist. Davon sind wir auch ausgegangen, da inzwischen auch belegt ist, dass jeder Euro von ÖFI+ das 1,4-Fache wieder reinspielt", sagt Riahi.
Zunächst angedacht war ein Anreizmodell von Steuergutschriften, wie es in vielen Ländern gebräuchlich ist. "In Österreich hat man sich - warum auch immer - dann dazu entschlossen, davon abzugehen", erinnert sich Glehr. Stattdessen wurde ein Topf geschaffen, der nach außen als Fass ohne Boden verkauft wurde. "2023 wurde klar gesagt: Es ist ungedeckelt. Natürlich hat es damals auch Zweifel gegeben. Man kann nachlesen, dass auch ich zu jenen gehört habe, die solche Bedenken artikuliert haben. Wir haben gesagt: Machen wir das System enger, damit es nicht aus dem Ruder läuft." Das wurde schließlich auch gemacht. "Der Boom war wahrscheinlich überproportioniert. Wir haben die Richtlinien dann strenger gestaltet", berichtet Marie Kreutzer, die im Aufsichtsrat des Österreichischen Filminstituts (ÖFI) sitzt. "Da war es aber schon zu spät. Was Kulturminister Andreas Babler gemacht hat, war eine Vollbremsung."
Mit dem Rasenmäher in die blühende Filmlandschaft
Der Auszahlungsstopp wirkt als Rasenmäher in einer vorher zu blühendem Leben erweckten Filmlandschaft, in der die mühsam ausgebrachte Saat gerade aufzugehen begann. "Durch die Einführung von ÖFI+ und dem Investment Bonus sowie FISA+ vor zwei Jahren ist das österreichische Fördersystem auf einen Schlag zu einem der besten Systeme in der europäischen Förderlandschaft geworden", meint Riahi. "Das neue Fördersystem hat Österreich zu einem extrem interessanten Koproduktionsland gemacht. Sehr viele internationale Projekte sind nach Österreich gekommen und haben hier Millionen ausgegeben und für neue Arbeitsplätze und eine weitere Professionalisierung diverser Gewerke geführt. Nun droht die Gefahr, bzw. es ist leider schon passiert, dass internationale Projekte abgezogen wurden und in andere Länder ausgewichen sind."
"Da ÖFI+ als automatisches Anreizsystem für Ausgaben in Österreich konzipiert wurde, hatte es sehr positive wirtschaftliche Effekte: Es brachte Millionen an Investitionen ins Land", berichtet Dunja Bernatzky. "Über viele Jahre hinweg wurden Know-how, Strukturen und sichere Arbeitsplätze aufgebaut - und plötzlich bricht dieses Fundament weg. Das hat unmittelbare Folgen für Beschäftigung, Planungssicherheit und die internationale Glaubwürdigkeit des österreichischen Animationsstandorts."
Wertschöpfung wandert ins Ausland ab
Diese Glaubwürdigkeit ist nun tief erschüttert. "Das Versprechen, das abgegeben wurde, war ein ganz anderes", sagt Produzent Glehr. "Gerade die Filmbranche mit ihren langen Vorlaufzeiten braucht ein Mindestmaß von Verlässlichkeit. Ich arbeite jetzt Tag und Nacht daran, mein persönliches Risiko dabei halbwegs einzugrenzen und ein Totalfiasko zu vermeiden. Damit wir als Firma auch noch in der Zukunft Filme machen können." Die Folgen sind nicht nur für die betroffenen Firmen verheerend, sondern auch für den Wirtschaftsstandort Österreich schädlich: Wertschöpfung wandert ins Ausland ab, Filme werden "weniger österreichisch". "Mein Team wird jetzt wohl nicht aus Österreich kommen", sagt Regisseurin Kreutzer, die nun wenige Monate vor Drehstart mit vielen Unwägbarkeiten zu kämpfen hat.
Arbeitsplätze in einer eben noch boomenden Branche sind hochgradig gefährdet. "De facto sind die schlimmsten Befürchtungen eingetreten. Die Folge wird nicht nur sein, dass keine Steuern zurückfließen, sondern dass man für die Filmbranche viel mehr AMS-Mittel aufwenden wird müssen. Ich hoffe, das hat sich wer durchgerechnet", sagt Produzent Glehr, der auch darauf verweist, dass große Filme mit internationalen Partnern noch am ehesten Chancen hätten, die Ausfälle zu kompensieren: "Heimische Filme ohne internationale Gelder werden es am stärksten zu spüren bekommen."
"Firmen werden zusperren müssen."
Ähnlich sieht das Kreutzer: "Es wird alle rein österreichischen Produktionen treffen. Der Wettbewerb wird viel härter werden. Firmen werden zusperren müssen." Dabei sei ÖFI+ "auch so etwas wie eine Fairpay-Maßnahme" für die heimische Filmbranche gewesen, "die auch kleineren Projekten und den Verleihern geholfen und zu einer Professionalisierung des Nachwuchses geführt hat", argumentiert Riahi. Diese Maßnahme verkehrt sich nun in ihr Gegenteil, betont Bernatzky: "Viele Unternehmen, die über Jahre hinweg stabile Arbeitsplätze geschaffen haben, stehen nun vor dem Aus."
Wie geht es nun weiter? Produzent Alexander Glehr hofft, dass der Preis, den "Gentle Monster" kürzlich am Marché du Film in Cannes errungen und damit das Interesse ausländischer Investoren geweckt hat, weiterhilft. Riahi wartet derzeit auf Förderentscheidungen aus Frankreich und hofft, dass "Riot / Girl" für den Venice Gap-Financing Market, eine Plattform der Filmfestspiele von Venedig, die Produzenten bei der Finanzierung ihrer Projekte unterstützen soll, ausgewählt wird. Und auch, was die Fortsetzung des Animationsfilms "Die Häschenschule" angeht, "geben wir selbstverständlich nicht auf", versichert Dunja Bernatzky. "Wir arbeiten derzeit intensiv daran, alternative Finanzierungswege zu finden."
Hoffen auf schnelle und unbürokratische Lösungen
Die Chefin von Arx Anima verweist wie ihre Kollegen auf laufende Gespräche, die nicht nur mit dem Kultur-, sondern auch mit dem Wirtschaftsministerium geführt werden, schließlich gehe es nicht nur um Kultur-, sondern auch um Wirtschaftsförderung. Alle sind sich einig: Die Zeit drängt. "Was es jetzt dringend braucht, sind schnelle und unbürokratische Lösungen, um das Schlimmste zu verhindern", sagt Dunja Bernatzky. "Ob die Branche dafür ausreichend politischen Rückhalt bekommt, ist derzeit offen - obwohl bereits ein vergleichsweise kleiner finanzieller Handlungsspielraum ausreichen würde, um große Schäden in einer international erfolgreichen und identitätsstiftenden Branche abzuwenden."
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
Zusammenfassung
- Der überraschende Auszahlungsstopp bei der Filmförderung ÖFI+ hat in der österreichischen Filmszene einen akuten Notstand ausgelöst.
- Zwischen zehn und zwanzig heimische Filmprojekte sind gefährdet oder müssen ins Ausland verlagert werden, weil Millionenbeträge im Budget fehlen.
- Beim Animationsfilm „Die Häschenschule“ fehlen 1,4 Millionen Euro, beim Spielfilm „Gentle Monster“ beträgt die Förderlücke 1 Million Euro bei einem Gesamtbudget von 9 Millionen.
- Die Branche kritisiert, dass der Förderstopp mitten im Aufschwung erfolgte, obwohl jeder Euro aus ÖFI+ laut Produzenten das 1,4-Fache an Wertschöpfung einbrachte.
- Viele Firmen, besonders kleinere und rein österreichische Produktionen, stehen vor dem Aus und fordern schnelle, unbürokratische politische Lösungen, um Arbeitsplätze und den Standort zu retten.