"Fledermaus" in Tirol: Zeitgeistige Champagnerlaune
"Die Fledermaus", 1874 uraufgeführt, zählt zu den bekanntesten Operetten des Genres. Sie kreist um bürgerliche Doppelmoral, Seitensprünge, soziale Maskenspiele und den Gegensatz von Rausch und Kater. Unter falschen Namen und wechselnden Rollen werden Freundschaft, Ehe und Loyalität auf die Probe gestellt, bevor am Ende eine große Versöhnungsszene steht.
In Innsbruck inszenierte Regisseurin Hadžiahmetović die Geschichte um den Beamten Gabriel von Eisenstein, seine Frau Rosalinde und deren Kammermädchen Adele weitgehend klassisch - mit wenigen, aber gezielten Aktualisierungen. Der erste Akt spielte im bürgerlichen Wohnzimmer, in dem Eisenstein seiner Arreststrafe entgegensah, während Rosalinde von ihrem früheren Verehrer Alfred bedrängt wurde. Im zweiten Akt verlagerte sich das Geschehen auf das Fest des Prinzen Orlofsky, wo unter Masken, neuen Namen und viel Champagner gefeiert, taktiert und intrigiert wurde - der Alkohol als treibender Motor der Enthemmung.
Das Bühnenbild des Tirolers Paul Zoller setzte auf klare, wandelbare Räume zwischen Wohnstube, Festsaal und Kerker und hielt so den Abend in stetiger Bewegung. Die Kostüme von Mechthild Feuerstein markierten deutlich die Grenzen zwischen bürgerlichem Alltag und Festfantasie.
Musikalisch trug Kapellmeister Ingmar Beck mit dem Tiroler Symphonieorchester Innsbruck und dem Chor des Tiroler Landestheaters die Aufführung. Die Tempi blieben meist zügig, die Walzerbögen waren sorgfältig ausphrasiert, die Ensembleszenen wirkten geschlossen. Der Champagner-Walzer und die großen Finali entwickelten dadurch spürbaren Schwung, ohne ins Überdrehte zu kippen.
Starke Hauptrollen
Besonders präsent waren die weiblichen Hauptrollen. Susanne Langbein zeichnete eine selbstbewusste Rosalinde, die hörbar zwischen Pflichtgefühl und Lust an der Maskerade pendelte. Annina Wachter, in Innsbruck aufgewachsen, führte Adele mit präzisem Spiel und sicher gesetzten Spitzentönen durch ihre beiden großen Auftritte im zweiten und dritten Akt. Alles in allem ein mehr als starkes Frauen-Duo. Im Zusammenspiel mit Florian Stern als Gabriel von Eisenstein bildete man ein Trio, welches das tragende Zentrum des Abends bildete.
Leutgeb, aktuelle Bezüge und Corona
Besonderes Gewicht bekam der dritte Akt im Kerker mit der Sprechrolle des Gerichtsdieners Frosch. Leutgeb, nach vielen Jahren ans Landestheater zurückgekehrt, sprach einen neuen Monolog des Tiroler Kabarettisten Xaver Schumacher, in dem unter anderem auf derzeit prominente Häftlinge in der Justizanstalt Innsbruck, René Benko und Karl-Heinz Grasser, Bezug genommen wurde. Die Promidichte im Gefängnis sei damit höher als beim Stanglwirt, hieß es darin etwa. Die Anstalt könne daher als "VIP - verbrecherische Innsbrucker Prominenz" bezeichnet werden.
Der Monolog griff auch die Corona-Pandemie, eine Theorie über ihren möglichen Ursprung und die Ereignisse rund um Ischgl auf. In satirischer Form war von einer Reise von Touristikern nach China die Rede, die das Virus aus einem Labor in Wuhan nach Tirol gebracht hätten. Die Hotellerie und Gastronomie in Ischgl hätten ihre Rolle dabei unwissentlich erfüllt und dem Virus den Weg geebnet - durch die weltweite Berichterstattung habe man zusätzliche Aufmerksamkeit erhalten. Ischgl sei seither ein Ziel des "Katastrophentourismus im Wohlfühlort". In diesem Zusammenhang schlug Frosch vor, anstelle des Tiroler Adlers die Fledermaus als Symbol zu verwenden.
Klassische Lesart mit klaren Bildern
Die kabarettistischen Elemente taten der Wirkmächtigkeit dieser "Fledermaus"-Inszenierung keinen Abbruch - wenngleich, oder besser gesagt sogar weil ein gewisser Schenkelklopfer-Effekt intendiert wurde. Insgesamt ergab sich im ausverkauften Großes Haus des Landestheaters ein knapp zwei Stunden und vierzig Minuten dauernder Abend, der den Operettenklassiker ohne radikale Lesart, aber mit erkennbaren Akzenten in Szene setzte.
(Von Max Hofer/APA)
(S E R V I C E: - "Die Fledermaus" von Johann Strauss, Libretto von Richard Genée mit einem Frosch-Monolog von Xaver Schumacher. Regie: Jasmina Hadžiahmetović. Musikalische Leitung: Ingmar Beck, alternierend Matthew Toogood. Bühne: Paul Zoller. Kostüme: Mechthild Feuerstein. Mit u.a. Florian Stern (Gabriel von Eisenstein), Susanne Langbein (Rosalinde), Annina Wachter (Adele), Jacob Phillips (Dr. Falke), Bernarda Klinar (Prinz Orlofsky), Benjamin Chamandy (Gefängnisdirektor Frank), Jason Lee (Alfred), Martin Leutgeb (Frosch), Tiroler Symphonieorchester Innsbruck, Chor des Tiroler Landestheaters. Weitere Vorstellungen in der laufenden Spielzeit 2025/26. https://www.landestheater.at/)
Zusammenfassung
- Am Samstagabend feierte die Operette "Die Fledermaus" von Johann Strauss in der Regie von Jasmina Hadžiahmetović am Tiroler Landestheater eine umjubelte Premiere zum 200. Geburtstag des Komponisten.
- Im Mittelpunkt der Neuinszenierung standen die starken weiblichen Hauptrollen Susanne Langbein (Rosalinde) und Annina Wachter (Adele) sowie Martin Leutgeb als Gerichtsdiener Frosch mit einem aktuellen, satirischen Monolog.
- Der Monolog von Frosch griff aktuelle Themen wie prominente Häftlinge in Innsbruck, die Corona-Pandemie und Ischgl auf und setzte auf gesellschaftskritische Satire.
- Das Bühnenbild von Paul Zoller und die Kostüme von Mechthild Feuerstein unterstrichen die Kontraste zwischen bürgerlichem Alltag und Festfantasie.
- Die Aufführung dauerte knapp zwei Stunden und vierzig Minuten und überzeugte musikalisch mit dem Tiroler Symphonieorchester Innsbruck und dem Chor des Landestheaters unter der Leitung von Ingmar Beck.
